In einer Kooperation zwischen dem Klinikum Nürnberg und der Paracelsus Medizinische Privatuniversität aus Salzburg wird am Standort Nürnberg ein Studium zur Humanmedizin angeboten. Wichtiger Kooperationspartner ist die Technische Hochschule Nürnberg Georg Simon Ohm. In einem akkreditierten Curriculum werden die vorklinischen und klinischen Fächer von den Instituten Anatomie, Physiologie und der Klinischen Pharmakologie sowie von Professoren und Lehrbeauftragten des Klinikums Nürnberg unterrichtet; die Lehre der naturwissenschaftlichen Fächer erfolgt durch die Technische Hochschule Nürnberg.
Viele junge Menschen streben nach dem Arztberuf, aber es gibt nur wenige Studienplätze. Im Wintersemester 2016/17 kamen nach Angaben von hochschulstart.de auf 9.150 Studienplätze mehr als 43.800 Bewerber. Der Mangel an Studienplätzen, die große Nachfrage durch Studieninteressierte und nicht zuletzt ein Ärztemangel insbesondere in ländlichen Regionen machen das Angebot neuer Studienmöglichkeiten durch private Anbieter attraktiv. Private Hochschulen, internationale Kooperationspartner und kommunale Kliniken werden neue Akteure im Feld der Medizinerausbildung. Zu den privaten Anbietern in der Medizinerausbildung gehören neben der schon lange am Markt agierenden Privaten Universität Witten-Herdecke beispielsweise die Kassel School of Medicine, Asklepios Hamburg, die Medizinische Hochschule Brandenburg und die Paracelsus Medizinische Privatuniversität in Nürnberg.
Die Medizinausbildung in Nürnberg war lange Zeit dadurch geprägt, dass das Klinikum Nürnberg als Lehrkrankenhaus des Universitätsklinikums Erlangen-Nürnberg fungierte. Bemühungen jedoch, das Klinikum Nürnberg in eine zweite medizinische Fakultät der Universität Erlangen-Nürnberg umzuwandeln, führten nicht zum Erfolg. Das Klinikum Nürnberg trieb die Bestrebungen einer eigenen akademisch-universitären Entwicklung dennoch weiter voran und fand mit der Paracelsus Medizinische Privatuniversität (PMU) in Salzburg einen passenden Partner mit vergleichbaren Rahmenbedingungen. In diesem Zusammenhang gewann das Klinikum Nürnberg im Jahr 2012 die Technische Hochschule Nürnberg Georg Simon Ohm (THN) für eine Zusammenarbeit, die ein breites Angebot an naturwissenschaftlichen Grundlagenfächern aufweist und sich interdisziplinär über Themen, unter anderem über das Feld Gesundheit, profiliert. Klinikum und Hochschule hatten bis zu diesem Zeitpunkt nur punktuell miteinander zu tun.
Die von einer gemeinnützigen Privatstiftung getragene Paracelsus Medizinische Privatuniversität ist eine in Österreich akkreditierte Privatuniversität in gemeinnütziger Trägerschaft. Ihr Ausbildungsangebot umfasst am Standort Salzburg das Studium der Humanmedizin, der Pflegewissenschaft, postgraduelle Doktoratsstudiengänge (Österreich), Universitäts- und Weiterbildungslehrgänge. Auch an der PMU in Salzburg werden bereits seit 2002 die naturwissenschaftlichen Fächer in der Humanmedizin im Rahmen einer Kooperation mit der dortigen staatlichen Paris Lodron Universität gelehrt.
Die Gründung eines Standortes der PMU in Nürnberg für das Angebot eines in Österreich akkreditierten Medizinstudiums konnte unter folgenden Rahmenbedingungen umgesetzt werden:
Seit dem Jahr 2014 wird durch die PMU in Nürnberg in Kooperation mit dem Kommunalunternehmen Klinikum Nürnberg und der Technischen Hochschule Nürnberg das Studium der Humanmedizin angeboten. Für dieses Vorhaben war das Studienmodell der PMU in Österreich Vorbild, da es ähnliche Voraussetzungen mitbrachte – nämlich die Bereitstellung verschiedener Komponenten von Lehre und Forschung durch mehrere Akteure, die in der Summe an einem Standort zu einem universitären Medizinstudium führen: Es wird nach dem gleichen Curriculum wie am Standort Salzburg gelehrt. Für den Aufbau des Studienganges in Nürnberg wurden daneben auch Organisationsstruktur und Qualitätskontrolle nach dem Salzburger Modell übernommen. Das ursprüngliche Modell dieses Medizinstudiums basiert auf dem Vorbild der US-amerikanischen Mayo Medical School der Mayo Clinic. Daran geknüpft ist die Akkreditierung der Medizinerausbildung in Nürnberg. Seit 2023 wird das Studium der Humanmedizin der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität als dreijähriges Bachelorstudium mit darauf folgend zweijährigem Master angeboten und ersetzt damit das Diplomstudium.
Das Studium in Nürnberg ist gekennzeichnet durch
Kooperation des Klinikums und der Technischen Hochschule Nürnberg
Die Kooperation des Klinikums mit der Technischen Hochschule betrifft neben der Lehre auch die Bereitstellung von Laboren und Infrastrukturen für Forschungsprojekte und Forschungssemester. Während das Klinikum Nürnberg alle medizinischen Fächer abdeckt, steuert die Technische Hochschule Nürnberg alle naturwissenschaftlichen Fächer wie Physik, Chemie, Biologie und Biochemie zum Medizinstudiengang bei. Sie bilden im ersten Studienjahr die naturwissenschaftliche Basis für das weitere Studium unter anderem in Anatomie und Physiologie sowie an den Kliniken und Instituten des Klinikums Nürnberg. Für diese extra konzipierten Veranstaltungen arbeiten Kliniker und Naturwissenschaftler beider Einrichtungen, das heißt Professoren der Hochschule und des Klinikums, eng zusammen, konzipieren und gestalten gemeinsam Lehrveranstaltungen und Seminare. Orientierung ist dabei immer das gemeinsame Rahmen-Curriculum der PMU, welches die einzuhaltenden Standards vorgibt, jedoch ausreichend Raum für eine individuelle Ausgestaltung der Lehre lässt. Für die didaktische Umsetzung der Lehre wird ein Schulungsprogramm angeboten, das zwischen den Partnern in Nürnberg auch den Austausch zu Lehrveranstaltungen umfasst.
In Nürnberg beginnen jährlich 55 Studierende ihr Studium. Da es sich formal um einen ausländischen Studiengang handelt und die Studierenden in Österreich eingeschrieben sind, erfolgt keine Studienplatzfinanzierung über das Land Bayern. Die öffentliche Hand hat auch darüber hinaus keinen Anteil an der Finanzierung des Studienangebots. Da die Studierenden nicht in Deutschland immatrikuliert sind, sind sie auch nicht BAföG-berechtigt.
Die Finanzierung des Studienangebotes steht auf zwei Säulen: Zum einen werden Studiengebühren eingenommen – derzeit 106.301 Euro pro Studierendem für das gesamte Studium (30 Prozent der Studierenden erhalten eine Förderung durch Stipendien oder Finanzierung). Zum zweiten wird das Studienangebot durch Sponsoren finanziert, das heißt Einzelpersonen, Stiftungen und mit dem Klinikum und der Region verbundene Mäzene, die strukturell fördern oder Stipendien für Studierende vergeben. Das bedeutet, dass das Studienangebot über Zuwendungen von privater Seite und über Studiengebühren sowie anteilig über eingeworbene Drittmittel komplett ohne staatliche Unterstützung finanziert wird. Aus diesen privaten Einnahmen werden sowohl die Personalkosten, wie die Vergütung der Nebentätigkeiten der Professoren der Technischen Hochschule, als auch Sach- und Gemeinkosten, wie die Nutzung von Räumlichkeiten und Infrastrukturen der Technischen Hochschule, finanziert.
Für die Lehre im Rahmen des Medizinstudiums in Nürnberg werden ausschließlich Professoren und Dozenten aus Nürnberg berufen beziehungsweise angestellt. Es erfolgt kein Einsatz von Professoren des Standortes Salzburg in Nürnberg: Die Lehre in Nürnberg erfolgt für alle medizinischen Fächer durch Professoren und ihre Mitarbeiter (Wissenschaftliche Mitarbeiter, Ober- und Assistenzärzte) des Klinikums Nürnberg sowie in geringem Umfang durch externe Lehrbeauftragte. Das Berufungsverfahren für Nürnberger Chefärzte und nunmehr auch Lehrstuhlinhaber – wurde zu einem universitätsüblichen Verfahren weiterentwickelt. Im Rahmen eines kompetitiven Verfahrens erhalten sie einen ordentlichen österreichischen Ruf über die PMU (keine APL Professur). In der Regel ist die Tätigkeit in der Lehre für Ärzte der Kliniken und Institute Teil des Arbeitsvertrages, wird allerdings gesondert vergütet.
Das oft sehr umfangreiche Lehrpensum (bis zu 120 Stunden pro Semester) für die nichtmedizinischen Fächer an der Technischen Hochschule Nürnberg wird durch die dort tätigen Professoren abgedeckt. Dieses wird nicht über die Reduzierung von bestehenden Deputaten abgewickelt, sondern über eine zusätzliche Vergütung im Rahmen von Nebentätigkeiten.
Klinikum Nürnberg Medical School GmbH
Die gemeinnützige Klinikum Nürnberg Medical School GmbH (KNMS) ist eine 100-prozentige Tochter des Klinikums Nürnberg. Sie ist unter anderem mit der dort angesiedelten Studiengangsleitung und -organisation für die Organisation des Studiums zuständig.
Institutionalisierter Austausch zwischen den beteiligten Akteuren
Die PMU in Nürnberg ist integraler Bestandteil der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität. Dies drückt sich in Funktionen (Vizerektor und zwei Vizedekane in Nürnberg), gemeinsamen Gremien (unter anderem Curriculumskommission, Universitätsversammlung) und der gelebten Kultur (Akademische Feiern, Zukunftswerkstätten etc.) aus.
Professorenschaft
Studierende
Region, Hochschule & Klinikum
Bei diesem Artikel handelt es sich um die im Juli 2024 aktualisierte Version einer 2017 für die Publikation "Durch Kooperation zum Standortprofil" erstellten Fallstudie.