Andrea Frank, stellvertretende Generalsekretärin des Stifterverbandes, meint: Deutschland hat eine zu geringe Innovationsorientierung im Wissenschaftssystem. Das wird im internationalen Vergleich als ein massiver Nachteil für den Wirtschaftsstandort Deutschland diskutiert. Um Gründungskultur zu fördern, sollte künftig eher auf Spitze statt auf Breite gesetzt werden und mehr auf Köpfe statt Strukturen.
Erstveröffentlichung in Research.Table am 9. November 2023
Würde das unternehmerische Potenzial in den bundesweiten Hochschulen besser genutzt, könnten pro Jahr mehr als 1.300 zusätzliche Start-ups in gegründet werden – so ein Ergebnis der Studie "Entrepreneurship Zeitgeist 2030" von McKinsey. Doch Deutschland tut sich schwer mit Science Entrepreneurship in den Hochschulen und Forschungseinrichtungen.
Neue Förderlinien experimentieren mit anderen Herangehensweisen und leiten einen Paradigmenwechsel ein – der Leuchtturmwettbewerb "Start-up Factories" oder auch die DATI sind Beispiele dafür. Drei Dinge sind dabei neu, insbesondere für die Förderung einer Gründungskultur:
Diese Veränderungen lassen die Wellen hochschlagen. Denn wir haben uns eingerichtet in einer Projektförderlandschaft, die Vielfalt und Breite schätzt, aber Fokussierung scheut.
Während etablierte Förderprogramme wie "EXIST-Potentiale" auslaufen, stellt sich die Frage: Wie kann eine Science-Entrepreneurship-Kultur an Hochschulen gestärkt werden – auch ohne Projektförderung. Der Widerstand gegen das Auslaufen der Programme ist groß. Ich finde es dagegen einen folgerichtigen Schritt und nicht überraschend. Seit vielen Jahren ist die Nachhaltigkeit der Förderung eine Fördervoraussetzung – nur so richtig ernst genommen wurde sie von den Ländern und den Hochschulen nicht. Denn die Folgeförderung war in der Regel nicht weit.
Aus meiner Sicht ist dieser Systemwechsel eine Chance. In den Ländern muss jetzt darüber nachgedacht werden, in welchen Hochschulen und Regionen die Gründungsförderung mit welchem Ziel ausgebaut und gesichert werden soll und wo nicht. Denn auch wenn die Gründungsförderung in der Breite der Hochschullandschaft angekommen ist, zeigt der Gründungsradar 2022 des Stifterverbandes: Von rund 2.800 Gründungen basieren nur 40 Prozent auf Wissenschafts- oder Technologietransfer, lediglich rund 250 Gründungen stehen in Verbindung mit der Anmeldung von gewerblichen Schutzrechten. Beunruhigend ist vor allem auch der Rückgang der Gründungsrate in der Hoch- und Spitzentechnologie in Deutschland insgesamt: Hier sind wir nicht nur im Vergleich beispielsweise mit den USA abgeschlagen, sondern auch innerhalb Europas.
Es wird deutlich: Ein einfaches "Weiter so" reicht nicht mehr! So ließe sich Bestehendes und Neues klug verknüpfen:
Für einen notwendigen Systemwechsel sind also alle in der Pflicht: die Länder und die Hochschulen, die Unternehmen und andere private Förderer in den Regionen. Haben wir den Mut, Impulse wie den Leuchtturmwettbewerb zu nutzen und in der Gründungsförderung neue Wege zu gehen für mehr starke, wachsende, wissensintensive Gründungen.