Der Stifterverband initiiert eine Allianz für Lehrkräfte im Rahmen der Zukunftsmission Bildung. Dabei will er Akteure ins Boot holen, die sich gegen Lehrermangel und für bessere Lehrkräftebildung engagieren. Ziel ist auch, gute Ansätze zu verstetigen und zu skalieren. Wie das gelingen soll? Das beantwortet Bettina Jorzik, Programmleiterin im Stifterverband für Hochschullehre, Lehrkräftebildung und Diversität, im Gespräch mit Annette Kuhn, Redaktionsleiterin vom Bildung.Table.
Erstveröffentlichung in Bildung.Table am 16. April 2024
Derzeit sind viele Konzepte und Vorschläge für eine bessere Lehrkräftebildung auf dem Tisch. Was wollen Sie mit einer Allianz für Lehrkräfte erreichen, was nicht schon da ist?
Es gibt einen Flickenteppich von vielen guten Ideen und Initiativen, die der Lehrkräftebildung zugutekommen. Aber die meisten dieser Aktivitäten sind lokal oder regional begrenzt und werden als Projekt über eine begrenzte Laufzeit gefördert. Es gelingt selten, solche Ansätze zu verstetigen und zu skalieren. Wir möchten nun mit einer Allianz für Lehrkräfte diese verschiedenen Ansätze und Initiativen zusammenführen, um eine länderübergreifende systemische Veränderung zu erreichen.
Kann das im Föderalismus gelingen?
Natürlich sind die Rahmenbedingungen und die spezifischen Ausgangslagen in den Ländern unterschiedlich, aber sie sind doch vergleichbar. Und das Ziel, nämlich eine möglichst ausreichende Versorgung mit Lehrkräften sicherzustellen und Lehrkräfte für guten Unterricht zu qualifizieren, ist überall dasselbe. Insofern ist es richtig, über ein einzelnes Bundesland hinauszudenken.
Können Sie etwas konkreter werden?
Zwei Beispiele: Die Qualitätsoffensive Lehrerbildung hat an vielen geförderten Hochschulen die Lehrerbildung positiv verändert. Aber das Programm wurde eingestellt, und keiner schaut jetzt mehr hin, ob die Projekte verstetigt werden. Oder: Im Bereich des Lehramtes für berufsbildende Schulen gibt es an der TU München ein Modell für ein integriertes Masterstudium, in dem das Masterstudium und das Referendariat miteinander verzahnt sind. Auf ein Ausrollen dieses Modells warten wir bis heute.
Was sind die konkreten Ziele der Allianz?
Ein Hauptziel ist, die Lehrkräftelücke zu halbieren. Dafür wollen wir Wege finden, die Lehrkräfteausbildung zu öffnen und zu flexibilisieren, um mehr Lehrkräfte auszubilden. Und wir wollen die Abschlussquote unter den Lehramtsstudierenden erhöhen. Ein weiteres Ziel ist, die digitalen und KI-Kompetenzen von Lehrkräften zu stärken und dafür entsprechende Formate in der Lehrkräfteausbildung und in der Weiterbildung zu verankern.
Wer soll bei dieser Allianz dabei sein?
Es gibt keinen formellen Mitgliedsstatus. Es können sich alle Organisationen, Personen, Unternehmen, Initiativen, Projekte beteiligen, die die Ziele der Allianz teilen und etwas beitragen möchten. Das ist die einzige Voraussetzung. Das können auch Stiftungen sein, die jetzt schon im Bereich Lehrkräftebildung unterwegs sind, oder Akteure, die ein bewährtes Projekt oder ein Netzwerk mitbringen und sich der Allianz anschließen wollen. Gemeinsam lässt sich mehr Wirkung entfalten. Vertreter der Politik und Bildungsadministration sehen wir nicht als Teil der Allianz, weil sie ja die Adressaten sind. Aber natürlich kooperiert die Allianz mit ihnen, um die Ziele zu erreichen.
Welche Rolle hat dabei der Stifterverband?
Wir versuchen, die vielen verschiedenen Initiativen zusammenzuführen, zu vernetzen und die Akteure zu beraten. Aber es geht uns nicht um die Meinungsführerschaft. Wir verstehen die Allianz als Angebot an potenzielle Partner mitzuwirken.
Bei vielen Partnern gibt es auch viele und unterschiedliche Befindlichkeiten. Fühlt sich da nicht manch einer überrannt, wenn der Stifterverband so vorprescht?
Ich bin davon überzeugt, dass man sich auch mal trauen muss, einen Schritt nach vorne zu gehen, wenn man etwas bewirken will. Wenn man erst alle ins Boot holen will, bevor es losgehen kann, dauert es ewig, und man muss sehr viele Kompromisse schließen, die nicht unbedingt zielführend sind. Viele wünschen sich mehr Kooperation und die Bündelung von Ressourcen und Know-how. Und wenn wir als Allianz Wirkung zeigen, wird diese weiter wachsen.
Im Herbst 2023 hat der Stifterverband einen Masterplan für neue Wege in der Lehrkräftebildung veröffentlicht. Ist die Umsetzung der darin definierten Maßnahmen das Ziel der Allianz?
Nein, für die Umsetzung des Masterplans gibt es andere Aktivitäten. Was in der Allianz passiert, hängt von den Ideen und Plänen der Partner ab. Diese können sich am Masterplan orientieren, müssen es aber nicht.
Wie kann das konkret aussehen?
Wenn ein Unternehmen oder eine Organisation auf uns zukommt, sich beteiligen will, aber vielleicht nicht weiß, wie, dann können wir zum Beispiel gemeinsam einen Schwerpunkt oder eine Fördermaßnahme designen. Das können Stipendien für Studierende in einem Mangelfach oder für eine bestimmte Schulart sein. Oder jemand möchte einen Modellversuch an einer Hochschule unterstützen oder eine Studie mitfinanzieren.
Was hat ein Unternehmen davon?
Es gibt keine Förderung ohne Gegenleistung oder ohne feste Zusage, etwas nach dem Förderzeitrum weiterzuführen. Wenn jemand ein Modell an einer Hochschule finanziert, dann muss sich die Hochschule zum Beispiel committen, dieses Modell zu verstetigen oder eine Professur nach dem Förderzeitraum in den Haushalt der Hochschule zu übernehmen. Das ist ohnehin das Prinzip eines Stiftungslehrstuhls.
Wie sieht der Zeitplan der Allianz für Lehrkräfte aus?
Mindestens einmal oder zweimal im Jahr wird es Allianztreffen geben, zu denen alle eingeladen sind und bei denen man gemeinsam schaut, wie der aktuelle Stand ist, und was die nächsten Schritte und Ziele sind. Bei Bedarf kann es natürlich weitere Treffen geben, zum Beispiel auch in einzelnen Netzwerken innerhalb der Allianz.