Ein Einwanderungsgesetz kann ein wichtiges Signal sein, um Deutschland als Einwanderungsland für Hochqualifizierte und Fachkräfte bekannt zu machen. Das von der SPD-Bundestagsfraktion vorgeschlagene Konzept mit einem Punktesystem ist allerdings restriktiver als die bestehenden Regelungen und darüber hinaus komplizierter.
Deutschland braucht Zuwanderung von Hochqualifizierten und Fachkräften aus Drittstaaten, um die Folgen des demografischen Wandels abzufedern. Die Zuwanderung in den Arbeitsmarkt aus der Europäischen Union und die Mobilisierung der Potenziale im Land reicht hierfür jetzt schon in einigen Branchen nicht aus. "Ein Einwanderungsgesetz kann daher – nach innen und außen – ein wichtiges Signal für die Anwerbung qualifizierter und hoch qualifizierter Arbeitskräfte setzen", sagte Prof. Dr. Thomas Bauer, Vorsitzender des Sachverständigenrats deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR). "Ein gut gemachtes Einwanderungsgesetz erleichtert das Marketing der bereits bestehenden liberalen Zuzugsregelungen für Arbeitsmigration im Ausland. Angesichts des internationalen Wettbewerbs um qualifizierte Arbeitskräfte sollte ein Einwanderungsgesetz diese liberalen Regelungen nicht wieder einschränken. Nach innen kann eine gesellschaftliche Debatte über die Notwendigkeit von Zuwanderung dazu beitragen, ein breit getragenes Selbstverständnis als Einwanderungsland zu entwickeln."
Das von der SPD-Bundestagsfraktion vorgestellte Konzept für ein Einwanderungsgesetz greift daher ein zentrales Thema auf. "Der Vorschlag bleibt allerdings gegenüber den berechtigten Zielen zurück", sagte Bauer. Das von der SPD vorgeschlagene Punktesystem vereinfacht die Zuwanderungsregelungen nur scheinbar, da es eine Doppelstruktur zur Folge hat: Es tritt in Konkurrenz zur europarechtlich vorgeschriebenen Blue Card sowie neben die bestehenden Möglichkeiten für Drittstaatsangehörige, auch ohne Arbeitsvertrag zur Jobsuche nach Deutschland zu kommen. "Insgesamt werden die Einwanderungsregelungen durch den Vorschlag komplizierter", sagte Bauer. Zudem falle der SPD-Entwurf für ein Einwanderungsgesetz in einigen Punkten tendenziell sogar hinter die bestehenden Regelungen zurück, selbst wenn, wie im Vorschlag vorgesehen, die bestehenden Zuwanderungsregelungen schrittweise in das Einwanderungsgesetz überführt würden. Die meisten Hochschulabsolventen aus Drittstaaten, die sich mit einem Arbeitsangebot samt vorgeschriebenem Mindesteinkommen für die Blue Card qualifizieren, würden sich vermutlich für die Blue Card und gegen das Punktesystem entscheiden. Denn die Blue Card eröffnet einen schnelleren Zugang zu einem Daueraufenthaltstitel und unter bestimmten Voraussetzungen EU-weite Mobilitätsrechte. Für Personen mit einem Jobangebot wäre das Punktesystem demgegenüber ein Zugangsweg zweiter Wahl. Bei Akademikern, die zur Arbeitsuche einreisen wollen, kann das Punktesystem im Einzelfall restriktiver ausfallen als die geltende Regelung (§ 18c AufenthG). Ein Beispiel: Ein 28-jähriger Physiker aus Indien, der englisch und deutsch spricht, allerdings noch keine Berufserfahrung hat, würde nach dem Punktesystem nicht zur Arbeitsuche zugelassen. Aktuell stünde ihm diese Möglichkeit hingegen offen, wenn er seinen Lebensunterhalt während der sechsmonatigen Suchphase selbst tragen kann.
"Dass Deutschland Zuwanderung von Fachkräften braucht, ist weitgehend unstrittig", so Bauer. "Ein Einwanderungsgesetz kann hierzu einen wichtigen Beitrag leisten. Das kann aber nur gelingen, wenn es tatsächlich auf möglichst einfache Weise die Wege in den deutschen Arbeitsmarkt aufzeigt. Und vor allem, wenn es nicht neue Hürden auf dem Weg errichtet."
Der Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration geht auf eine Initiative der Stiftung Mercator und der VolkswagenStiftung zurück. Ihr gehören sieben Stiftungen an. Neben der Stiftung Mercator und der VolkswagenStiftung sind dies: Bertelsmann Stiftung, Freudenberg Stiftung, Robert Bosch Stiftung, Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft und Vodafone Stiftung Deutschland. Der Sachverständigenrat ist ein unabhängiges und gemeinnütziges Beobachtungs-, Bewertungs- und Beratungsgremium, das zu integrations- und migrationspolitischen Themen Stellung bezieht und handlungsorientierte Politikberatung anbietet. Die Ergebnisse seiner Arbeit werden in einem Jahresgutachten veröffentlicht.
Dem SVR gehören neun Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus verschiedenen Disziplinen und Forschungsrichtungen an: Prof. Dr. Thomas K. Bauer (Vorsitzender), Prof. Dr. Hacı Halil Uslucan (stellv. Vorsitzender), Prof. Dr. Gianni D’Amato, Prof. Dr. Petra Bendel, Prof. Dr. Wilfried Bos, Prof. Dr. Claudia Diehl, Prof. Dr. Heinz Faßmann, Prof. Dr. Christian Joppke und Prof. Dr. Daniel Thym.
Dorothee Winden
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