Presse (Headerbild)

Dringend Nationale Strategie für Künstliche Intelligenz entwickeln

27.02.2018

Umwälzungen durch Autonome Systeme absehbar: Im elften Jahresgutachten der Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI), das der Bundeskanzlerin in Berlin übergeben wurde, nimmt die Einschätzung "Autonomer Systeme" und "Künstlicher Intelligenz" (KI) einen besonderen Platz ein.

  • Politik ist gefordert: Entwicklung einer nationalen Strategie für KI und autonome Systeme

  • Einrichtung einer Enquete-Kommission erforderlich: gesellschaftlichen Diskurs zu ethischen Aspekten und Rahmenbedingungen initiieren

  • Hohe Dynamik bei autonomen Systemen und KI in USA, China und Südkorea

EFI-Jahresgutachten 2018 (Cover)

Hier sieht die EFI "große Chancen für den Wirtschaftsstandort Deutschland, aber auch erheblichen Handlungsbedarf, um Deutschland in einem dynamischen, internationalen Innovationswettbewerb besser zu positionieren", so der Vorsitzende der Expertenkommission, Dietmar Harhoff vom Max-Planck-Institut für Innovation und Wettbewerb.

Autonome Systeme können ohne direkte menschliche Weisung agieren, komplexe Aufgaben lösen, Entscheidungen treffen, eigenständig lernen und auf unvorhergesehene Ereignisse reagieren. Autonome Systeme bauen häufig auf Verfahren der KI auf. Ingrid Ott vom Karlsruher Institut für Technologie und Mitglied der Expertenkommission verweist darauf, "dass das wirtschaftliche und gesellschaftliche Nutzenpotenzial autonomer Systeme erheblich ist: Ihr Einsatz kann dazu beitragen, die Sicherheit im Straßenverkehr zu erhöhen, Menschen in Arbeitsprozessen zu unterstützen und individuellen Komfort oder gesellschaftliche Teilhabe zu verbessern. Durch die Integration von Verfahren der KI ergeben sich vielfältige Wertschöpfungspotenziale, insbesondere auch jenseits der industriellen Fertigung."

Im Einzelnen betrachtete die Expertenkommission die breiten Nutzenpotenziale für Wirtschaft und Gesellschaft in den Bereichen industrielle Produktion‚ Smart Home, menschenfeindliche Umgebungen und bei autonomen Fahrzeugen.

Die Expertenkommission sieht Deutschland in einer guten Ausgangsposition. So liege in der Grundlagenforschung zu KI hierzulande ein solides Fundament vor. Zudem gebe es in Deutschland eine international konkurrenzfähige Basis für die Entwicklung autonomer Fahrzeuge. In anderen Anwendungsgebieten hinke Deutschland allerdings bei der Entwicklung autonomer Systeme den Marktführern hinterher.

Mobilität mit dem Auto (Foto: Pexels)
Foto: Pexels
In Deutschland gibt es eine international konkurrenzfähige Basis für die Entwicklung autonomer Fahrzeuge.

 
Es zeichne sich ab, dass andere Länder, allen voran die USA und China, aber auch Großbritannien und Frankreich, das Thema KI mit einer hohen forschungs- und industriepolitischen Priorität verfolgen. Daher müsse die deutsche Politik verstärkt auch die Förderung der KI-Forschung vorantreiben. Die Expertenkommission fordert daher die Entwicklung einer nationalen Strategie für KI mit dem Ziel der Stärkung der wissenschaftlichen und technologischen Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands und empfiehlt: 

  • Die Integration der deutschen Strategie in eine europäische, da absehbar sei, dass Deutschland allein mit den ambitionierten Plänen von Unternehmen und Forschungs-einrichtungen in den USA sowie in China nicht wird Schritt halten könne.
     
  • Das Vorantreiben des Ausbaus der bereits sichtbaren KI-Zentren in Deutschland: Mit einer wettbewerbsfähigen Ausstattung an Mitteln für die Grundlagenforschung solle das Ziel verfolgt werden, publikationsstarke Forschende in Deutschland zu halten, Talente anzuziehen und eine gute Basis für den Erkenntnistransfer sowie die wirtschaftliche Nutzung von KI zu erarbeiten.
     
  • Die Flankierung solcher KI-Leuchttürme durch geistes- und sozialwissenschaftliche Forschung, um gesellschaftliche Implikationen von KI frühzeitig aufzugreifen, Regulierungsbedarf zu erkennen und den gesellschaftlichen Diskurs zu begleiten.
     
  • Einbeziehen aller Anwendungsfelder der autonomen Systeme in die Förderungspolitik und nicht nur Konzentration auf aktuelle Stärken, zum Beispiel bei automobilen Systemen.

Darüber hinaus fordert die Expertenkommission die Bundesregierung auf, den von der Europäischen Kommission angestoßenen Prozess zur Schaffung eines europäischen Daten-Binnenmarktes aktiv zu begleiten und zu unterstützen. "Autonomes Fahren darf nicht plötzlich an der deutschen Grenze sein Ende finden", so Ingrid Ott. "Ohne grenzüberschreitenden Datenfluss können die Potenziale zunehmend datenbasierter Wertschöpfungsprozesse nicht realisiert werden."

Dietmar Harhoff resümiert: "Zwar steht der Einsatz autonomer Systeme derzeit noch in vielen Bereichen am Anfang. Trotzdem ist aus unserer Sicht ein zügiger Ausbau der Forschungsförderung und eine kluge Gestaltung der Rahmenbedingungen für diese technische Umwälzung notwendig – gerade auch deswegen, weil der gesellschaftliche und wirtschaftliche Nutzen dieser Systeme erheblich sein kann." Die Expertenkommission empfiehlt der Politik daher dringend die Einsetzung einer Enquete-Kommission des Bundestages, die vor allem den gesellschaftlichen Dialog zur Gestaltung/Nutzung autonomer Systeme bündeln und Entwicklungsprinzipien erarbeiten soll, die eine Kontrolle und Anpassung von KI und autonomer Systeme auf der Grundlage anerkannter ethischer Prinzipien gewährleisten.

Eine nationale Enquete-Kommission ist eine vom Deutschen Bundestag eingesetzte überparteiliche Arbeitsgruppe, die langfristige gesellschaftliche Fragen beantwortet, in denen juristische, ökonomische, soziale oder ethische Aspekte abzuwägen sind, die zum Beispiel durch neue Technik aufgeworfen werden. Ziel ist es, zu einer Lösung zu kommen, die von der Mehrheit der Bevölkerung mitgetragen wird. Um eine nationale Enquete-Kommission einzusetzen, muss mindestens ein Viertel der Mitglieder des Deutschen Bundestages zustimmen. Eine solche Kommission besteht aus Abgeordneten aller Fraktionen und externen Sachverständigen.

Die Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI) mit Sitz in Berlin leistet seit über zehn Jahren wissenschaftliche Politikberatung für die Bundesregierung und legt jährlich ein Gutachten zu Forschung, Innovation und technologischer Leistungsfähigkeit Deutschlands vor. Wesentliche Aufgabe der EFI ist es dabei, die Stärken und Schwächen des deutschen Innovationssystems im internationalen und zeitlichen Vergleich zu analysieren und die Perspektiven des Forschungs- und Innovationsstandorts Deutschland zu bewerten. Auf dieser Basis entwickelt die EFI Vorschläge für die nationale Forschungs- und Innovationspolitik.

Pressekontakt

Dr. Helge Dauchert (Foto: Damian Gorczany)

Dr. Helge Dauchert

ist Leiter der Geschäftsstelle der Expertenkommission Forschung und Innovation.

T 030 322982-562

E-Mail senden