Bevor jemand die Schule abbricht, gibt es meist eine längere Vorgeschichte: Schlechte Erfahrungen wie Ausgrenzung, Frust oder schwierige familiäre Verhältnisse können eine Rolle spielen, wenn Kinder und Jugendliche im Bildungssystem den Anschluss verlieren. Oft mündet Schulverweigerung in Sucht oder Kriminalität. Hier setzt das 2018 gestartete Präventivprojekt des gemeinnützigen Vereins Lebensnahes Lernen e.V. an: Er will gefährdeten Schülerinnen und Schülern im Alter zwischen sieben und 17 Jahren einen Ort geben, an dem sie ihre Perspektivlosigkeit ein Stück weit überwinden können.
"Ein Zwischenraum für Schulverweigerer" heißt das Projekt: In einer Präventivgruppe kommen bis zu fünf Kinder und Jugendliche zusammen. Sie gehen zwar noch regelmäßig zur Schule, beteiligen sich aber nicht mehr aktiv am Unterricht – und benötigen einen Impuls von außen, um nicht abzudriften: Ihnen bietet sich nun die Chance, neue Erfahrungen zu sammeln und selbst etwas zu gestalten. Über einen Zeitraum von drei Monaten arbeiten und lernen sie projektorientiert, indem sie sich praktisch, handwerklich oder künstlerisch betätigen. Dabei wird individuell auf ihre Interessen eingegangen und auch auf selbstständiges Arbeiten gesetzt. Falls nötig, kann versäumter Unterrichtsstoff nachgeholt werden.
Im vergangenen Jahr hat der Verein für das Projekt ein Häuschen angemietet und eine Werkstatt eingerichtet. Es befindet sich in der Nähe des Niederbrücklplatzes – einem lange Zeit verwahrlosten Ort in Mannheim-Neckarau, den die Jugendlichen nun nachhaltig beleben wollen. Auf einer 1.000 Quadratmeter großen, von der Stadt verpachteten Fläche, soll ein außerschulischer Lernort entstehen. Die Kinder und Jugendlichen erleben sich hier als Gestalter ihrer Umwelt, sie erhalten Anerkennung und übernehmen Verantwortung.
Die Preisjury beeindruckte insbesondere der präventive Ansatz, denn das prämierte Projekt holt die Heranwachsenden frühzeitig ab und stabilisiert sie in einer für sie schwierigen Phase. "Der Zwischenraum ist für die gefährdeten Schülerinnen und Schülern ein Ort, an dem sie ernst genommen und ihre Fähigkeiten gefördert werden", erklärt Birgit Ossenkopf, Geschäftsführerin der Stiftung Bildung und Gesellschaft. "Mit gestärktem Selbstbewusstsein kann dann die weitere Schullaufbahn wieder erfolgreicher gestaltet werden."
Der Primus-Preis wird jeden Monat an ein kleines, vorbildhaftes Projekt vergeben. Die Stiftung Bildung und Gesellschaft will damit Initiativen fördern, die ein konkretes Problem in der Kita oder in der Schule vor Ort aufgreifen und lösen wollen. Wichtig ist, dass die Projekte auf alle Regionen übertragbar sind und nicht parallel agieren, sondern an das staatliche Bildungssystem andocken. Lokale Akteure – wie Arbeitsagenturen oder Schulämter, aber auch Unternehmen sowie kulturelle Einrichtungen – sollten einbezogen sein. Aus allen von Januar bis Dezember ausgezeichneten Projekten wird der Primus des Jahres gewählt und mit insgesamt 5.000 Euro Preisgeld prämiert.