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Corona-Krise setzt Zivilgesellschaft weiter zu: Viele Funktionsträger werfen das Handtuch

17.11.2021

Im zweiten Pandemiejahr entspannt sich die Lage für viele gemeinnützige Vereine und Institutionen nur langsam. Besorgniserregend ist die Entwicklung bei den Engagierten mit Funktionsbindung: Die Organisationen vermeldeten zuletzt vermehrt Austritte dieser besonders wichtigen Mitglieder. Je nach Größe, Art und Lage sind die Herausforderungen der Organisationen jedoch sehr unterschiedlich. Das zeigen die "Corona-Porträts" des Engagement-Barometers, die ZiviZ im Stifterverband veröffentlicht hat.

Rund eineinhalb Jahre nach Beginn der Corona-Pandemie ist die Lage der organisierten Zivilgesellschaft in Deutschland weiterhin angespannt. Viele Organisationen verlieren zunehmend Mitglieder mit Funktionsbindung – also jene Engagierte, die die Vereinsarbeit vor Ort mit Leben erfüllen wie ehrenamtliche Vorstandsmitglieder, Sportwarte oder Gruppenleiter. 14 Prozent der Organisationen, die Engagierte verloren haben, verzeichneten Austritte dieser besonders wichtigen Mitglieder.   Das zeigen neueste September-Zahlen des Engagement-Barometers von ZiviZ im Stifterverband. Noch im März 2021 lag der Wert bei nur vier Prozent, im Juni bereits bei zwölf. Insgesamt gaben 13 Prozent der befragten gemeinnützigen Vereine und Institutionen an, dass Sie zuletzt mehr Mitglieder verloren als gewonnen haben. Bei einer Gesamtzahl von ungefähr 600.000 Vereinen in Deutschland (ZiviZ-Survey 2017), könnten also fast 80.000 Organisationen von einem Netto-Mitgliederverlust betroffen sein.

Es gibt aber auch gute Nachrichten: Knapp jede fünfte zivilgesellschaftliche Organisation (21 Prozent) verzeichnete zuletzt wieder mehr Mitgliedereintritte als -austritte. Rund ein Drittel (34) der Befragten gab an, dass die Mitgliederzahlen ihrer Organisation stagnieren.
 

Große Unterschiede je nach Organisationstyp
Zugleich gibt es deutliche Unterschiede zwischen den verschiedenen Typen gemeinnütziger Organisationen, das zeigen die im Rahmen der Auswertung entwickelten "Porträts". So gibt es etwa unter den größeren, rein ehrenamtlich getragenen Organisationen in den Metropolen deutlich mehr Mitgliedergewinner (35 Prozent) als unter solchen, die in kleineren und mittleren Städten (19 Prozent) liegen. 20 Prozent der Organisationen mit hauptamtlichen Mitgliedern im städtischen Raum hatten einen Antrag auf Liquiditätshilfen gestellt – unter den kleinen, rein ehrenamtlich getragenen Organisationen in diesen Regionen waren es gerade einmal acht Prozent.

"Zivilgesellschaft ist nicht gleich Zivilgesellschaft, das zeigt unsere Auswertung ganz deutlich", erläutert Birthe Tahmaz, Projektleiterin des Engagement-Barometers bei ZiviZ. "Je nach Lage und Größe hat die Corona-Krise Vereine, Stiftungen und andere gemeinnützige Akteure unterschiedlich hart getroffen. Allen gemein ist jedoch, dass die Ausbildung der nächsten Generation von Engagierten oberste Priorität haben muss: Junge Führungskräfte sind insgesamt bisher viel zu wenig eingebunden. Dabei wissen gerade diese am besten, wie sich Menschen gleichen Alters für ihre Organisation gewinnen lassen."
 

Corona-Impfung ist wichtiges Thema in den Organisationen
Auch die Impfung gegen das SARS-Cov-2-Virus ist ein wichtiges Thema in der organisierten Zivilgesellschaft, wie die Befragung zeigt. Gut jede dritte Organisation (37 Prozent) unterstützt Impfaufrufe, 18 Prozent engagieren sich in der Vermittlung von Impfinformationen. Für fast zwei Drittel (61 Prozent) ist die Impfung eine wichtige Vorbedingung, um sich weiter in ihrer Organisation engagieren zu können. Fast jede zehnte Organisation (9 Prozent) hingegen gab an, dass sie das Thema bewusst aus ihrer Organisation heraushält.

"Der Wert des zivilgesellschaftlichen Engagements zeigt sich gerade bei solchen Themen wie der Corona-Impfung", so Tahmaz weiter. "Die Vielzahl an gemeinnützigen Organisationen ist eine wichtige Infrastruktur, über die Menschen persönlich angesprochen werden können, um auf ihre Fragen und Ängste einzugehen und ihnen den persönlichen Nutzen der Impfung zu erklären. Durch die Vertrauensbeziehungen zwischen den Vereinsmitgliedern ist die Chance der Überzeugung höher als zum Beispiel bei öffentlichen Kampagnen oder Aufrufen von Experten."

 

Im Rahmen des Projekts "Engagement-Barometer" befragte ZiviZ Führungskräfte von Verbänden und Infrastruktureinrichtungen sowie Organisationen der Zivilgesellschaft zu ihrer Situation während der Corona-Pandemie. Dabei wurde gefragt: Welchen Schaden verursacht die sogenannte Corona-Krise in der Zivilgesellschaft? Wie trägt die Zivilgesellschaft zur Krisenbewältigung bei? Wie verändern sich krisenbedingt Formen der Zusammenarbeit im Engagement?

ZiviZ im Stifterverband ist ein unabhängiges Forschungs- und Beratungshaus zu den Themen Zivilgesellschaft und bürgerschaftliches Engagement. Seit 2008 hat ZiviZ systematisch zur Verbesserung der Datenlage zur organisierten Zivilgesellschaft in Deutschland gearbeitet. 2012 wurde erstmals für Deutschland ein repräsentativer Survey über Vereine, Stiftungen, Genossenschaften und Stiftungen durchgeführt. Mit dem Corporate Citizenship-Survey hat ZiviZ beginnend in 2018 zudem erstmals eine repräsentative Erhebung zum gesellschaftlichen Engagement von Unternehmen aufgesetzt. Ein weiterer Themenschwerpunkt bildet die Arbeit zum digitalen Wandel von Zivilgesellschaft und die Förderung digitaler Innovationen.

Pressekontakt

Sascha Rödel (Foto: Damian Gorczany)

Sascha Rödel

ist Leiter Verbandskommunikation im Stifterverband.

T 030 322982-508

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Birthe Tahmaz (Foto: Damian Gorczany)

Dr. Birthe Tahmaz

ist Programmleiterin und Mitglied der Geschäftsführung bei ZiviZ im Stifterverband.

T 030 322982-519

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