Als "Proberäume" der Demokratie sind gemeinnützige Vereine und Initiativen in Deutschland für den Zusammenhalt der Gesellschaft fundamental. Sie werden bei den anstehenden Transformationsprozessen daher umso mehr gebraucht. Zugleich bedroht die sich rasch verändernde Umwelt die Existenzgrundlagen vieler Vereine – und das nicht nur auf dem Land oder in strukturschwachen Gebieten.
Im Rahmen des Projekts "Foresight Zivilgesellschaft" hat ZiviZ im Stifterverband das Zusammenspiel möglicher Entwicklungen untersucht und sowohl positive als auch negative Zukunftsszenarien für die Zivilgesellschaft erstellt. Die Studie macht zudem Vorschläge, wie auf erwünschte "Zukünfte" hingewirkt und unerwünschten entgegengewirkt werden kann. Das Projekt wird von der Deutschen Stiftung für Engagement und Ehrenamt (DSEE) gefördert.
Konflikte in den Metropolen
In den großen Städten heizen vermehrter Zuzug und die zunehmende Dichte des Zusammenlebens die Konfliktstimmung an, so ein mögliches Szenario. Verstärkt werden die Konflikte durch den Modernisierungsstau in der öffentlichen Verwaltung, der die Beteiligungsmöglichkeiten der Bürger an Entscheidungsprozessen einschränkt. "Engagierte brauchen in Zukunft sehr gute Moderationsfähigkeiten, um zwischen verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen zu vermitteln", sagt Projektleiterin Birthe Tahmaz von ZiviZ. "Das ist eine Schlüsselkompetenz, die die Vereine aufbauen müssen. Daneben sollten gemeinnützige Organisationen gemeinsam mit Vertretern der kommunalen Politik und Unternehmen attraktive Engagementmöglichkeiten – digital und analog – schaffen und diese gut verzahnen. Denn in der sich verändernden Arbeitswelt muss es möglich sein, dass Engagierte sich auch mit einem kleinen Zeitbudget gesellschaftlich einbringen können."
Nachwuchsprobleme und Extremisierungstendenzen auf dem Land
Ein weiteres Szenario in der Studie beschäftigt sich mit den Entwicklungen auf dem Land: Hier führen die sich schon heute abzeichnenden Nachwuchsprobleme zu einem Vereinssterben. Die Menschen interessieren sich immer weniger für Strukturen des klassischen Engagements, die sich dadurch zunehmend auflösen. "Staat und Zivilgesellschaft wären bereits am Anfang der 2030er Jahre in vielen Landkreisen nicht mehr präsent. In dieses Vakuum könnten 'alternative' Siedlungsprojekte, etwa von Rechtradikalen, stoßen", warnt Tahmaz. "Zivilgesellschaftliche Organisationen müssen fit dafür gemacht werden, einen starken Gegenpol zur Homogenisierung und Extremisierung zu bilden. Dazu gehört, Extremisierungstendenzen innerhalb der Gemeinschaft vor Ort, aber auch innerhalb der eigenen Mitgliederbasis zu erkennen. Zugleich sollten Dachverbände gezielt eine Vernetzung der Vereine in strukturschwachen Gebieten fördern. Ländliche Räume müssen Schwerpunktregionen der Demokratieförderung werden."
Unabhängig von den jeweiligen sozialräumlichen Rahmenbedingungen nennt die Studie fünf Maßnahmen, um Vereine, Stiftungen und andere gemeinnützige Akteure resilienter gegenüber Umweltveränderungen zu machen:
Birthe Tahmaz: "Zukunft ist das, was wir aus der Gegenwart machen. Es ist es daher wichtig, schon jetzt gemeinsam vorauszudenken und Handlungsoptionen abzuleiten. Die Foresight-Methode – also die Entwicklung solcher Zukunftsszenarien – ist in der Wirtschaft schon lange etabliert. Wir wollen diesen Prozess nun auch den Engagierten in der Zivilgesellschaft zugänglich machen."
Katarina Peranić, Vorständin der Deutschen Stiftung für Engagement und Ehrenamt: "Es ist wichtig, dass wir die Bereitschaft haben, in die Zukunft zu schauen, um das Jetzt gut zu gestalten. Mit der Foresight-Studie haben wir gezeigt, dass wir dafür den richtigen Prozess gefunden haben."
ist Programmleiterin und Mitglied der Geschäftsführung bei ZiviZ im Stifterverband.
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