Die große Mehrheit der Hochschulen, rund 83 Prozent, hat sich auf die zu erwartenden höheren Energiekosten eingestellt und eine Prognose der zusätzlichen Ausgaben erstellt. Aufgrund der Energiekrise ausgelöst durch den Ukraine-Krieg rechnen sie im Schnitt mit Mehrkosten pro Studierenden von 347 Euro. Laut einer auf dieser Datengrundlage erstellten Prognose des Stifterverbandes entstehen allein für den Winter 2022/23 Mehrbelastungen von circa 1,3 Milliarden Euro für das gesamte Hochschulsystem. Dazu gehört das Beheizen von Hörsälen, aber auch die für Forschungseinrichtungen benötigte Energie.
Wer die hohen Zusatzbelastungen der Hochschulen übernimmt, ist nach wie vor unklar. Das gilt vor allem für die privaten Hochschulen. Zum Zeitpunkt der Befragung sagten ein Drittel aller Hochschulen, dass die Frage ungeklärt ist, bei den privaten sind es 44 Prozent. Jede zehnte Hochschule (knapp 12 Prozent) erwartet allerdings nicht, dass die Mittelgeber die Mehrkosten übernehmen; unter den privaten Hochschulen sind es fast 30 Prozent. Unterschiede gibt es auch zwischen den Bundesländern: So hat beispielsweise Bayern die komplette Übernahme der Mehrkosten von staatlichen Hochschulen zugesagt. Andere Bundesländer wie beispielsweise Hessen oder Schleswig-Holstein stellen hingegen nur einen Notfallfonds über eine bestimmte Summe bereit.
Fast alle Hochschulen haben kurzfristige Maßnahmen umgesetzt, um die hohen Energiekosten zu senken. 97 Prozent informierten ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter über effizienteres Heizen und Lüften, senkten die Raumtemperatur bedarfsgerecht bei Nacht (rund 94 Prozent) oder generell in den Gebäuden (92 Prozent). Einige Hochschulen schufen dabei besondere Anreize über Energie-Innovations-Challenges oder Ideenportale zum Energiesparen. Seltener wurde auf weiterführenden Maßnahmen zurückgegriffen, wie eine vollständige oder verlängerte Schließung während der Weihnachtspause oder kürzere Öffnungszeiten von Bibliotheken oder Forschungslaboren.
Langfristig wollen Hochschulen mit Modernisierungsmaßnahmen Preissteigerungen vorbeugen. Neben einer besseren Dämmung ihrer Gebäude rüsten viele auf eine LED-Beleuchtung um, modernisieren ihre Heizungs- und Lüftungsanlangen oder überprüfen energieintensive Anlagen in der Forschung. Bisher können Hochschulen etwa sechs Prozent der von ihnen benötigten Energie selbst erzeugen. Durch den Ausbau eigener Solar– und Photovoltaikanlagen soll der Anteil in den kommenden Jahren erhöht werden.
"Die Energiekrise ist eine massive finanzielle Herausforderung für alle Hochschulen. Sie sollte aber auch als Chance genutzt werden, um Hochschulen als Experimentierräume für die Energiewende aufzustellen und eine Vorreiterrolle auf dem Weg zum klimaneutralen Gebäudebestand einzunehmen", sagt Volker Meyer-Guckel, Generalsekretär des Stifterverbandes. "Hierfür sind immense Investitionen und Förderprogramme der öffentlichen Hand erforderlich."
Aktuell gab es trotz der Energiekrise keine massiven Einschränkungen im Forschungs- oder Lehrbetrieb. Nur etwa fünf Prozent der Hochschulen setzen aufgrund der Energiepreise wieder stärker auf Online-Unterricht. Das könnte sich bei dauerhaft hohen Energiekosten jedoch ändern: Jede zweite Hochschule würde vor allem in der Hochschulinfrastruktur wie in Bibliotheken oder in der IT sowie in der Forschungsinfrastruktur einsparen. Langfristig drohen sogar Hochschulschließungen, befürchtet jede zehnte Hochschulleitung (knapp neun Prozent); unter den privaten Hochschulen sind es sogar 14,7 Prozent. Meyer-Guckel weist darauf hin: "Für den Innovationsstandort Deutschland gilt: Auch energieintensive Forschung wie beispielsweise in der Chemie und die weitere Digitalisierung der Hochschulen dürfen nicht unter den hohen Energiekosten leiden."
Das Hochschul-Barometer ist ein Stimmungsbarometer deutscher Hochschulleitungen. In einer jährlichen, repräsentativen Umfrage wollen Stifterverband und Heinz Nixdorf Stiftung seit zwölf Jahren von allen Rektoren und Präsidenten staatlicher und staatlich anerkannter Hochschulen in Deutschland wissen, wie sie ihre momentane Lage und ihre Perspektiven einschätzen. Ein Schwerpunkthema der aktuellen Ausgabe ist "Hochschulen in der Energiekrise". Die Ergebnisse des gesamten Hochschul-Barometers werden im Herbst 2023 veröffentlicht.
Alle gewonnenen Erkenntnisse des seit 2011 erhobenen Hochschul-Barometers finden Sie im Datenportal des Stifterverbandes.
leitet das Handlungsfeld "Kollaborative Forschung & Innovation" und das Fokusthema "MINT-Lücke schließen".
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