Zivilgesellschaftliche Organisationen brauchen mehr Vielfalt

ZiviZ im Stifterverband legt Hauptbericht zur Lage und Entwicklung der Zivilgesellschaft vor. Fazit des ZiviZ-Surveys 2023: Zivilgesellschaftliche Organisationen sind im Wandel – Zugangschancen neuer Gruppen zum Engagement müssen verbessert, Kooperationen mit dem Staat ausgebaut werden.

15.11.2023
ZiviZ-Survey (Logo)

In Deutschland gab es im Jahr 2022 rund 657.000 zivilgesellschaftliche Organisationen. Dazu zählen mehr als 615.000 eingetragene Vereine, aber auch Stiftungen, gemeinnützige Kapitalgesellschaften und gemeinwohlorientierte Genossenschaften. Die meisten dieser Organisationen werden ausschließlich vom Engagement freiwillig engagierter Bürgerinnen und Bürger getragen, nur etwa ein Viertel der Organisationen hat bezahlte Beschäftigte. Das zeigen die Ergebnisse des ZiviZ-Surveys 2023, einer aktuellen Bestandsaufnahme der Zivilgesellschaft in Deutschland, herausgegeben von ZiviZ im Stifterverband.

Die Ergebnisse des ZiviZ-Surveys machen deutlich, dass zivilgesellschaftliche Organisationen die gesellschaftliche Vielfalt nicht abbilden: Weniger als die Hälfte hat junge Engagierte unter 30 Jahren in Leitungspositionen. Lediglich elf Prozent der Organisationen geben an, Engagierte mit unterschiedlichen kulturellen Prägungen zu haben, nur 21 Prozent berichten von sozialer Diversität unter den Engagierten. "Organisationen müssen sich vermehrt neuen Gruppen öffnen. Dies ist essenziell für die Zukunftsfähigkeit der eigenen Organisation. Es ist aber auch wichtig für den Beitrag der Zivilgesellschaft zu gesellschaftlicher Integration und Teilhabe", resümiert Peter Schubert, Projektleiter des ZiviZ-Surveys.  

Ein seit Jahren erkennbarer Trend setzt sich weiter fort: Neugegründete Organisationen übernehmen immer häufiger Aufgaben, die vormals im Verantwortungsbereich des Staates lagen. "Zwar geben 54 Prozent der Organisationen an, ihre Arbeit selbstständig leisten und finanzieren zu wollen. Inzwischen sehen aber schon vier von zehn Organisationen den Staat in der Mitverantwortung für die Finanzierung der von ihrer Organisation geleisteten Arbeit. Im Jahr 2016 waren es noch drei von zehn. Dieser Wandel im Selbstverständnis stellt neue Anforderungen an die noch ausbaufähige Kooperation zwischen Staat und Zivilgesellschaft", so Schubert.

Zivilgesellschaftliche Organisationen bieten gesellschaftliche Vielfalt selten ab (Grafik)
Mehr als jeder vierte Sportverein berichtet von gesunkenen Zahlen freiwillig engagierter Personen (Grafik)
32 Prozent der Umweltschutzorganisationen berichten von gestiegenen Engagiertenzahlen (Grafik)
30 Prozent der Organisationen haben inzwischen freiwillig Engagierte, die keine Mitgliedschaft aufweisen (Grafik)
Neugegründete Organisationen übernehmen immer häufiger Aufgaben, die vormals im Verantwortungsbereich des Staates lagen (Grafik)
Jede dritte Kulturorganisation berichtet von gesunkenen Einnahmen aus selbsterwirtschafteten Mitteln (Grafik)

Eine weitere Herausforderung für die Organisationen ist auch die zunehmende Entkoppelung des Engagements von einer formalen Mitgliedschaft. Im Jahr 2022 sagen 30 Prozent der Organisationen, dass es bei ihnen freiwillig Engagierte gibt, die keine Mitglieder der Organisation sind. Im Jahr 2012 waren es noch 21 Prozent. Zwar können diese Organisationen eine positive Entwicklung der Engagiertenzahlen aufweisen, gleichzeitig fallen aber entsprechende Mitgliedsbeiträge weg. Die zunehmende Entkoppelung von Mitgliedschaft und Engagement ist Ausdruck der abnehmenden Bereitschaft in der Bevölkerung, sich an eine Organisation zu binden. Sie erfordert, niedrigschwellige Konzepte für neue Formen des Engagements zu entwickeln und alternative Finanzierungsquellen zu erschließen, um Einnahmeverluste durch fehlende Mitgliedsbeiträge auszugleichen.

 

Der ZiviZ-Survey ist eine repräsentative Organisationsbefragung, die seit 2012 regelmäßig zentrale Strukturmerkmale und Entwicklungen in der organisierten Zivilgesellschaft erfasst. Es handelt sich um eine einzigartige repräsentative Organisationsbefragung in Deutschland, die das gesamte Spektrum an Engagementfeldern abdeckt. Im Rahmen des ZiviZ-Survey 2023 haben von den 125.000 eingeladenen Organisationen 12.792 an der Online-Befragung teilgenommen. Der aktuelle Hauptbericht stellt zentrale Entwicklungen in der Organisationslandschaft sowie die Herausforderungen von Organisationen in unterschiedlichen Engagementfeldern und räumlichen Kontexten vor. Bereits im März 2023 wurde ein Trendbericht veröffentlicht, der erste Ergebnisse der Befragung und Entwicklungen über die vergangenen zehn Jahre skizzierte. Gefördert wurde der ZiviZ-Survey 2023 von der Deutschen Stiftung für Engagement und Ehrenamt sowie den acht Bundesländern Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen, Saarland und Schleswig-Holstein und dem Stifterverband.

Zivilgesellschaft in Zahlen (ZiviZ) ist ein Think & Do-Tank im Stifterverband, der mit Datenerhebungen und -analysen evidenzbasierte Entscheidungen ermöglicht. ZiviZ unterstützt Zivilgesellschaft, Wirtschaft und Politik auf ihren Wegen zu einem wirksamen Engagement. ZiviZ arbeitet sektorenübergreifend und deckt mit dem ZiviZ-Survey und dem Monitor Unternehmensengagement die volle Bandbreite zivilgesellschaftlichen Engagements ab

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Peggy Groß (Foto: Marcel Schwickerath)
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Peggy Groß

ist Pressesprecherin des Stifterverbandes.

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Peter Schubert (Foto: Damian Gorczany)
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Dr. Peter Schubert

leitet die Geschäftsstelle 
ZiviZ im Stifterverband.

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