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Berufliche und akademische Bildung: Mischen (im)possible?

28.01.2020 - Berlin

Wie können sich berufliche und akademische Bildung sinnvoll ergänzen? Und welche Gestaltungsmöglichkeiten gibt es – neben dem bereits etablierten, dualen Studium – für den wachsenden Überschneidungsbereich zwischen diesen beiden Sektoren? Auf dieser interaktiven Veranstaltung wurden diese Fragen diskutiert.

Ein wesentliches Konzept, um das sich die Veranstaltung drehte, ist das Modell einer studienintegrierenden Ausbildung, dessen Entwicklung der Stifterverband aktuell fördert. In diesem Modell geht es um die Verzahnung fachaffiner Berufsausbildungen und anwendungsorientierter Studiengänge in einer gemeinsamen Grundstufe. Darüber hinaus wurden aber auch andere Ideen für eine Verbindung von Berufsbildung und akademischer Bildung zur Diskussion gestellt.

Die Veranstaltung verfolgte mehrere Ziele:

  • Modellprojekte erhielten die Möglichkeit, ihre Aktivitäten darzustellen und sich zu vernetzen.
  • Akteure aus Hochschulen und Berufsbildung wurden dazu motiviert, in ihren Diskursen weniger die Aspekte des Wettbewerbs und der Abgrenzung als vielmehr mögliche Ergänzungen und Kooperationsmöglichkeiten zu betonen.
  • Der Bildungspolitik sollte nahegelegt werden, dass es zur Fachkräftesicherung im eher theoriegeleiteten Segment der dualen Ausbildung und im anwendungsorientierten Segment der Hochschulbildung einer integrierten Steuerung bedarf.

Hintergrund

In seinen Empfehlungen zur Gestaltung des Verhältnisses von beruflicher und akademischer Bildung mahnt der Wissenschaftsrat unter anderem eine "Neujustierung des Verhältnisses der beiden Bildungssektoren an". Ebenfalls im Jahr 2014 weist der Nationale Bildungsbericht darauf hin, dass der Hochschulbereich erstmalig mehr Anfänger verzeichnet als die duale Ausbildung und konstatiert: "... das Verhältnis dieser beiden Ausbildungsbereiche zueinander bedarf einer Neubestimmung".

Inzwischen ist Bewegung in das Thema gekommen: So hat sich der Hochschulbereich weiter ausdifferenziert und erfuhr nicht zuletzt in der Folge der Bolognareform einen Bedeutungszuwachs der beruflich ausgerichteten Studiengänge. Mit der Expansion der Studierendenzahlen veränderten sich die Studienmotive hin zu einer stärkeren beruflichen Ausrichtung. Mit der Dualen Hochschule Baden-Württemberg entstand ein neuer Hochschultypus, durch den das (praxisintegrierte) duale Studium seine Anziehungskraft für Betriebe und Schulabsolventen weiter steigern konnte. Die traditionelle Separierung zwischen beruflicher und akademischer Bildung wurde an vielen Stellen durchlässiger. Die demografische Entwicklung, das Bildungswahlverhalten der Jugendlichen aus Nicht-Akademiker-Familien, die verstärkte Nachfrage der Wirtschaft nach hybriden Kompetenzprofilen – diese und zahlreiche weitere Entwicklungen führten insgesamt dazu, dass sich berufliche und akademische Bildung in Teilsegmenten annäherten.

Zugleich ist weiterhin offen, in welche Richtung sich das Verhältnis der beiden Bildungssektoren weiterentwickeln kann und wird. Das Spektrum an politischen Positionierungen reicht von einem Gegen- über ein Neben- bis zu einem intensiveren Miteinander.

So fordern einzelne Stimmen aus der Universität eine Rückführung des "Akademisierungswahns" hin zu der alten Separierung. Teile der Berufsbildung plädieren für die Steigerung der Attraktivität der Berufsbildung durch eine Stärkung von Aufstiegsweiterbildung und der Profilierung von Berufslaufbahnkonzepten. Andere möchten die Attraktivität der Berufsbildung dadurch steigern, dass die Durchlässigkeit in ein akademisches Studium weiter erhöht wird. So plädiert beispielsweise der Wissenschaftsrat unter anderem dafür, Berufsabschlüsse ohne weitere Praxisphase formal als Hochschulzugangsberechtigung anzuerkennen und dabei auch die Fachbindung aufzuheben. Ein anderer Schritt zur Erhöhung der Durchlässigkeit wird darin gesehen, die Berufsausbildung mit einem Doppelabschluss zu verbinden. Das (ausbildungsintegrierte) duale Studium, aber auch der Erwerb der Hochschulzugangsberechtigung während der Berufsausbildung in Form von zusätzlich absolvierten, allgemeinbildenden Inhalten skizzieren diese Position. Während diese Ansätze Verlängerungen bestehender Entwicklungen darstellen, gehen zwei Modelle über den status quo hinaus:

  • Das Modell einer studienintegrierenden Ausbildung führt die Idee der Durchlässigkeit weiter zu einer Verzahnung. Dieses ab 2021 in Hamburg an der neu zu gründenden Beruflichen Hochschule sowie in Pilotprojekten in Nordrhein-Westfalen umgesetzte Modell verzahnt eine duale Berufsausbildung mit Modulen eines Bachelor-Studiengangs und integriert die Entscheidung der Jugendlichen über den weiteren Bildungsweg in die erste Ausbildungsphase.
     
  • Mit Blick auf internationale Erfahrungen steht die Entwicklung einer eigenständigen Säule für einen beruflichen Bildungsweg bis zu einem akademischen Hochschulabschluss zur Diskussion. Bereits heute erwirbt ein beträchtlicher Teil der Jugendlichen die Hochschulzugangsberechtigung an einem beruflichen Gymnasium bzw. an beruflichen Schulen. Die Weiterführung in den Hochschulbereich bedingte eine Parallelführung von beruflich und wissenschaftlich orientierten Studiengängen, die jeweils mit einem spezifisch profilierten Bachelor- bzw. Masterabschluss abgeschlossen würden.

In der interaktiven Veranstaltung wurden unter der Leitperspektive einer Neubestimmung des Verhältnisses zwischen beruflicher und akademischer Bildung die bestehenden Ansätze sowie neue Optionen reflektiert und diskutiert.

28. Januar 2020, 13:30 bis 16:40 Uhr
Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
Jägerstraße 22/23, 10117 Berlin

Veranstaltung "Berufliche und akademische Bildung: Mischen (im)possible?" (Foto: Kay Herschelmann)
Foto: Kay Herschelmann
Impressionen von der Veranstaltung
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Impressionen von der Veranstaltung
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Foto: Kay Herschelmann
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13:30 Uhr
Begrüßung durch den Stifterverband
Dr. Volker Meyer-Guckel, stellvertretender Generalsekretär, Mitglied der Geschäftsleitung, Stifterverband
 

13:40 Uhr
Berufliche und akademische Bildung: Wege zur Neubestimmung einer schwierigen Beziehung
Prof. em. Dr. Dieter Euler, Universität St. Gallen
 

14:00 Uhr
Mischen (im)possible? Jetzt sind Sie dran!
Moderation: Jan-Martin Wiarda, Journalist für Bildung und Wissenschaft, Berlin
 

14:30 Uhr
Verzahnung statt nur Durchlässigkeit: Das Konzept der studienintegrierenden Ausbildung
Prof. Dr. Eckart Severing, Friedrich Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
 

15:00 Uhr
Kaffeepause
 

15:20 Uhr
Modellprojekt der studienintegrierenden Ausbildung: Umsetzung in den Ländern
Stephanie Pudenz, Ministerium für Schule und Bildung Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf
Dr. Sandra Garbade, Geschäftsführerin, Hamburger Institut für Berufliche Bildung
 

15:40 Uhr
Hybride Modelle, Durchlässigkeit, Verzahnung – Wie scharf soll die Trennung zwischen beruflicher und akademischer Bildung noch sein?
Prof. Dr. Peter-André Alt, Präsident der Hochschulrektorenkonferenz (HRK)
Barbara Hemkes, Leiterin des Arbeitsbereichs 3.3 (Innovative Weiterbildung, Durchlässigkeit, Modellversuche), Bundesinstitut für Berufsbildung, Bonn (angefragt)
Dr. Ernst-Dieter Rossmann MdB, Vorsitzender des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung, Deutscher Bundestag, Berlin
Staatsrat Rainer Schulz, Behörde für Schule und Berufsbildung, Hamburg
Prof. Dr. Eckart Severing, Friedrich Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
Prof. Dr. Micha Teuscher, Präsident der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg
Moderation: Jan-Martin Wiarda, Journalist für Bildung und Wissenschaft, Berlin
 

16:30 Uhr
Resumee
 

16:40 Uhr
Kulinarischer Ausklang

 

Präsentationen auf der Veranstaltung als PDF-Dateien: