Clemens Cap: Der gläserne Schüler

"Wir sollten nicht versuchen, digitales Lehren und Lernen zu verstehen als möglichst effizientes Training oder Konditionieren des Gegenübers für ein vielleicht sehr eng gefasstes ökonomisches Ziel."

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Clemens Cap: Der gläserne Schüler (Video)
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Lernen ist Vertrauenssache, oder? Wenn man Schüler oder Studierende dank digitaler Technik ständig beobachtet und bewertet, macht man sie zu Lernrobotern, meint Clemens Cap, Informatik-Professor an der Universität Rostock. Wollen wir das wirklich? Und wo könnte man Learning Analytics sinnvoll einsetzen?
 

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Autorin: Corina Niebuhr
Produktion: Webclip Medien Berlin
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Transkript des Videos

Es kann gerade das digitale Lernen auch verwendet werden, den gläsernen Lehrer, den gläsernen Schüler zu fabrizieren.

Das ist sicherlich für Unternehmen von großer finanzieller Bedeutung. Wo dann allerdings die Grenzen des Schutzes der Privatsphäre, die Grenzen der Würde, des Persönlichen beginnt, müssen wir uns ansehen. Gerade auch das Verhältnis zwischen Lehrer und Schüler ist hier ein sehr persönliches, ein sehr individuelles, das in Deutschland ja auch nicht umsonst grundgesetzlich geschützt ist in der Freiheit des Lehrens und Lernens. Wir müssen Acht geben, dass wir dort nicht Fehler begehen und auch uns einem Menschenbild verweigern. Wir bleiben ja trotz allem auch noch Menschen und sollten nicht versuchen, jetzt digitales Lehren und Lernen zu verstehen als möglichst effizientes Training oder Konditionieren des Gegenübers für ein vielleicht sehr eng gefasstes ökonomisches Ziel. Das macht mir Sorgen, und das schwingt natürlich auch bei dieser verhaltenen Freude etwas mit.

Ich halte das Thema Learning Analytics für ein sehr wichtiges, weil wir dadurch verstehen, wie wir lernen. Es wird dadurch verführerisch, weil es eine einseitige Auswertung bekommen kann. Die Frage steht ja im Raum: Jemand hat bei einem bestimmten Thema ein bisschen geschwächelt. Und wenn wir diese Interpretation so stehen lassen, dann verdrängen wir, dass das Schwächeln in Themen, dass das sich Irren ein ganz wesentlicher Motor der menschlichen und gesellschaftlichen Entwicklung ist. Im Grunde genommen steht an fast jeder Idee am Anfang in irgendeiner Form, bei jeder Form von Fortschritt steht irgendein Irrtum, irgendein Fehler, irgendein Versehen. Wenn wir nun, weil wir denn einen Fehler ausgemerzt haben, glauben, wir können dieses zum Prinzip erklären, machen wir meiner Meinung nach einen Fehler. Drum, glaube ich, ist es wichtig, den Bereich des Lernens offen zu behalten, ihn explorativ zu behalten, gleichzeitig aber die Chance zu nutzen, dass wir für bestimmte Formen des Lernens, die unstrittig sind, sehen, wie wir effizienter damit umgehen. Ein Einmaleins, ein Vokabular, das gelernt werden will, wenn wir dort verstehen, was den Prozess verbessert oder auch bei großen Lehrveranstaltungen, sogar im Seminar, wenn ich als Dozent weiß, mit welchen Impulssetzungen ich wie die Kreativität einer Situation verbessern kann oder rein mechanisches Lernen verbessern kann, hilft es mir. Wenn ich dadurch den Lernenden, den Lehrenden aber in eine Situation versetze, dass er sich permanent beobachtet, bewertet, ausgewertet fühlt, wird der notwendige Raum für Irrtümer und Fehler geschlossen. Wir werden irgendwann mal eine Auswertung brauchen. Es ist verständlich, wenn Unternehmen vielleicht auch für bestimmte Aufgaben sagen: Ja, hier brauchen wir jemanden, der sich schnell in neue Materie einarbeiten kann. Es bleibt aber auch ein gewisser Schutz der Persönlichkeit, damit wir Menschen bleiben, und diese Menschenwürde laufen wir Gefahr abzuschaffen, wenn wir den Menschen zu Maschinen machen. Ein Spruch, ich bringe das genaue Zitat jetzt nicht mehr her, aber ein Spruch, den Wilhelm von Humboldt vor sehr langer Zeit auch einmal geprägt hat, wie er über sein Universitätsideal gesprochen hat und gemeint hat, die Kritik dann sozusagen damit abgeschlossen hat, dass man sagt: Also, wenn man dem Lernenden so begegnet, dann kann man eigentlich den Vorwurf machen, dass hier Menschen zu Maschinen gemacht werden sollen. Ob das unser Ziel ist? Ich bin Informatiker, also, ich arbeite auch an dieser Front, aber ob das wirklich unser gesellschaftliches Ziel ist, bezweifle ich persönlich.