Gunter Dueck: Kitas & Erziehung
Die Ansprüche an Bildung steigen, je höher Helikopter-Eltern über ihren Kindern kreisen. Kein leichter Job für diejenigen, die in Kitas und Kindergärten das Fundament für Werte legen.
Wer erinnert sich nicht an seinen Geschichtsunterricht in der Schule? Und womit hat man da angefangen? Garantiert mit den Steinzeitmenschen! Und war das spannend? Nein. Und dann ging es weiter mit den alten Griechen und mit den alten Römern, und am Ende war man restlos überzeugt, dass die ganze Geschichte vor allem eines ist: tot. In anderen Fächern ist das nicht anders, meint der Philosoph Gunter Dueck. Dabei gäbe es doch eine ganz einfache Lösung.
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Die Zukunftsmacher und ihre Visionen für Bildung und Ausbildung, Forschung und Technik
Autor: Timur Diehn
Produktion: Webclip Medien Berlin
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Bildung befasst sich damit, das Wertvolle und Wichtige einem Menschen klarzumachen, und der muss in seiner jetzigen Kultur, wo er jetzt ist, und auch für die Zukunft irgendwie die Fähigkeit erwerben, das Wichtige von Unwichtigem und das Wertvolle vom nicht Wertvollen zu unterscheiden.
Das stagniert irgendwie, und das muss man irgendwie auch mal updaten, was das Wichtige und Wertvolle ist, und dann geht das natürlich von Büchern mehr auf Videos und Film über. Und dann gehört zur wichtigen Bildung, dass man irgendwie die Top-20-Filme aller Zeiten gesehen hat, also dann muss ich nicht unbedingt Schiller "Die Räuber", ich will jetzt nichts Böses sagen, also, ich habe nichts gegen die "Räuber", aber es ist vielleicht genauso wichtig, "Goldrush" mit Charlie Chaplin gesehen zu haben, also als Filmkunstdenkmal.
Sagt der Papa, sitzt am Bett von so einem kleinen siebenjährigen Jungen: "Du weißt doch, dass es sehr wichtig ist, Bildung zu machen!" - "Ja, Papa!" - "Du weißt ..." usw. usw. "Guck mal, du machst in der Schule gar nichts. Aber wir wissen doch alle, dass du alles kannst. Du bist hochgebabt! Wir haben festgestellt, dass du überhaupt alle Bücher über Dinosaurier gelesen hast und bis auf jede Körperzelle von so einem Dinosaurier das ganze Wissenschaftsgebiet kennst. Also ist doch bewiesen, dass du es im Prinzip kannst. Warum machst du nichts in der Schule?" Und dann sagt das Kind: "Papa, in der Schule kommen gar keine Dinosaurier vor!"
Jeder Mensch hat irgendwo einen Punkt, wo er ansprechbar ist und wo er dann sagt: Das mache ich jetzt! Und dann müsste man ihn ein bisschen artgerecht halten, also sehr individuell halten und ihm irgendwie die Möglichkeit geben, sich auszubilden. Dann gibt es bestimmte Zentren, wo Leute das können. Das kann Querflöte sein, das sind typischerweise Dinosaurier und die Atomphysik. Also, damals konnte ich irgendwie alle Protonen und Neutronen, kann ich nicht mehr, auf zehn Stellen hinterm Komma sagen oder sowas. Wir wussten dann jede Elektronenumgebung von jedem Element.
Wir haben uns über die Entstehung des Universums Gedanken gemacht, über Atomphysik, dann zur Astronomie, wie die Welt entstanden ist, und das waren hochspannende Sachen. Ich kann nicht verstehen, wenn das alle Kinder so irre interessiert, wo man dann auch Philosophie reinbringen könnte noch, also Entstehung des Universums ist schon relativ nahe an Philosophie. Dann könnte ich das gleich mit abhandeln. Warum kann ich nicht Biologie mit Dinosauriern anfangen? Das interessiert ja alle. Und dann, wenn man alles über Dinosaurier fragt: Wo sind die eigentlich hergekommen? Ja, aus dem Meer. Und wie denn? Ja, da gab es Fische, und die haben sich dann irgendwie so in Lurche verwandelt oder wasweißich, hat das so eine Entwicklung gemacht. Und dann geht man zurück und kommt dann bis zur Amöbe. Nein, sie müssen mit der Amöbe anfangen, was keinen Menschen interessiert und wie die Zellteilung ist und alles so ein Zeug. Das kann man ja später machen, wenn man vom interessanten Sweet Pot ausgeht und dann rückwärts. Dann wäre gar nichts los. Ich habe das ein bisschen recherchiert. Es liegt ein bisschen an der Bildungsrevolution der 60er-Jahre. Da hat man sich die, da hat man sich überlegt, also, da sind ja die Unis alle gebaut worden, die sind ja dann online gegangen in den 70er-Jahren, ganz viele. Also, neue, Bochum, Düsseldorf, Bielefeld, Köln, glaube ich, nee, war auch alt, es sind überall neue entstanden, Hohenheim. Da hat man sich überlegt, wie die Bildung sein soll, dass jeder studiert. Und dann haben sie die Schulbildung gleich von vornherein so gemacht, dass sie eine Art Propädeutik für Wissenschaft ist. Also, man hat das dann schon wissenschaftlich gemacht, und deshalb fängt man jetzt halt mit Amöben an. Man fängt Geschichte dann immer mit Steinzeit an. Was keinen Menschen interessiert. Wir mussten dann irgendwie so Neandertaler, und der kann nix und hängt da mit einem Fell rum, hat eine Keule oder sowas. Und das fanden wir nicht total schick. Warum fängt man nicht irgendwie mit Homer an? Dann kann man das gleich mit Deutsch oder Griechisch, Literatur und so verwursteln. Man nimmt einfach, man kann doch irgendwo von so einem interessanten Punkt ausgehen. Warum muss ich Erdkunde erstmal hier, also hier ist jetzt Prenzlauer Berg, dann zeichne ich irgendwelche Häuser hier ein, und dann im dritten Jahr erst Deutschland, dann Europa, dann Asien, also erst Europa und dann langsam Asien und Amerika. Das geht so alles so systematisch nach Wissenschaft vorweg. Das macht gar keinen Sinn, weil heute Leute, ich könnte einfach sagen so bei Zehnjährigen: Einer war in Bali, da soll er einfach ein Referat darüber halten, du über Marokko, du über Prag, und ein bisschen Multikulti soll auch Erziehung sein: Was sagt euch, wieso sind die Leute da anders? Was habt ihr erlebt? Was darf man da und darf man nicht? Darf man, spucken die alle auf den Boden? Woanders ist das verboten. In Japan darfst du nicht die Nase schneuzen. Dann lernen die Leute das doch ganz anders, also, weil der nebenan das schon gemacht hat. Und warum muss das alles so systematisch sein? Und da müsste man einfach mal echt mal drüber nachdenken. Das ist ja nicht verboten. In den 60er-Jahren haben die das ja gemacht. Was mich ein bisschen erschüttert, bei Wikipedia kann man das nachlesen, ich habe über Schulpflicht gelesen, und da steht irgendwo so ein Satz: Die Hauptschulen bringen das Wissen der Welt, ich gebe es in meinen Worten weiter, ich kann es nicht so, die bringen das Wissen der Welt ungefähr doch so wie bei den Gymnasien bei, aber viel praktischer. Und jetzt kommt die Pointe: Ohne den wissenschaftlichen Anspruch aufzugeben. Na, sagt mal, was soll das? Ja, also, praktisch, man hat dieses wissenschaftliche, stringente Vorgehen jetzt praktisch dann bis zur Sonderschule runtergebrochen, dass alles wissenschaftlich sein muss. Man könnte doch einfach davon ausgehen, mal was Interessantes, das ist doch bekannt, was sie interessiert. Also, ich meine, zum Beispiel ist jetzt gerade ein Hype, ob man vegan sein muss oder ob Globuli was helfen. Das sind ja Themen, die jetzt in der Familie irgendwo modern sind, da kann man doch, da gibt es viele Sachen zu diskutieren in der Schule, wie man was macht und hätte auch irgendwie Sinn fürs normale Leben, und man kann das auch naturwissenschaftlich alles irgendwo auf den Grund bringen. Aber man könnte irgendwelche Punkte nehmen, die jetzt vielleicht auch ein bisschen zeitgemäßer sind.