Gunter Dueck: Innovation & Entschleunigung

"Philosophisch gesehen wäre es besser, man trägt die Kleider mal auf, die man gekauft hat, und kauft sich nicht jeden Tag neue."

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Gunter Dueck: Innovation & Entschleunigung (Video)
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Eine Innovation jagt die nächste. Vor lauter Disruption bleibt kein Stein auf dem anderen. Aber nicht jedesmal wird das Rad neu erfunden. Im Gegenteil: Die meisten Ideen setzen sich nicht durch, dümpeln in Nischen vor sich hin oder verschwinden wieder in der Versenkung. Wenn man sich die Erfolgsgeschichten von Amazon oder Facebook anschaut, darf man nicht vergessen: Die meisten Start-ups gehen pleite. Der Preis, den die Gesellschaft für permanente Innovation zahlt, ist also hoch, meint der Philosoph Gunter Dueck. Zu hoch?
 

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Autor: Timur Diehn
Produktion: Webclip Medien Berlin
für den YouTube-Kanal des Stifterverbandes

 

Transkript des Videos

Ich glaube, dass wir den Wandel hart bezahlen. In Silicon Valley sterben ja auch zehntausend Firmen auf jedes Einhorn, also Einhorn ist mehr als eine Milliarde Bewertung.

Wenn das so ist, dass auf eine Firma, die jetzt vielleicht ein bis zehn Milliarden wert ist, auf jede dieser Firmen 10.000 andere sterben oder nur so ein bissel was werden, dann kann man schon die Frage stellen, ob Innovation im Ganzen sich überhaupt lohnt, also betriebswirtschaftlich. Ich kann jetzt, ich rechne jetzt als Kosten die ganzen sterbenden Firmen dagegen und alle die kleinen Unternehmer, die idealistisch drei Jahre für umsonst arbeiten, die haben ja jetzt einen Gehaltsverzicht geübt die ganze Zeit. Wenn ich das als Kosten rechne, die ja indirekt durch die Innovation entstehen, dann würde eher herauskommen, dass wir ein Minus machen. Das ist vielleicht auch der Grund, warum es uns so schlecht geht. Also, das ist so ein bisschen ... Jetzt will ich nicht so, das ist eine steile These, das müsste man nachprüfen. Also, es kann sein, dass wir durch das Zeitalter der Überinnovation so viel Geld in Innovationen versenken, also in die erfolglosen, dass wir zwar die Welt sehr viel schneller, sehr schnell besser machen, also weil ja manche Innovationen durchkommen und die Welt besser machen. Das heißt, wir erzielen eine Verbesserung der Welt sehr schnell, aber wir verbrennen unnötig viel Geld damit, dass wir die erfolglosen alle beerdigen müssen. Und das heißt, dass wir die Welt sehr schnell verbessern, aber eigentlich nichts in der Lohntüte haben, weil irgendwo das Geld ja verschwindet, also in erfolglosen Innovationsversuchen. Und das wird eigentlich nicht betrachtet. Das wäre vielleicht ganz gut, wenn man jetzt so, sagen wir mal, eine Glasfasertechnologie hat, so für Internet, dann sagt man einfach: Wir entschließen uns als Volk, die jetzt zehn Jahre zu benutzen. Bei UMTS war das so, die haben doch da 100 Milliarden für die Frequenzen bezahlt. Und dann ist das UMTS eigentlich irgendso ein paar Jahre da gewesen, dann ist ja die nächste Technologie schon wieder gekommen. Und dann sitzen wir ja auf den Verlusten. Das heißt, wir tun so, als wenn wir eine gigantische Weltverbesserung haben. Die kostet sehr viel Geld. Die Fehlversuche kosten sehr viel Geld. Und nach drei Jahren kommt wieder was Neues. Und das kostet was. Das ist auch bei Medizin so. Wenn CRISPR9 durchschlägt, und dann kommt aber drei Jahre später 13D und nochmal drei Jahre später 15Y oder so, dann müssen wir diese Kosten immer neu bezahlen. Ja, irgendwie geht es uns nicht viel besser, obwohl die Technologie besser geworden ist. Das muss man sich irgendwie mal fragen. Ich stell immer mal die Frage: Leute, wir haben mal die 35-Stunden-Woche gehabt, so Ende der 80er, und jetzt arbeiten alle Leute freiwillig oder sagen wir mal per Tarifvertrag ist meistens alles auf 38 und 40 Stunden wieder zurückgenommen worden, ohne Lohnausgleich, einfach so. Und faktisch arbeiten die Leute oft 50 Stunden, also von 35 auf 50 sind ungefähr 50 Prozent Aufschlag, und arbeiten manchmal noch am Wochenende usw. Wenn man das alles zusammenzählt, arbeiten wir im Vergleich zu vor 25 Jahren um 50 Prozent mehr und haben eigentlich nicht so viel mehr Geld. Und das bleibt doch irgendwie, das ist nicht so, dass der Zuckerberg das alles hat. Das verschwindet, glaube ich, in eine Überinnovation.

Wieviel Unternehmen gehen jetzt wirklich pleite, weil sie die Ziele der Innovation nicht erreichen? Und dann haben wir als Kosten der Innovation auch noch die Alten, die alle kaputt gehen, die Karstadts und die Kaufhäuser implodieren usw. Das heißt, ich habe eine Disruption im Markt und töte ganze Industrien ab und, wie gesagt, und dann die Fehlversuche muss ich noch zusammenzählen usw. und die ganzen Arbeitsplatzverluste und die Sozialabgaben usw. Dann ist das relativ teuer, die Welt umzustellen. Die Frage wäre philosophisch zu stellen: Sollte ich sie so schnell umbauen? Oder sollte ich nicht vielleicht irgendwie mal sagen: Jetzt frieren wir das mal alle zehn Jahre ein und fangen dann wieder neu an. Das ist schwer zu regeln mit einem freien Markt, das verstehe ich schon. Aber jetzt philosophisch gesehen wäre es besser, man trägt die Kleider mal auf, die man gekauft hat, und kauft sich nicht jeden Tag neue. Also, als Privatmensch werden wir auch kritisiert, wenn wir das so machen, und in der Industrie ist das so ähnlich.