Gunter Dueck; E-Mails & Disziplin
Da schickt Ihnen jemand eine endlos lange E-Mail, und Sie fragen sich: Was will der eigentlich? Um nicht in zeitraubendes Antwort-Pingpong zu verfallen, gibt es eine Anti-Stress-Strategie für E-Mail-Korrespondenz.
Im Schutz internetter Anonymität kann man schön die Sau raus lassen: Kommentarspalten, Diskussionsforen und Facebook sind nicht unbedingt der Hort der Höflichkeit. Dieser kommunikativen Unkultur sollte man aber nicht mit Ignorieren und Schmollen begegnen, meint Philosoph und Querdenker Gunter Dueck. Natürlich hat auch er schon Beschimpfungen auf sich gezogen. Dueck sagt nun, wie er sich Deeskalation vorstellt. Und die hat viel mit Bildung zu tun.
Das Gespräch wurde am Rande der re:publica 2017 in Berlin aufgezeichnet.
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Autor: Timur Diehn
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Es gibt ja jetzt Videos von Leuten, die sagen: Guck mal, wie häßlich ich beleidigt worden bin!
Da ist man gar nicht mehr betroffen von so einer häßlichen Beleidigung, sondern: Seht her, was für blöde Leute es wieder gibt, die mir sowas schreiben! Und da ist gar nicht so ein tiefes Betroffensein über diese Schlechtigkeit von diesen Menschen da, sondern es wird fast wie ein Denkmal enthüllt: Guck mal, was die mir für ein dummes Zeug schreiben! Also, im Grunde, weiß ich nicht, ist das so eine Art Spielzeug, mit diesen Hate-Mails da rumzumachen.
Ich studiere da mit Vorliebe auch Fußballmannschaften, wo es ja immer auch kracht, ja? Irgendeine Zeitung schreibt: Ich glaube, der will wechseln, und dann wird er wieder gefragt, die Vereinsführung, und dann kracht's immer gleich. Es ist halt zunehmend schwierig, mit solchen Dingen umzugehen, und wir sind kommunikatorisch irgendwo viel stärker gefragt, müssen viel höhere Kompetenzen da haben, die sind einfach nicht da. Ich kann jetzt nicht einfach sagen: Wir sollen alle nett sein. Das muss man ja üben. Die sind kommunikatorisch dann, die jetzt so Mist machen im Internet, sind ja kommunikatorisch auch im Betrieb irgendwo nicht so einfache Menschen. Und Kommunikation ist kein Schulfach, ist nicht Gegenstand der Erziehung. Ich predige ja auch immer: Wir sollen im Grunde in der Schule keine Baustelle machen, und die Hauptattitüde, die von Deutschen verlangt wird, ist Zuverlässigkeit. Wenn es ein Wort gibt, was wir sein sollen, dann zuverlässig. Und diese Sache, sowas wie Konfliktbereitschaft oder Konfliktdeeskalation usw., das lernt man eigentlich nicht. Da wird nur gesagt: Seid artig!
Man muss nicht als Sigmar Gabriel dann "Pack" zu denen da sagen. Man sieht ja, was dabei herauskommt. Sie machen jetzt Demonstrationen: Wir sind das Pack! Wir sind das Pack! Hat er ihnen einen schönen Slogan beschert, also wo man auch richtig wütend sein kann, weil das Wort ja sehr verletzt. Ich versuche halt ... also, ich habe einen Kalenderspruch schreiben müssen, letztes Jahr zu Weihnachten, und da habe ich abgegeben als Spruch: Liebe den Fremden wie dich selbst und sage nicht "Pack" zu deinem Nächsten! Wollte einfach sagen, dass man nicht sagen kann: Jeder, der herkommt, warum auch immer, ist Freund, und die 20 Prozent, die irgendwo AfD-tolerant sind oder unempfindlich oder sogar Fan, das sind keine Menschen. Unsere christliche Kultur sieht das ja auch irgendwie anders. Und man muss das nicht immer eskalieren, und das findet dauernd statt, also praktisch es finden Meta-Eskalationsgespräche statt. Wir eskalieren die Frage, ob man es eskalieren sollte. Und eskalieren ist immer weiter. Und irgendwo muss dieser Teufelskreis mal unterbrochen werden. Ich mache bei diesem Eskalieren nicht mit.
Man muss auf die Argumente nicht eingehen. Kommunikatorisch würde man sagen: Uiuiui schreiben, also: Uiuiui, du bist witzig! Mehr muss man nicht schreiben, nicht auf die Argumente eingehen, und dann ist ja Eskalation. Ich sag nur: Uiuiui, du kannst aber schön! Oder irgendwas so halbwegs Nettes sagen: Hast du jetzt deinen Beitrag geleistet, aber wir ignorieren ihn. Es ist schwer zu sagen. Also, bei mir auf der Webseite sind eher weniger von der Art. Ist vielleicht dann eine Filterblase, wo so die Bessergesonnenen sind. Es hat auch schon Beleidigungen gegeben. Also, ich habe jetzt ... ich kann die aber zählen, also an einer Hand. Ich habe dann auch immer geantwortet. Also, mich wühlt das dann doch schon so ein bisschen auf, so dann schreiben welche: Dueck hat einen guten Vortrag gehalten, und dann hat einer gesagt: 2001 habe ich ihn gesehen, zugegeben, lange her, und er ist ein selbstaufgeblasener Affe, der sich für den innovativsten Menschen hält oder sowas in der Art. Und dann habe ich einfach geantwortet sowas wie: Also, 2001 ist echt lange her, und er soll sich mal die neueren Videos angucken. Ich habe mich bemüht, mich zu bessern. So, irgendwie dass man so begütigend, ich habe es zur Kenntnis genommen, ich versuche es so.
Es gibt ein großes Unverständnis über diese ganzen Mechanismen der Gesellschaft oder so, und deswegen kommt ja diese Eskalation. Also, auch in Firmen, wo das so sehr viel kleiner ist oder enger, in Bildungssystem wird immer gesagt: Was ist das für eine Scheißfirma, in der, also immer dasselbe: Das darf doch nicht wahr sein! Das kann's doch nicht sein! So fast ein Erstaunen, dass da Phänomene sind, die man für absolut unmöglich hält. Die kann man aber oft erklären, also, warum das genau so ist. Warum sagt der Chef jetzt das und das? Und dann sagt man: Der ist getrieben dadurch, dadurch, dadurch, das, das, das, das, und es ist schwierig, dann was anderes zu sagen. Und dann sagen sie: Er will's aber nicht. Oder: Warum werde ich nicht befördert? Und dann kann man sagen: Das, das, das, das, das. Und die Erfahrung ist immer, dass die Leute das ganze System nicht so richtig verstehen, also praktisch immer nur Teile davon, und die hacken aufeinander los. Und das hat wenig mit Demokratie zu tun, die schweben alle in ihren einzelnen Bereichen. Man muss jetzt viel mehr Aufklärung haben als früher, also Aufklärungswerte bedeuten, jeder kommt an das Wissen ran. Jetzt wäre es aber besser, jetzt haben wir das Wissen, aber jetzt müsste es jedermann mal verstehen. Im Grunde hacken immer so Partialbereiche aufeinander rum. Das sieht man ja auch in geschlossenen Systemen wie Firmen, wo sie sagen: Die Towers bekämpfen sich oder sowas. Da ist die ganze Eskalation auf einem viel kleineren Gefechtsfeld. Die breitet sich jetzt in der Gesellschaft eine Zeitlang aus. Man weiß gar nicht, wie lange die Kommentarspalten noch dran sind.