Gunter Dueck: Medienhypes & Fortschritt

"Die Medienwelt ist so explodiert, dass alle immerzu durcheinander diskutieren. Man kommt im Diskurs nicht weiter."

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Gunter Dueck: Medienhypes & Fortschritt (Video)
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Nichts ist schwieriger, als auf den Punkt zu kommen, weiß Philosoph Gunter Dueck. Das Internet trägt seinen Teil dazu bei, dass der gesellschaftliche Diskurs über technologischen Fortschritt sich immer wieder im Kreis dreht. Und Dueck hat auch eine Erklärung parat, warum man heutzutage keine tiefen Diskussionen mehr zu Ende führen kann.
 

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Autor: Timur Diehn
Produktion: Webclip Medien Berlin
für den YouTube-Kanal des Stifterverbandes

Transkript des Videos

Die Leute diskutieren A gegen B, immer sehr native, also, praktisch es gibt nie ein Aufeinander-zu-bewegen oder dass einer mal was klärt. 

Dass man zwischendurch mal einen Strich darunter macht und sagt: Bis jetzt ist das Konsens. Also, das ist geklärt. Also, Snowden ist jetzt nicht von Putin gekauft oder weiß-ich-was. Irgendwas, dass es nicht wieder behauptet wird. Praktisch durch diese Offenheit des Internets wird alles nochmal neu aufgerissen. Also, praktisch bei jeder Diskussion, was immer es ist, in Stadium 30 wird wieder das Stadium 1 ... kommen wieder Leute und sagen: Du bist blöd! Wir wissen, dass es immer so ist. Und da fängt man die Diskussion immer wieder bei Adam und Eva an, kommt nicht von Stadium zu Stadium. Und das macht es sehr schwierig, glaube ich. Deswegen wird immer wieder neu aufgerührt, und man kommt zu nichts.

Sehr viele Dinge greifen gleichzeitig dazu, dass man eigentlich keine tiefen Diskussionen mehr haben kann, weil das Aktuelle alles überdeckt. Ich kann auch kein Thema mehr so über Wochen diskutieren in der Bevölkerung, dass ich irgendwie zu einem gewissen Schluss komme, sondern nach drei Tagen kommt wieder eine andere Meldung. Wenn jetzt diese Flüchtlingsproblematik in Deutschland sehr kneift oder wird völlig dramatisiert, und dann kommt irgendwie Brexit, dann ist eben Brexit dran. Dann wechselt die Aufmerksamkeit so relativ zu irgendwas anderem, und die Leute, die sich damit beschäftigen, sind jetzt wieder raus aus der ganzen Geschichte.

Viele Contents oder Blogs, die ich kenne, die drücken so einen gewissen Weltschmerz aus, dass jetzt alles so schwierig geworden ist mit Trump oder so. Das ist nicht der Punkt. Was ihm den Respekt verschaffen muss, jetzt irgendwo Wirkung erzielen. Also, ich kenne das von der Innovation. Der große Unterschied ist zwischen Erfindung und Innovation, also, ich kann irgendwie eine gute Idee haben, ich muss sie aber auch umsetzen. Und die meisten sind schon stolz auf die Erfindung oder dass sie einen aufrechten Sinn haben, dass sie jetzt alles über Veganertum wissen oder alles über Brennnesselsud oder über irgendwelche Sterne oder sowas. Sie müssen aber Wirkung in der Bevölkerung erzielen. Dazu muss man aber eben auch diese Verantwortung übernehmen, dass ich jetzt auch rausgehe, also es hilft nichts, irgendwie auf einem Einsiedlerpunkt zu stehen und zu sagen: Ich weiß alles. Schwierig! 

Ein anderer Punkt ist, dass heute die Meldungen oder das Kreative viel schriller und kurzfristiger ist, also, praktisch man kommt schon in Vorteil, wenn man jetzt bei, sagen wir mal, bei der Wahlnacht mit Trump dann alle Minute sagt: Der Wahlkreis ist jetzt an Hillary Clinton, und der Wahlkreis ist an Trump und so, immerzu hin und her. Und dann ist da gar kein intellektueller Content da, sondern es ist einfach nur aktuell. Also, das ist im Grunde Roboter. Also, das heißt, der Roboter kriegt die Zahlen rein und kommentiert jede Minute. Und dann hocken alle vor den Zeitreihen. Was ist jetzt mit dem German-Wings-Pilot? Ist es jetzt Absicht gewesen oder nicht oder was sagen wir da alle dazu? Was sagen die Nachbarn dazu? Kommt alle fünf Minuten eine Meldung zu irgendsoeiner Sensation. Und echter Content dazu, der wird fast gar nicht mehr gebraucht. Also, die kreativen Berufe müssen gar nicht kreativ sein, sondern dieses aktuelle Draufhauen, alle fünf Minuten, das erschöpft einen dann einen Tag, und am nächsten Tag könnte man was Vernünftiges dazu schreiben, aber dann interessiert es keinen mehr. Ich habe es ja miterlebt.

Wenn man jetzt über neue Technologielinien spricht, dann ist es sehr schwer, auseinander zu halten, ob jemand da irgendeine komische Idee hat oder ob ein Journalist für 400 Euro irgendwie total eine Erfindung macht. Journalisten lieben es irgendwie zu sagen: Ich kriege eine Festplatte mit dem Abiturwissen ans Hirn geschweißt, solche Theorien. Sie sind irgendwie Blödsinn. Die sind von der Forschung ganz weit weg. Das ist sehr, sehr schwierig, Computer können noch nicht mal normale Sprache verstehen oder sowas. Also, wir sind noch ganz weit weg von irgendwie so, dass die Roboter jetzt die Welt beherrschen. Das finden sie ganz toll, weil man da, also, ich bin ein bisschen böse jetzt, weil man da ohne jedes Vorwissen drauflos schwadronieren kann. Da werden einfach ganz viele Moden gezüchtet von jedem beliebigen. Also, zum Beispiel technisch reif wäre der sprechende Kühlschrank, der immer Quark nachbestellt. Hat sich bis heute noch kein Bedarf gezeigt für sowas, also, es wollte keiner. Das ist aber eine Erfindung, die ist 20 Jahre alt, und seit 20 Jahren reden sie vom sprechenden Kühlschrank. Seit 20 Jahren reden sie davon, dass die Waschmaschine mit Nachtstrom um 2 Uhr läuft. Dann sage ich: Leute, stellt euch das mal vor! Also, meine Frau kommt dann, die steckt dann die Wäsche um 10 Uhr abends rein, und dann wäscht sie, weil das 1 Cent billiger ist, also zehn Prozent weniger, Nachtstrom ist von 27 Cent irgendwie auf 25 Cent irgendwie billiger. Also, 2 Cent hat sie gespart. Und dann muss sie morgens zur Arbeit, kommt am Nachmittag um 3 von der Arbeit zurück, und dann zieht sie die Wäsche zerknittert aus der Waschmaschine. Dann tut sie die in einen Trockner. Und da wartet sie bis 2 Uhr, dann trocknet das bis 3, und am nächsten Tag ... Wie Leute sich das vorstellen! Aber die Journalisten schreiben das unverdrossen! Die sprechende Waschmaschine und weiß ich was alles, diese ganzen Sachen. Die sind nie zu Ende diskutiert. Die Leute kommen immer wieder, 20 Jahre, man kann es immer geduldig widerlegen, und da werden irgendwelche Moden dauernd hochgefahren. Und zwischen diesen ganzen Blumen, diesen Sachen, gibt es die wirklichen Trends. Ich habe versucht die zu erklären, also, ich habe jetzt mein ganzes Leben lang nur Trends erklärt, wo man ökonomisch beweisen kann quasi, dass das kommen muss. Ich sag jetzt nur deshalb, dass es bald selbstfahrende Autos gibt, weil es faktisch weniger als die Hälfte kostet, zum Beispiel. Also, selbstfahrende Taxis zu haben. Und dann kann man sagen: Hey, Leute, das muss kommen, weil das einfach die Hälfte kostet. Da kommen wir nicht dran ... weil der Lauf der Welt so ist. Und diese ganzen anderen Moden sind Schnickschnack zum Teil. Und die Diskussion ist völlig verwölkt, weil alles mögliche dauernd hochgefahren wird. Und man kommt nicht auf den Punkt so richtig. Und die Medienwelt ist so explodiert, dass alle immerzu durcheinander diskutieren. Man kommt im Diskurs nicht weiter. Also, man könnte irgendwann sagen: Wir haben jetzt das erkannt, nächste. Wir kommen weiter ... Ein Diskurs würde sich ja irgendwie mal einem Ziel nähern. Das tut er überhaupt nicht, weil alles durcheinander ist.