Gunter Dueck: Zorn & Trump

"Man darf die Leute nicht so zornig werden lassen. Wenn nur die Zornigen zur Wahl gehen, dann könnte so eine Zornpartei zur absoluten Mehrheit kommen."

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Gunter Dueck: Zorn & Trump (Video)
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Warum fühlen sich so viele Leute von der Politik im Stich gelassen? Gunter Dueck, Mathematiker und Philosoph, hat sich seinen Reim auf den Erfolg von Populisten gemacht. Und er hat eine Idee, wie man dem Zorn begegnen kann.
 

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Autor: Timur Diehn
Produktion: Webclip Medien Berlin
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Transkript des Videos

Unten sind so irgendwie lauter Benachteiligte. Oben ist irgendwie eine andere Welt. Und faktisch wird gespart, und in den Sonntagsreden wird irgenwie das Ideal beschworen. 

Im Augenblick gibt es so eine Trennung der Gesellschaft, die ich sehe, dass die Schere nicht zwischen arm und reich ist, das finde ich nicht, sondern von einer Elite, die in der neuen Zeit schon angekommen ist oder da lebt oder die vorbereitet, und die anderen, um die anderen kümmert sich gar keiner. Und dann kriegen wir so Wahlresultate wie in den USA, die sind ... War klar, er muss es nur überziehen, dass alle Leute sagen: Ja, ich bin böse, ich bin benachteiligt, I vote for Bush. Äh, Trump!

Das war ein bisschen vorhersehbar. Ich traue mich das immer nicht, weil es so heiße Themen sind. Ich mag dann auch nicht immer in Shitstorms untergehen, aber ich wollte öfter mal schreiben: Leute, demnächst, wenn wir sehr viele Arbeitslose haben, also viel mehr als zehn Prozent oder so gefühlte Arbeitslose oder Leute, die unter Wert eigentlich arbeiten müssen, um ein bisschen Geld zu verdienen, dann bilden die eine gewisse, so ein gewisses Drittel von Leuten, die benachteiligt sind oder prekär. Und die übernehmen dann die Macht. Die hätten die Macht sozusagen, die Regierungspartei zu stellen, weil ja nur die Hälfte zur Wahl geht. Wenn nur die Zornigen zur Wahl gehen mit 30 Prozent, dann hätten die, könnten die so eine Zornpartei zur absoluten Mehrheit bekommen. Das haben wir ja jetzt gesehen. Und man darf die Leute nicht so zornig werden lassen. Man muss jetzt nicht eine Lösung haben. Man muss nicht sagen, was jetzt die Politiker tun: OK, dann gibt es dieses Jahr vier Prozent Rentenerhöhung oder nächstes Jahr zwei oder weiß ich was. Das ist ja keine richtige Lösung, ja? Sondern man muss irgendwo generell sagen, wo man die Gesellschaft in den nächsten 20 Jahren bitte hin haben möchte. Dass die Leute eine Perspektive haben und darauf vielleicht auch einen Diskurs eröffnen, und dann sagen wir: OK, wir merken, da ist Licht am Ende des Tunnels, es dauert noch eine gewisse Weile. Wir müssen quasi aussitzen, dass die Länder in Asien eine Weile für einen Dumping-Lohn gearbeitet haben für unsere Verhältnisse. Die kriegen ja jetzt auch Gehaltserhöhungen! Also, in Indien und China kriegen die ja nicht nur zwei Prozent oder ein Prozent Gehaltserhöhung, sondern eher 10 oder 15. Das heißt, das gleicht sich ja langsam an. Also, in 10, 20 Jahren sind viele Dinge wieder leichter geworden usw. Und diese großen Tendenzen könnte man ja einfach mal darstellen und ein bisschen als Politiker sagen: Wir sehen auf das Große, big picture, auf das große Bild der Zukunft, haben eine gewisse Vorstellung, wo wir hingehen. Und kommt jetzt mit! Wir kümmern uns um euch! Und das sagt keiner: Wir kümmern uns um euch!

Wir haben jetzt eine Zeit der Globalisierung. Man hat viele Lohneinbußen gehabt, weil die Inder es noch billiger machen und die Chinesen noch billiger, und dann zieht die Karawane nach Nordvietnam, das frühere Nordvietnam, immer wo es am billigsten ist, und dann Myanmar usw. Dann irgendwann ist Schluss. Also, das hat ja angefangen erst so: Polen, Weißrussland, Rumänien, Bulgarien, und dann zieht es langsam so nach Indien, China. Und die machen es immer noch billiger. Und wir haben quasi dann schon unsere 35-Stunden-Woche aufgegeben. Alle haben jetzt formal schon eine 40-Stunden-Woche. Wir arbeiten faktisch 50. Und das heißt, wir haben jetzt unser Privatleben geopfert. Von 35 Stunden ist  in vielen Berufen das faktisch auf 50 gegangen. Das heißt, wir arbeiten locker 50 Prozent, also 50 Prozent Aufschlag auf 35, also 17, das ist ungefähr das. Wir arbeiten locker 50 Prozent mehr, bei größerer Arbeitsdichte, und haben kaum Lohnerhöhungen bekommen. Kein Mensch schreit da! Und dadurch ist so eine Art Proletariat entstanden. Jetzt haben wir diese ganze Diskussion, ob wir bedingungsloses Grundeinkommen haben, weil die Leute alle irgendwie auch ohne Schuld irgendwo im Mist sitzen. Früher war das so: Wenn ich arbeitslos war bei Vollbeschäftigung, hatte ich ja Schuld. Das ist heute nicht so. Heute werden ganze companies einfach gelöscht. Irgendwer findet, man müsste jetzt das Werk nach Bulgarien verlegen oder von Bochum weg, Autowerke, und dann ist eine ganze Region einfach in Arbeitslosigkeit versunken, und ich kann da gar keine Arbeit finden, weil da plötzlich ein Werk geschlossen wird. Und dann bildet sich jetzt natürlich eine ganz große Bevölkerungsmasse von Leuten, die auch ohne Schuld, also arbeitsame Menschen, die ohne Schuld in irgendwelche misslichen Dinge geraten sind, bloß weil man die Produktion überall ausgelagert hat. Und das nimmt jetzt größere Prozentsätze an. Wir hatten mal eine Zeitlang mit zehn Prozent Arbeitslosen, ist jetzt nur noch sechs oder so. Aber wenn man das hochrechnet, dann die Leute, die noch Arbeit suchen, oder die, die noch Arbeit haben, aber gerade so am Hungertuch nagen und denen es nicht gut geht, dann nähern wir uns vielleicht so einer Zahl von 25 bis 30 Prozent der Leute, die jetzt böse sind, weil sie benachteiligt sind. Jetzt können wir in den USA schimpfen, das ist der ganze Mittlere Westen, die sagen, das sind irgendwelche Weißen. Das glaube ich nicht, das sind einfach Leute, die da auf dem Land leben und einen Exodus ihrer Produktionsbetriebe erlebt haben nach China und dann irgendwie von der Landwirtschaft, von dem Mais noch irgendwo leben und sind ein bisschen zornig. Sie sind alles brave Amerikaner und sind zornig. Und dann sind auch hier viele zornig. Und das entlädt sich jetzt irgendwie in ganz komischen Dingen, weil die auch gar nicht so richtig, diese Benachteiligten wissen ja nicht so genau, woran das liegt, ja? Also, das müsste man mal klären, woran es liegt, dann könnte man im Grunde auch in einen Dialog treten, was man jetzt macht gegen diese Sachen oder ob man überhaupt etwas machen will. Und ich denke, dass viele Leute gar nicht glauben mehr, dass was daran ... also, erstens wissen Sie gar nicht, was der Grund ist für diese ganze Geschichte, und zweitens, ja, dann sind sie einfach böse. Und dann kommt aber niemand und sagt: Wir arbeiten dran! Nicht mal das! Also, man könnte ja wenigstens lügen. Bei einem Unternehmen, wenn viele Entlassungen da sind, dann sagt man: Es ist alles in Ordnung, wir sorgen für euch, das Problem ist verstanden und so. Dann gibt es wenigstens ein bisschen Balsam irgendwo. Das ist manchmal heuchlerisch, aber es gibt Balsam. Aber in der Politik ist gerade so eine Situation, wo in der Politik niemand irgendwas beruhigt. Und da sagt man da: Die Leute haben Angst oder so. Es tut niemand was gegen die Angst.