Gunter Dueck: Stress & Flow

"Wenn alle Menschen bei der Arbeit leise singen und summen und die Zeit vergessen, dann ist das Optimum erreicht."

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Gunter Dueck: Stress & Flow (Video)
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Stress muss man in Glück umwandeln! Solche Vorschläge von schneidigen Managern kommen bei den Angestellten meist nicht gut an, wenn sie unter der Last der Arbeit ächzen. Gunter Dueck, Philosoph und Ex-Manager bei IBM, hat seine eigene Methode, wie sich am produktivsten arbeiten lässt. Und dazu gehört Rumklüngeln auf alle Fälle dazu.
 

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Autor: Timur Diehn
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Transkript des Videos

Es wäre ganz gut, dass die Menschen sich mal einfach hinsetzen und sagen: Was kann an meinem Beruf automatisiert werden? Also, ich war mal Mathe-Professor. Kann man durch Videos ersetzen. Das wird ja jetzt auch gemacht.

Die gewünschten Eigenschaften des Menschen in einer digitalen Zukunft sind relativ nah an denen, die Jesus von uns haben möchte. Also, das müsste man länger durchdenken. Das ist kein Witz. Sowas wie: "Liebe deinen nächsten wie dich selbst" und Teamfähigkeit ist gar nicht so weit auseinander. Oder: "Tue deine Pflicht", wie Konfuzius sagt, oder "Sei hartnäckig dran, bleibe immer dran" usw. Buddha sagt: "Lass ab von Hass, Gier und Verblendung!" Das ist genau das, was die Personalentwickler sagen. Und: Start-up, gehe deinen Weg! Mach keinen Quatsch! Nimm nicht zuviel Gepäck mit. Das steht alles im Tao. Und wenn ich diese ganzen Religionen, die Weltreligionen zusammennehme, dann ist das ziemlich genau das, was die Personalentwickler jetzt von der neuen Generation wollen. Das ist gar nicht so falsch. Und dann sage ich einfach: Geht einfach 3.000 Jahre zurück! Erinnert euch an die Entwicklung der Religionen, also 4.000, 3.000, 2.000 Jahre zurück, je nachdem, und macht das! Und es ist ja gar nicht böse. Ich meine, ich verlange ja nicht, ich verlange dann indirekt einfach nur eine gewisse Rückkehr zu Gott. Das ist ja irgendwie unkritisch, ja? Und dann kommt man sich vor, wenn man jetzt das digitale Zeitalter predigt, so wie ein Pfarrer, der sagt: Hört auf mit den Sünden! Und das heißt, unsere Kultur ist von diesen Werten geprägt, also, unsere Kultur sagt ja: Du sollst teamfähig sein, keine Konflikte machen, Verantwortung für dich übernehmen. Das ist die protestantische Arbeitsethik usw. Und es wäre gar nicht so schlecht, wenn wir die alten Werte mal wieder einfach durchlesen würden und sagen, dass das digitale Zeitalter kein Fluch ist, sondern irgendwo es verlangt von uns jetzt irgendwie sehr viel nötiger als früher, dass wir das auch leben, was wir dauernd in der Bibel lesen.

Wenn man zu sehr unter Druck ist bei der Arbeit, ist es vielleicht ein Zeichen beginnender Unfähigkeit. Das kann sein, dass man einfach zu viel Arbeit hat oder so, dann sagen die Leute: Du, das ist Stress, und du musst mit dem Stress positiv umgehen. Das ist jetzt so eine moderne These von so schneidigen Managern in Maßanzügen. Ihr müsst das als Herausforderung sehen! Stress muss man in Glück umwandeln! Das ist eine Chance! Das Hauptproblem ist, dass viele Leute in ganz neue Berufsfelder reinkommen, dass sie unter Umständen von Kunden beschimpft werden oder so, weil die auch anspruchsvoller und härter sind und verhandeln usw. Dann hat man oft nicht die richtige Handlungsvollmacht, dagegen irgendwas zu sagen, muss das aushalten, und dann empfindet man den Beruf langsam so als Mühsal. Es ist wahrscheinlich hilfreicher, nicht darüber zu jammern, sondern zu sagen: Mit fehlt einfach die Fähigkeit, Konflikte zu lösen, und irgendwie ein bisschen nonchalant sein. Ich muss ja nicht immer gegenhalten oder beleidigt sein, sondern kann sagen: Hey, komm, reg dich mal ab, was ist los? Und das kriegt so ein Deutscher nicht so richtig hin.

Wir leben so in einer Welt, die ein bisschen blockiert ist und sich gegenseitig aufregt usw. Und das sind eben diese fehlenden Fähigkeiten der Menschen, also normale professionelle Leute würden irgendwie verstehen, dass sie jetzt irgendeinen Kompromiss oder eine Lösung finden und machen eine. Das ist ja diese Teamfähigkeit. Da die eben fehlt, überfordert einen ..., also die fehlt, ist aber immer nötiger. Und weil sie fehlt und nötiger ist, empfindet man das als wahnsinnigen Stress dann auf der Arbeit, weil man sich dauernd immer in der Wolle hat und hackt. Und gleichzeitig versuchen sie jetzt schon so Abiturienten anzulernen. Das heißt: Learning by doing. Das finde ich ganz gräßlich, also, dass Leute ohne gewisse Ausbildung im Betrieb eingestellt werden. Und man nimmt dann gar nicht so sehr unbedingt so einen Master, das ist zu teuer, da nimmt man einen Bachelor oder noch billigere. Man hat ja auch den Bachelor extra eingeführt, damit es billiger wird mit dem Gehalt. Ja, und dann hat man die. Und das sind die Leute, die das eben noch nicht gelernt haben, und dann sagt man: Die gehen gleich ins Projekt rein, machen learning by doing, heißt das. Und Learning by doing heißt, dass man sich nahtlos in eine gewisse Betriebskultur assimiliert. Und wenn man jetzt dauernd spart, das machen sie seit 20 Jahren, geht die Betriebskultur langsam so den Bach runter, also praktisch die sind immer unzufriedener, überlastete Arbeitsdichte. Und das heißt, jeder, der neu reinkommt, wieder billiger, der kommt halt in so eine siechende Kultur und passt sich halt an. Und wir brauchen aber doch eine Auswärtsbewegung. Und praktisch dieses Ignorieren des Bildungsfaktors gleichzeitig mit dem Einsparen erzeugt so eine Art Niedergang. Und die sehe ich überhaupt nicht, dass man das einholt.

Wenn jeder Mitarbeiter im Flow arbeiten würde, in einer wunderbaren, also ein Künstler zum Beispiel, ist völlig klar oder jetzt ich als Schriftsteller, da kommt es nicht darauf an, wie lange ich schreibe oder wir hart ich mir Mühe gebe, sondern es kommt darauf an, dass ich jeden zweiten Tag mal drei, vier Stunden im Flow bin, dann ist die höchste Leistungsstufe. Und dann klüngele ich wieder einen Tag rum, und einen Tag geht es dann wieder zack! Dann kann ich zehn Prozent von einem Buch an einem Tag schreiben, wenn es ganz glücklich ist. Das braucht aber ein bisschen Vorbereitung, da muss ich so vielleicht mal eine Woche rumklüngeln, dann bilden sich langsam die Ideen. Die kommen nicht so gleichzeitig am Stück, nicht jeden Tag Flow, sondern das muss sich ja bilden. Und dann hat das gar nichts mit Arbeitszeit zu tun und auch gar nichts mit Kosten usw. Man kann sich überlegen, was die optimale Arbeit ist von irgendwelchen kreativen Leuten. Das heißt, ich muss irgendwo vernünftig im Flow sein. Ich habe es so formuliert: Wenn alle Menschen bei der Arbeit leise singen und summen und die Zeit vergessen, dann ist das Optimum erreicht. Meine These war, das habe ich immer wieder geschrieben über die Jahre: Wenn ein normaler BWLer dabei steht und sieht, dass alle summen und selbstvergessen bei der Arbeit sind und die Zeit vergessen, dann findet er: Die sind nicht ausgelastet! Das ist ein persönliches Empfinden von den typischen Managern. Die reißen die Leute aus dem Optimum raus. Sie wollen nicht, dass sie zeitvergessen sind, sondern noch mehr Zeit sparen. Und dann kommen wir auf diesen Momo-Trip von Michael Ende, auf das Buch, dass immer nur Zeit gespart wird. Das ist aber nicht der Punkt. Der Punkt ist, dass die Leute in einer optimalen Stimmung sind und im Flow arbeiten. Und dann ist alles gut. Und wir können ja mal über das Optimum nachdenken, also was das wirklich beste ist. Und dann müsste irgendeine Instanz die Menschen in diesem Optimum festhalten, also erst in das Optimum bringen und dann da festhalten. Und ich sehe gerade, dass die kontrollierenden Instanzen sie aus irgendwelchen Optima rausreißen und sie destabilisieren, indem sie sie jetzt wieder aufhetzen.