Peter Guse: Radikaler Innovation eine Heimat geben
Großkonzerne sind wie Supertanker – und meist nicht so richtig beweglich, um neue Produkt- und Geschäftsideen schnell zu entwickeln und auszuprobieren. Doch es geht auch anders.
Die Energiewende meistern, den Hunger in der Welt besiegen: Was sich Start-ups zuweilen auf die Fahnen schreiben, ist ausgesprochen ambitioniert. Aber was können sie tatsächlich bewegen? Pascal Finette von der Singularity University, einem Think Tank aus Silicon Valley, kennt sich aus in der Welt der Entrepreneure. Und er meint: Die großen Veränderungen kommen von woanders. Doch es gibt einen guten Grund, wieso Start-ups trotzdem wichtig sind.
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Die Zukunftsmacher und ihre Visionen für Bildung und Ausbildung, Forschung und Technik
Autor: Timur Diehn
Produktion: Webclip Medien Berlin
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Ganz ehrlich, ich glaube, dass die Herausforderungen und die Möglichkeiten so groß sind, dass wir wirklich ... Wir brauchen diesen Ruck, dass wir zusammenkommen und sagen: Was ist denn das Beste für den Menschen, die Gesellschaft, das Land?
Ich habe viel im Bereich Entrepreneurship verbracht. Ich habe die letzten 15, fast 20 Jahre in diesem Bereich verbracht. Ich habe Accelerators aufgebaut, Venture Fonds geleitet etc. Und ich bin zu der Überzeugung gelangt, dass Entrepreneure und ihre Companies, ihre Unternehmen, superwichtig sind, überwiegend als Provokateur. Ab und zu findest du halt ein Unternehmen, das halt auch groß wird und skaliert, also die Facebooks, die Marc Zuckerbergs dieser Welt. Überwiegend passiert das aber nicht. Weil Skalieren irrsinnig schwierig ist. Ich glaube, und ich bin zu dieser Überzeugung gekommen, dass die Änderungen, die wir, wenn wir Änderungen in der Welt sehen wollen, passieren die von zwei Seiten. Das eine ist Großunternehmen. Und das andere ist Regierungen. Das mag ... das ist interessant für mich, weil das so ein Come-to-Jesus-Moment für mich war, weil ich halt wirklich für 15 Jahre die Flagge hochgehalten habe: Entrepreneure, change the world! Und ich glaube das auch nach wie vor, wie gesagt, die sind die Provokateure, die diese beiden anderen Parteien, diese beiden anderen Spieler in diesem Spiel vorwärts bewegen. Das Beispiel, was mir das am meisten beigebracht hat: In den USA hat Wal-Mart, die ja nun zurecht kritisiert werden für ihre Arbeitspraxis etc., sich aus irgendeinem mir nicht bekannten Grunde entschlossen, keine normalen Light bulbs zu verkaufen, sondern nur noch zunächst Neon und später LEDs zu verkaufen. Und weil Wal-Mart so viel Marktkraft hat, haben die im Grunde den gesamten US-Markt gezwungen, nur noch LEDs zu verkaufen. In den USA kannst du in den Laden gehen. Es ist schwierig, ganz normale Light bulbs zu kaufen. Du kriegst die nicht mehr. Diese Macht, die dieses Unternehmen hat, in die richtige Richtung gelenkt, hat eine irrsinnige Treibkraft. Deswegen verbringe ich jetzt relativ viel Zeit eben mit Großunternehmen und Regierungen, um zu versuchen, die von innen heraus so ein bisschen zu verändern.
Energie ist superspannend, und zwar was bei Energie passiert, ist, dass du halt auf der einen Seite konventionelle Energie hast, also karbonbasiert, kohlenstoffbasiert, also Öl, Gas, Kohle. Und diese Systeme, alle diese Energieformen sind beschränkt. Wir haben nur eine bestimmte Menge an Öl, und wir hatten irgendwie in den 70ern ja schon mal Peak Oil und dann in den 80ern Peak Oil usw. Und unsere Preismodelle basieren eben auf der Idee, dass es nur soundsoviel Öl gibt oder soundsoviel Kohle gibt. Und wir auch als Menschen, weil wir energieabhängig sind, wir brauchen Energie halt für alles, vom Kochen bis zum Heizen bis zum Gehtnichtmehr, kämpfen wir Kriege. Im Grunde kannst du fast jeden Krieg, den wir als Menschen geführt haben, darauf zurückführen, dass irgendwie am Ende Energie als Kernaussage dort stand. Jetzt guckst du dir an, was passiert bei den Renewables, und wie gesagt, interessanterweise getrieben von Deutschland, weil sich aus irgendeinem Grunde in den 90ern und den 2000ern Deutschland hingesetzt hat und gesagt: Wir wollen Weltmarktführer im Bereich Solar werden, gerade im Bereich Solar und dann Wind auch siehst du, dass die Energiepreise halt massiv fallen. Du hast jetzt 30 Länder in der Welt, wo ohne Subventionen der Preis für Solarenergie und Renewables unter 30 Cent die Kilowattstunde ist. 30 Cent die Kilowattstunde ist so der Richtwert, bei dem wir sagen: Das ist so die billigste Form von Energie, die wir im Moment haben. 30 Länder inklusive zum Beispiel Kalifornien, wo ich lebe. Was bedeutet, dass wir in so einen Bereich kommen, wo wir Energie im Grunde extrem günstig erzeugen können und auch extrem viel erzeugen können. Gerade mit Solar zum Beispiel kannst du, wenn du dir anguckst, wieviel Solarenergie auf die Erde einwirkt jeden Tag, und du guckst dir an, wieviel können wir davon verwenden, stellst du fest, dass wir im Grunde im Überfluss Energie haben. Was dann bedeutet, dass auf der einen Seite Kriege und die ganze geopolitische Situation, die damit zusammenhängt, im Grunde keinen Sinn mehr macht, auch wenn die aktuellen Politiker das noch nachsagen wollen, und du hast Trump zum Beispiel in den USA, der halt im Moment ja noch in Kohle tief investiert, was wenig Sinn macht. Du hast auf der andere Seite einige der wirklich großen Probleme sind energiebasiert. Wenn du zum Beispiel darüber nachdenkst, frisches Trinkwasser in Küstennähe, also die Desalinierung, das Salz aus dem Wasser herausholen, ist ein Energieproblem. Wenn ich genug Energie habe, kann ich das machen, bis die Kühe nach Hause kommen. Israel lebt davon. Israel hat fast das gesamte Wasser, was in Israel getrunken wird, ist Salzwasser, das eben desaliniert wurde. Es ist halt im Moment sehr teuer. Du änderst tatsächlich die ganze geopolitische Lage. Was dann nochmal spannend ist, wenn du darüber nachdenkst: Die Länder, die die meisten Sonnenscheinstunden am Tag haben, sind im Moment die ärmsten Länder in der Welt. Da mag sich vielleicht auch was ändern. Wenn du überlegst, dass zum Beispiel Serverfarmen, also Googles Serverfarmen, Energie brauchen, viel Energie brauchen, vielleicht sind die bald in Afrika. Also, da passiert eine ganze Menge und ganz, ganz spannende Dinge. Und ich glaube, Energie ist so eines dieser Themen, das halt uns alle betreffen wird in interessanter Weise.
Eines der Themen, das mich sehr berührt, ist: Es gibt dieses Problem, dass nach wie vor in den Entwicklungsländern etwa alle acht Sekunden ein Kind stirbt wegen nicht genug Nahrungsmitteln. In den gleichen acht Sekunden verkauft McDonald's 600 Hamburger, und nichts gegen McDonald's, aber es sind halt 600 Hamburger, die wir verkaufen in acht Sekunden. Und was ich interessant finde, ich habe mich in das Thema eingearbeitet: Das Problem ist behebbar, und zwar ist es behebbar mit einem, es gibt so einen Lösungsansatz, der wurde von den Ärzten ohne Grenzen entwickelt. Das heißt RUTF, das ist im Grunde Erdnussbutter, die in so kleinen Sachés ist, da sind Vitamine und Nährstoffe drin, die gibt man den Kindern über einen Zwei-Wochen-Zeitraum - und Überlebenschance für die Kinder: 100 Prozent. Das ist die einzige Medizin, die wir haben, 100 Prozent Überlebenschance.
Ein Freund von mir hat eine Fabrik für diese Erdnussbutter. Das ist ein gemeinnütziges Unternehmen in den USA. Die sind groß und einer der größten Hersteller von dem Zeug. Und ich habe ihn kürzlich gefragt: OK, das besteht nach wie vor. Es wird besser, aber es besteht nach wie vor. Wieviel Geld müssen wir als Gesellschaft global dafür ausgeben? Meine Annahme war, das muss ja riesig hoch sein, weil wir haben es nicht gelöst. Das Problem besteht nach wie vor. Und er guckt mich an und sagt: Sie hätten das mal ausgerechnet, relativ große Modelle gemacht, auch mit den United Nations und Unicef usw. und festgestellt: Es kostet ungefähr eine Milliarde US-Dollar. Eine Milliarde US-Dollar.
Es gibt jetzt etwa 7,4 Milliarden Menschen auf diesem Planeten. Die wollen alle Protein und brauchen alle Protein. Wenn du das tierisch herstellen willst, also vor allen Dingen Fleisch und dergleichen, hast du massive Probleme. Also, Kühe sind einer der größten Methan-Erzeuger, was eben zum Klimagas gehört, brauchen wahnsinnig viel Platz. Wir roden den Amazonas ab, um Kühe aufzustellen. Die brauchen wahnsinnig viel Wasser. Trinkwasser, was an anderer Stelle nötig ist. Ich glaube, was die Herausforderung für uns ist, dass wir halt unsere Kreativität und unser Wissen dafür einsetzen müssen, diese Themen zu lösen. Wir können die lösen. Du kannst heute schon Fleisch oder fleischähnliche Produkte in der Petrischale erzeugen. Die sind noch nicht gut, aber die werden irgendwann gut werden. Du kannst Farmen vertikal aufsetzen und in Containern halt große Mengen an Farmen erzeugen mit wenig Wasser, mit perfekten Nährstoffen. Wir können hingehen, und da ist auch meine persönliche Kritik an diesem Thema GMOs. Also, ich glaube, das ist missverstanden, und ich glaube auch, die Debatte ist falsch, weil die Debatte ist halt grundsätzlich: Nein! Keine GMOs für mich. Ich glaube, das ist eine sehr arrogante Sicht der Welt, weil das nämlich heißt: Mir doch egal, was mit dem Land passiert, solange ich meinen frischen Spargel bekomme oder was auch immer. Ich glaube, du hast in den Niederlanden zum Beispiel, an einer Universität dort gibt es Maiskolben, Mais, eines der Grundnahrungsmittel in vielen Ländern, der in Brackwasser wächst, also Salzwasser. Die haben aufgrund des Backlashs, also wegen dieser Gegenbewegung, die wir zu GMOs haben, trauen die sich nicht mal mehr, das auszuprobieren jetzt im Feld, weil die halt wissen, dass irgendwelche Aktivisten halt diese Felder zerstören und im Zweifelsfall halt die Hochschule anzünden. Ich glaube, das ist eine sehr arrogante Sicht der Welt, wenn du halt sagst: Das ist schön, wenn du dir halt leisten kannst, in den USA in den Wholefoods zu gehen oder hier irgendwie in den Gemüsemarkt zu gehen oder auf dem Wochenmarkt einzukaufen. Und Nahrung ist halt nicht nur Grundnahrung. Nahrung ist, was wir sind als Menschen. Das heißt irgendwie, was wir in unseren Körper reinpacken, ist halt, was unseren Geist, unseren Körper antreibt und wahnsinnig wichtig. Und ich glaube, wir müssen da halt und können auch einfach mal ganz neue Standards setzen und irgendwie uns dahinsetzen und sagen: Was können wir machen kollektiv, um eben diese Probleme zu lösen? Wir können sie lösen!