Sascha Pallenberg: Ein Tech-Blogger bei Daimler

"Du kannst den tollsten Content haben, wenn es keiner mitkriegt, dann hast du ein Problem."

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Sascha Pallenberg: Ein Tech-Blogger bei Daimler (Video)
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Sowas nennt man einen Kulturschock: Aus dem hippen Netzzirkus ist Blogger Sascha Pallenberg in einen Automobilkonzern mit seit 180 Jahren gewachsenen Strukturen gewechselt. Wie ist das denn so bei Daimler – und was macht guten Tech-Journalismus eigentlich aus?

Das Gespräch wurde am Rande der re:publica 2017 in Berlin aufgezeichnet.
 

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Autor: Timur Diehn
Produktion: Webclip Medien Berlin
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Transkript des Videos

Tech hat 'ne ganze Menge mit Leidenschaft zu tun.

Dass es nicht so pupslangweilig sein muss, sondern dass es ja unterhaltend ist. Nenn' das mal Techtainment fast. Ich habe ein großes Vorbild da, das ist der Mike Magee aus England, der hat The Register und The Inquirer mitgegründet. Und der hat investigativen Tech-Journalismus betrieben mit so einem kleinen Tabloid-Spin obendrauf. Also, jetzt wirklich nur 'nen kleinen. Und das wurde dadurch unterhaltsam. Und das hat mir sehr, sehr gut gefallen und sehr, sehr imponiert, und von dem habe ich sehr, sehr viel lernen können.

Transparenz gehörte dazu. Ehrlichkeit und Offenheit gehörte dazu. Direktheit. Nicht um den heißen Brei herum zu reden. Subjektivität gehörte dazu. Ich halte Objektivität für eine wahnsinnige Heuchelei in unserer Welt. Das Einzige, was objektiv ist, das sind die Lottozahlen, weil da gibt es einfach keine zwei Meinungen. Wir können uns über  0:0, je nachdem, was für eine Mannschaft du unterstützt und welcher Anhänger ich bin, können wir uns wahrscheinlich über ein 0:0 vortrefflich unterhalten und kommen auf völlig andere Perspektiven und Resultate. Transparenz, diese Ehrlichkeit und diese Direktheit, ab und zu vielleicht auch mal ein bisschen lauter zu sein. Diese Sachen, das wurde mir dann am Anfang auch öfters mal vorgeworfen: Man zählt nicht einen Kollegen so in der Öffentlichkeit an. Das ist nicht mein Kollege, wir arbeiten nicht im gleichen Team, und er hat doch den Mist verzapft da. Deswegen kritisiere ich ihn jetzt entsprechend. Und ich kann ja schlecht sagen: Das hat seine Oma geschrieben, wenn er es war. Damit muss man leben. Wenn du dich in die Öffentlichkeit begibst, dann musst du mit Kritik leben. Und ich glaube, das war so dieser Punkt, an der diese Plattform, die wir zusammen mit dem Team betrieben haben, einfach eine Chance hatten und immer noch haben, eine entsprechende Aufmerksamkeit zu bekommen und eine Relevanz in einer für uns wichtigen Zielgruppe zu erreichen.

Wir leben in dieser wahnsinnigen zahlengetriebenen Reporting-Welt. Mehr ist mehr, und wenn dann noch 'ne Zahl mehr ist vor den Views usw., die irgendwo auf YouTube, Instagram und haste-nicht-gesehen abgehen, dann finden die das einfach geiler. Aber was kommt denn hinten dabei raus? Konvertiert das in irgendetwas? Verkaufe ich dadurch mehr? Macht ihr irgendwelche Nullmessungen da drauf? Das ist, glaube ich, sehr, sehr spannend. Und wir lassen uns zu sehr blenden von ganz, ganz vielen Zahlen, die da draußen sind. Relevanz ist das Zauberwort. Relevanz ist aber schwierig zu messen. Ich muss so ein paar A/B-Tests machen, wie gesagt, ein paar Nullmessungen usw. und muss einfach schauen, in welche Richtung das geht. Ich glaube, dass du ganz genau gucken musst: Wen möchte ich erreichen? Wo sind die Daten dazu? Du kannst genau gucken: Wie alt ist die größte Gruppe auf Snapchat, Instagram usw. Du kannst dir dann da anschauen: Wie sind die Reichweiten von den verschiedenen? Was haben die für Einkommen? Es ist ja mittlerweile alles mehr oder weniger gläsern. Und dann suchst du dir das richtige raus, und da machst du es dann richtig. Ist das Instagram, ist das Facebook, ist das YouTube, ist das YouNow? Ich weiß es nicht.

Wir machen ja kein Content Marketing. Wir machen Kommunikation, fundamentale Unternehmenskommunikation. Wo es darum geht: Was sind denn für Themen wichtig für uns in ein, zwei, drei, vier, fünf Jahren? Das ist ja gerade nochmal ein bisschen spannender, weil diese Industrie in diesem Umbruch ist. Weil wir sagen: Wir wollen ab 2025 zwischen 15 und 25 Prozent unserer Plattform vollelektrisch betreiben. Das ist nicht so ohne. Und ich glaube, hier ist einfach wichtig, offen zu sein, zu lernen, wie Kommunikation im Web abläuft, wie schnell es geht. Dass, ja, Content nach wie vor King ist, aber Distribution letztendlich god almighty. Weil ohne einen richtigen Distributionskanal, du kannst den tollsten Content haben, wenn es keiner mitkriegt, dann hast du ein Problem. Dann schieben sie dich dann irgendwie auf ZDFinfo nachts um 3:45 Uhr. Und du denkst: Ja, meine Güte, warum wird das nicht in der prime time gespielt? Weil das so wertvoll ist, was da gerade gesagt wird.

Es ist ja ein Kulturschock für beide Seiten. Das ist für mich ein Kulturschock, in eine Firma zu kommen mit über 280.000 Angestellten, mit über 130 Jahre zum Teil gewachsenen Strukturen. Genauso ist das für die ein Kulturschock, dass da einer reinkommt, der den Dresscode nach unten hin so ein bisschen abrundet und einfach auch mal ein bisschen schneller reagiert. Das ist ja das Schöne. Auch da findet ja sofort der Austausch statt. Wir ergänzen uns. Ich möchte das jetzt schwerlich zu einer Werbeveranstaltung hier verkommen lassen, aber ich bin ganz, ganz stark beeindruckt davon, wie Menschen, die viele, viele Jahre in der Unternehmenskommunikation bei dieser Firma sind, auf einmal loslassen können und zuhören. Uns sagen: Ja! Es gibt einen schönen Satz vom Steve Jobs, der hat mal irgendwie vor 15 Jahren gesagt: Hör mal, wir holen uns doch hier keine Talente in die Firma, damit wir denen sagen, wie sie zu arbeiten haben. Nein, die sollen uns erzählen, wie wir zu arbeiten haben. Deswegen holen wir uns die Experten da rein. Und das habe ich hier erlebt. Ja, ich muss ganz, ganz viel da lernen, weil ich ja auch die Strukturen begreifen muss: Wer ist hier für was zuständig? Wie sind eure Prozesse? Und das ist alles nicht so ohne. Aber genauso geben sie mir die Chance, einfach meine Perspektive reinzubringen. Und sie hören zu. Es fängt ... für beide Seiten hat das eine ganze Menge auch mit Zuhören zu tun.