Bildungssystem

Die Grenzen des Bildungssystems verschieben

Kopfhörer und Handy
Foto: Stifterverband
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Bildung in Schule, Hochschule und Ausbildung müsse dringend neu gedacht werden. Manuel Dolderer sagt es ernst und weiß als Gründer einer privaten Hochschule nur zu gut, welche Herkulesaufgabe er damit anspricht und was sie in der Praxis bedeutet. 

Er entwickelte als Gründungspräsident das Lehr- und Lernkonzept und die Curricula der privaten, staatlich anerkannten CODE University of Applied Sciences maßgeblich mit. Dort gibt es reale Projekte statt Vorlesung und anstelle von Noten steht Feedback zum Lernfortschritt im Vordergrund. Es sind nur zwei Besonderheiten von vielen, die an dieser Hochschule gelebt werden.

Für Dolderer waren es sechs aufregende Jahre als Hochschulpräsident: von der Gründung der CODE im Jahr 2017 bis 2023. Im Durchfechter erzählt er von Höhen und Tiefen aus dieser Zeit. Und davon, wie er und seine Mitgründer Thomas Bachem und Jonathan Rüth sich in die Graubereiche des Bildungssystems vorwagten. Das Studium an der CODE ist durchzogen von projektbasiertem Lernen und von Neugier getriebenem Lernen - was deutschlandweit in diesem Umfang außergewöhnlich ist. 

„Je mehr Menschen sich fragen, was sie wirklich gestalten wollen und sich im Zweifel eher hinterher entschuldigen als vorher um Erlaubnis zu fragen, desto schneller kommen Dinge in Bewegung.“

Manuel Dolderer
Manuel Dolderer (Foto: CODE)
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Manuel Dolderer
Hochschulgründer

Hier zeigt sich Manuel Dolderers Stärke: „Man kann entweder sagen: Ja, ist schon alles reguliert, alles vordefiniert und ich habe keinen Gestaltungsspielraum.“ Oder aber man könne aktiv nach dem Gestaltungsspielraum suchen. Und genau das hat er getan.

Gestalten ist „sein Ding“, das merkt man schnell und zieht sich wie ein roter Faden durch sein Leben. Über Umwege, wie die Schauspielerei, fand der Bildungsreformer in die Welt der Hochschulleitung. Dort gibt es innerhalb der bestehenden Regularien erstaunlich viele Freiräume. Das erzählt  Dolderer im Podcast.

Deshalb möchte er anderen Mut machen, genauer hinzuschauen und an den Grenzen der Vorschriften zu experimentieren, wie er es im Gründungsprozess der CODE getan hat: „Ich glaube, je mehr Menschen genau mit dieser Haltung daran gehen, sich zu fragen, was will ich eigentlich wirklich gestalten und im Zweifel sich eher hinterher entschuldigen als vorher um Erlaubnis fragen, desto schneller kommen Dinge in Bewegung.“

Dass Bildungsangebote an Hochschulen, aber auch an Schulen und Ausbildungsstätten dringend neu gedacht und durch bessere ersetzt werden müssen, steht für den Hochschulgründer außer Frage: „Weil wir sonst eine ganze Generation Kinder und Jugendliche an eine Zukunft verlieren, die sie überfordert.“ Er beobachte diese Entwicklung schon überall: „Und diese Überforderung führt zu Angst und Rückzug und zu einer Art von Denken, die wir nicht wollen und uns als Gesellschaft auch nicht leisten können.“

Sie ist unübersehbar da, die sogenannte VUKA-Welt, die sich durch Krisen, Digitalisierung und damit einhergehenden Transformationen rasch verändert. VUKA steht hierbei für Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Ambiguität. 

Seit Jahrzehnten wird darauf hingewiesen, auch vom Stifterverband, dass in dieser Welt die klassischen Bildungsangebote nicht mehr gut funktionieren. Vor allem deshalb, weil diese althergebrachten Angebote Schülern, Auszubildenden und Studierenden hauptsächlich Wissen vermitteln und bei ihnen kaum wichtige Kompetenzen ausbilden. Das sind zum Beispiel Kreativität, kritisches Denken, ein positiver Umgang mit dem Scheitern, Teamfähigkeit oder unternehmerisches Handeln. 

Was die nachwachsende Generation brauche, so Dolderer, sei ein großes Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten, in die eigene Gestaltungskraft und jede Menge Neugier und Mut, um die Herausforderungen unserer Zeit anzunehmen.

Deswegen findet der Hochschulgründer den projektbasierten Lernansatz so spannend. Im Podcast beschreibt er diesen Ansatz als „Spielwiese für die Erfahrung von Selbstwirksamkeit“. 

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Illustration: Sven Sedivy
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Durchfechter-Podcast

Mit Manuel Dolderer als 45. Gast kommt diese Podcast-Serie jetzt an ihr Ende. Und damit schließt sich auch ein Kreis, denn Thomas Bachem - ein weiterer Mitgründer der CODE University - war 2018 unser erster Gast. Seitdem haben uns 40 weitere bildungsbegeisterte Weltveränderer und Entrepreneure von Ihren Ideen, ihren Hoffnungen und ihren Zielen erzählt. Alle Episoden sind online abrufbar - denn sie sind nach wie vor unbedingt hörenswert.  Insofern ist diese Podcast-Serie auch als ein kleines Audio-Archiv zu guten Bildungsideen zu betrachten. Möge es intensiv genutzt werden. 

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Die Effekte seien wirklich verblüffend, die er damit an der CODE beobachtet habe: „Diese Art des Lernens fordert die Studierenden heraus, sich Probleme zu suchen, die sie für irgendwie sinnvoll halten und die ihnen auch persönlich etwas bedeuten. Um dann zu überlegen: Was kann ich eigentlich zu einer Lösung beitragen und wie gehe ich das an?“

Nicht umsonst heißt ein Slogan der CODE University: Wir bilden die digitalen Pioniere von morgen aus! Wer dort studiere, lerne laut Dolderer sehr schnell: „Technologie ist keine Bedrohung, sondern ein Werkzeug und sogar ein ziemlich mächtiges Werkzeug! Und das kann ich nutzen, um Dinge zu schaffen, Probleme zu lösen, Produkte zu bauen und mein eigenes Leben zu gestalten.“

Die hohe Zahl der Gründerinnen und Gründer hat ihn dann doch erstaunt. „Jeder 10. Studierende an der CODE University gründet schon während des Studiums“, sagt Manuel Dolderer. Das sei wirklich großartig! Aber darauf musste auch er sich zunächst einstellen. Denn die Frage, wie man ein Lehrkonzept einer Hochschule aufsetzt, das diese Doppelaktivität bestmöglich unterstützt, war wieder eine dieser Herausforderungen, die zunächst als unmöglich erschien.

Beim „Code+Design Camp“ in der Münchner Freiheiz-Hall, 2017
Foto: CODE
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Beim „Code+Design Camp“ in der Münchner Freiheiz-Hall
Beim „Code+Design Camp“ im Kölner Balloni
Foto: CODE
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Beim „Code+Design Camp“ im Kölner Balloni

Nun ist Studieren und parallel Gründen an der CODE sehr gut möglich - wie genau, das erläutert Dolderer im Podcast. Dort verrät er auch, wie es für ihn weitergehen soll. Den Posten als Präsident gab Manuel Dolderer ab, denn er ist und bleibt ein Reformer, der Neues angehen möchte. Das heißt nicht, dass er der CODE University den Rücken zukehrt, im Gegenteil. 

Wer einmal etwas anstößt, der findet dabei viele neue Ideen und Aufgaben, die angegangen werden sollten, wie etwa der Weiterbildungsbereich in der Unternehmenswelt. „Dort geht es nicht mehr bloß darum, Leuten bestimmte Dinge beizubringen, wie sie mit einer Software oder einem Produkt oder einer Maschine anders arbeiten können. Sondern wir müssen den Menschen helfen, eine andere Geisteshaltung zu entwickeln“, sagt Dolderer. Denn viele Berufstätige empfänden die aktuellen Veränderungen, insbesondere die technologischen Veränderungen, als Bedrohung und könnten sich deswegen gar nicht offen damit auseinandersetzen.

„Es geht nicht mehr bloß darum, Leuten beizubringen, wie sie mit einer Software anders arbeiten können. Sondern wir müssen den Menschen helfen, eine andere Geisteshaltung zu entwickeln.“

Manuel Dolderer
Manuel Dolderer (Foto: CODE)
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Manuel Dolderer
Co-Gründer der CODE University

Manuel Dolderer zieht es immer wieder auch in den nicht akademischen, nicht formalen Bildungsbereich. Ein Herzensprojekt von ihm ist die Initiative code+design. Sie organisiert bundesweit mehrtägige Camps für Jugendliche, wo diese sich im Programmieren, Designen und Hacken ausprobieren können. Noten oder ein Schulabschluss sind dabei völlig egal, erklärt der Bildungsexperte: „Wir versuchen insbesondere chancenbenachteiligte Jugendliche zu erreichen, die diese Erfahrung sonst nicht machen könnten.“ 

Da ist sie wieder, die Selbstwirksamkeit. Für Manuel Dolderer ist diese Erfahrung das Allerwichtigste, was Menschen aus Bildungszusammenhängen mitnehmen sollten. Denn darauf baue alles andere auf. 

Vorschaubild für das Videogespräch von Volker-Meyer-Guckel und Manuel Dolderer. Es zeigt beide im Gespräch, ergänzt mit einer kurzen Überschrift des Gesprächs.
Screenshot: Stifterverband
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Volker Meyer-Guckel im Gespräch mit Manuel Dolderer

Die Gestalter

Wir brauchen neues Wissen und neue Formen der Zusammenarbeit, die in innovative Produkte und Geschäftsideen münden. Wie sich Hochschulen dafür wandeln müssen, was projektbasiertes Lernen damit zu tun hat und wie man den Gründergeist von jungen Menschen wecken kann, darüber spricht Stifterverbands-Generalsekretär Volker Meyer-Guckel mit Manuel Dolderer, Gründer der CODE University im der Videoreihe „Die Gestalter“.

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