Erst als Bomben auf Teheran fielen, ließen ihre Eltern Jasmin Taylor gehen. Die Entscheidung zur Flucht sei vielleicht ihr erster unternehmerischer Schritt gewesen, sagt Taylor heute. Inzwischen leitet sie ein millionenschweres Reiseunternehmen in Berlin. Sie verkörpert den Aufstieg vom Flüchtlingskind zur Selfmade-Unternehmerin. Mit ihrem Wissen will sie geflüchtete Frauen in einem Patenprogramm bei ihrem Neustart in Deutschland unterstützen; einem Neustart, wie sie ihn sich selbst gewünscht hätte.
Chancengerechtigkeit
Bildung für Flüchtlinge

„Als ich kam, gab es keine Integrationsangebote für Flüchtlinge“

Dass sich etwas ändert, spürt auch die Reiseunternehmerin Taylor. Als sie Mitte der 1980er-Jahre in Deutschland ankam, hatte die damals 17-Jährige nichts außer 500 Mark in ihrer Tasche. Während des Sprachkurses arbeitete sie als Zimmermädchen in Hotels. Am Gymnasium überzeugte sie die Lehrer, sie zur Probe am Unterricht teilnehmen zu lassen. Wenige Monate später schaffte sie die Klausuren und durfte bleiben. „Damals gab es in Deutschland kaum Integrationsangebote für Flüchtlinge“, erinnert sich Taylor. Flüchtlinge am Gymnasium waren die große Ausnahme.
In Schulklassen willkommen
Heute gibt es viele Vorbereitungsklassen für junge Flüchtlinge, allein in Berlin inzwischen mehr als tausend. In der Oberstufe besucht jeder dritte Flüchtling eine Willkommensklasse an einem Gymnasium. Dort lernen sie zuerst die deutsche Sprache und wechseln dann Schritt für Schritt in den Regelunterricht mit den anderen Schülern: zuerst in Sport, später in Mathe, dann auch in den übrigen Fächern.
Viele Länder haben damit begonnen, neue Lehrer für die Flüchtlingsintegration einzustellen. Etwa 100.000 schulpflichtige Flüchtlinge sind im vergangenen Jahr nach Deutschland gekommen. Bis zu 14.000 zusätzliche Lehrer seien nötig, um sie zu unterrichten, schätzt die Kultusministerkonferenz. Nicht nur die jungen Flüchtlinge, auch andere Schüler profitieren davon, denn die meisten zusätzlichen Lehrkräfte werden in allgemeinen Klassen eingesetzt. Mehr Lehrer heißt am Ende: besserer Unterricht. Und wenn mehr Wert auf Sprachvermittlung gelegt wird, profitieren davon auch Schüler mit Migrationshintergrund, die schon länger oder immer in Deutschland leben.
Eine Zukunft aufbauen
Nicht nur an die Gymnasien, auch an die Hochschulen zieht es immer mehr Flüchtlinge. So wie den 18-jährigen Mohammed Jajan aus Syrien. Sein charmantes Lächeln und seine hellwachen Antworten lassen kaum Zweifel daran, dass er sein Ziel erreichen kann. Noch arbeitet er allerdings im Café des ehemaligen Flughafens Tempelhof, einer der größten Flüchtlingsunterkünfte Berlins. Hier leben rund 1.500 Flüchtlinge in leeren Flugzeughangars, die durch Trennwände in kleine Wohneinheiten aufgeteilt sind.
Mohammed gehört zu einer neuen Generation von Flüchtlingen, die ein ziemlich klares Bild von ihren Chancen in Deutschland haben. „Ich bin nicht wegen des Geldes hergekommen. Deswegen will ich auch keine Ausbildung machen. Ich möchte in Deutschland studieren und mir hier eine Zukunft aufbauen.“ Die meisten Fragen auf Deutsch versteht Mohammed nach einem Jahr schon ohne Übersetzer. In Syrien hat er Abitur gemacht, Zeugnisse hat er allerdings keine. Wie er so einen Studienplatz bekommen will, weiß er auch noch nicht genau. Zuerst muss er ohnehin noch seinen zweiten Deutschkurs zu Ende bringen.
Trotz ihres Interesses kommen Flüchtlinge bislang nur spärlich an den Hochschulen an, stehen vor einem Studium doch sprachliche und bürokratische Hürden, die kaum zu überwinden sind. Dennoch rechnet die Bundesregierung in den nächsten drei Jahren mit bis zu 70.000 Bewerbungen von Flüchtlingen. Die Initiative Kiron Open Higher Education, ein soziales Start-up aus Berlin, soll möglichst vielen von ihnen ein Studium ermöglichen. Dank Kiron könnte zum Beispiel der Flüchtling Mohammed jetzt schon Zugang zu Onlinekursen an verschiedenen deutschen und internationalen Hochschulen bekommen. Nach zwei Jahren könnte er dann den Sprung an eine richtige Hochschule versuchen und sich die bisherigen Leistungen anrechnen lassen. Aber was ist, wenn er bis dahin noch immer keine Zeugnisse vorweisen kann? Dann müsste er wahrscheinlich trotzdem sein Abitur an einer Abendschule nachholen. Flexible Lösungen für Flüchtlinge sind an den Hochschulen immer noch selten.
