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KI Skills · Innovationssystem

Die große KI-Chance Deutschlands

Richrd Socher (Porträt)
Collage: Video-Screenshot/ David Ausserhofer

All die unterschiedlichen Krebsarten heilen, revolutionäre Batterietechnologien entwickeln oder die Sprache der Proteine verstehen und anwenden. Mithilfe der KI wird all dies möglich, ist Richard Socher überzeugt: „Weil KI die Dinge milliardenfach ausprobieren kann.“

Seine Vision stellte der KI-Experte jüngst beim traditionellen Abendessen des Stifterverbandes mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue vor. Socher hofft, dass Deutschland bei der KI in der Forschung ganz vorn mitspielen kann: „Hierfür habe ich Ideen, wie sich fundamentale KI-Modelle tiefer und grundlegend mit den Naturwissenschaften verknüpfen lassen.“

Das lässt aufhorchen. Denn der Gründer und CEO von you.com, einem konversationsorientierten  KI-Assistenten, gilt weltweit als disruptiver Vorreiter. Socher stammt aus Dresden und lebt im Silicon Valley. Er hat als einer der Ersten zur Sprachverarbeitung mittels neuronaler Netze und deep learning geforscht. Später war er Chefwissenschaftler beim Softwarespezialisten Salesforce. Mit der von ihm gegründeten AIX Ventures investiert der KI-Experte selbst in Start-ups und gibt sein Wissen als Mentor weiter.

Schon als Doktorand entwickelte Richard Socher mit seinen zwei Doktorvätern an der Universität Stanford 2014 Herausragendes: das Prinzip der Large Language Models (LLMs) zum sprachlichen Trainieren von KI. Solche Modelle machten ChatGPT erst möglich.

2014 waren LLMs allerdings höchst umstritten und etablierte KI-Spezialisten lehnten Sochers wissenschaftliche Paper damals reihenweise ab. Kein Wunder, denn seine Forschungsarbeit war disruptiv. Was er erfand, ließ die Entwicklungsleistung der Kolleginnen und Kollegen über Nacht alt aussehen. Mittlerweile wurden Sochers wissenschaftliche Veröffentlichungen über 180.000 Mal zitiert.

Richard Socher beim Vortrag
Foto: David Ausserhofer

„Wenn wir eine menschliche Zelle komplett simulieren können, dann können wir mithilfe der KI auch alle Probleme rund um eine Zelle lösen.“

Richard Socher
KI-Forscher

Auch wenn Deutschland bei der KI bislang international nur wenig mitgestalte, ließe sich das ändern, glaubt Richard Socher. Im Videointerview des Stifterverbandes (siehe unten) erläutert er, was es dafür braucht. Die Voraussetzungen hierzulande seien mit der starken exzellenten naturwissenschaftlichen Forschung und modernsten Robotik ideal.

Es geht darum, dass künstliche Intelligenz Prozesse mit von Wissenschaftlern entwickelten Simulationen und Daten aus unterschiedlichen Disziplinen milliardenfach ausprobieren kann. „Wenn wir eine menschliche Zelle komplett simulieren können, dann können wir mithilfe der KI auch alle Probleme rund um eine Zelle lösen“, sagt Richard Socher. Das werde die Biologie revolutionieren.

Denn das lernende System ist dann nicht mehr nur auf die menschliche Sprache begrenzt, wie im Falle der LLMs. Und auch nicht bloß auf Bilddaten, wie bei Computer Vision, wo KI Informationen aus digitalen Bildern, Videos und anderen visuellen Eingaben ableitet. Man kennt Computer Vision aus der Medizin, wo Ärzteteams CT-Scans und Röntgenbilder mithilfe von KI schneller und genauer analysieren können als nur mit dem bloßen Auge und dem eigenen Sachverstand.

Vortrag Richard Socher
Foto: David Ausserhofer
Richard Socher (links, mit Stifterverbandspräsident Michael Kaschke) während seines Vortrages im Schloss Bellevue ...
Richard Socher im Gespräch mit Bundespräsident Steinmeier
Foto: David Ausserhofer
... und im Gespräch mit Bundespräsident Steinmeier (l.)

Worüber Richard Socher spricht, hebt die Möglichkeiten der KI auf eine höhere Stufe. Die KI könnte dann mithilfe komplexer Datenströme und Simulationen alle möglichen „Sprachen“ lernen und anwenden, die der Mensch gar nicht kennt oder sieht: wie etwa die Sprache der Proteine oder die des Mikrobioms im Darm des Menschen.

Man versteht dann nicht nur, wie sich dieses oder jenes Bakterium im Darm verhält, sondern wie das Zusammenspiel aller Bakterien, aller Komponenten eines Mikrobioms sich verhält und wie es variiert werden kann. Und diese Möglichkeiten sind längst nicht nur auf die Medizin beschränkt.

Das klingt sehr vielversprechend und lässt die Chancen für Innovationen erahnen. Socher sagt voraus, dass sich deshalb der Fortschritt in der Forschung immens beschleunigen wird.

In Bezug auf Deutschland hat der 41-Jährige natürlich auch die Hürden im Blick, wie die hohe Bürokratie, die zu enge disziplinäre Ausrichtung der Naturwissenschaften oder die fehlenden KI-Kompetenzen in der Wissenschaft und Wirtschaft. Doch Socher wäre nicht Socher, wenn er all das als Hindernis sähe.

Ihm ist klar, dass es auch eine Neuerung in der Forschungslandschaft braucht. Genaueres erzählt er im Videointerview. Wichtig sei, damit zeitnah loszulegen, sagt der KI-Entwickler: „Ich habe an vielen Stellen Ideen entwickelt, aber man musste diese Ideen schnell implementieren und zeigen, dass es funktioniert.“

Den Hochschulen rät Socher, ihre Curricula für Informatik mit Blick auf die KI zu überarbeiten. Schon an den Schulen sollte es weit mehr Programmierung und auch Technologie-Optimismus geben. „Meine Nichte und mein Neffe in Bayern müssen immer noch Latein oder Altgriechisch lernen, aber nicht Python. Also es macht dann auch irgendwann keinen Sinn mehr“, so Socher. An den Hochschulen sei es sehr wichtig, dass mehr Studierende Firmen ausgründen können.

Der Erfolg mit you.com lässt den Wahlkalifornier optimistisch in die Zukunft schauen. Hier bekommt er als CEO von vielen Menschen zurückgemeldet, wie die von you.com konzipierten generativen KI-Agenten Prozesse in Firmen, Presseagenturen, Medienhäusern, Universitäten oder Forschungsgruppen beschleunigen können. You.com verbindet die Vorteile der KI mit verlässlichen Quellenangaben und sicheren Datenräumen. Auch darüber erzählt Socher im Videointerview (siehe unten).

„Meine Nichte und mein Neffe in Bayern müssen immer noch Latein oder Altgriechisch lernen, aber nicht Python. Also es macht dann auch irgendwann keinen Sinn mehr.“

Richard Socher
Gründer von you.com

Was ihn fasziniert: „Wir arbeiten jetzt schon auf unglaublich hohen Abstraktionsebenen. Aber wenn wir die KI haben, braucht man nur noch die guten Ideen und dann die Fähigkeit, evaluieren zu können, ob die Resultate der KI gut sind.“ Das bedeute, dass man die Grundlagen immer noch gut verstehen und lernen müsse. Denn man könne gewisse Ideen natürlich nur haben, wenn man die Grundbausteine im Kopf habe.

Mit der KI bestehe jetzt die Chance, die Naturwissenschaften quasi in Ingenieurwissenschaften umzuwandeln, so Socher. Was er damit meint: „Es ist superwichtig und interessant zu verstehen, wie sich Krebs im Körper kreiert. Aber es ist interessanter, wenn wir den Krebs heilen können.“

Die Forschung sei bislang gut darin gewesen, die Welt und die Dinge im Kleinen zu verstehen, erklärt er weiter. Jetzt aber könne alles auf die bereits beschriebene höhere Ebene gehoben werden: indem man hochkomplexe interdisziplinäre Fragestellungen mithilfe entsprechender KI-Modelle angehe und löse. Dafür erfand Socher den Begriff „Eureka-Maschine“.

Warum sollte diese Maschine nicht made in Germany sein? Richard Socher jedenfalls hält sie für möglich und hofft, dass sie gelingt.

Titeltafel Video
Titeltafel Video Socher

Richard Socher im Interview

Richard Socher war im Januar 2025 zu Gast beim Stifterverband. Er referierte über neueste Entwicklungen in der KI bei einem gemeinsamen Abendessen mit dem Vorstand des Stifterverbandes, in dem die wichtigsten deutschen Unternehmens-Vorstände und die Chefs der großen Wissenschaftsorganisationen Deutschlands versammelt sind. Das Video wurde in der Berliner CODE-University aufgenommen. (Produktion: C. Niebuhr)

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