Skip to main content
Meinung

Science Entrepreneurship

Start-ups als Wachstumsmotor

Büromeeting
Foto: iStock/ skynesher

Deutschland steht vor einer doppelten Herausforderung: Wachstumsimpulse bleiben aus und die internationale Wettbewerbsfähigkeit gerät zunehmend unter Druck. Während technologischer Wandel, geopolitische Spannungen und ökonomische Transformationen neue Spielregeln für wirtschaftlichen Erfolg definieren, reicht es nicht mehr aus, allein auf bestehende industrielle Stärken oder inkrementelle Innovationen zu setzen. Es braucht neue Unternehmen, neue Technologien und neue wirtschaftliche Dynamik kurz: Es braucht Innovationen aus der Wissenschaft.

Die politische Bedeutung von Start-ups als Wachstumstreiber wird zwar immer wieder öffentlich betont, aber institutionell zu selten eingelöst. Insbesondere wissens- beziehungsweise forschungsintensive Gründungen besitzen das Potenzial, nicht nur neue Märkte zu schaffen, sondern auch bestehende Wertschöpfungsketten zu transformieren (Gebert et al. 2025; Bundesverband Deutsche Startups 2024). Denn aus Forschung entstehen Innovationen, aus Innovationen entsteht Produktivität und aus Produktivität entsteht Wachstum. Insbesondere im Bereich Deeptech sind forschungsbasierte Gründungen Treiber von Innovationen und Transformation. Ihre Bedeutung wächst auch angesichts geopolitischer Unsicherheiten: Wollen Deutschland und Europa ihre technologische Souveränität stärken, muss die Abhängigkeit von externen Akteuren bei strategischen (Zukunfts-)Technologien abgebaut werden. Auch weil Deutschland beim Aufbau digitaler Plattformen im internationalen Vergleich ins Hintertreffen geraten ist, kommen Deeptech-Innovationen eine umso zentralere Rolle zu. In diesem Bereich liegen große Chancen: Deutschland rangiert europaweit auf Platz 2 beim Spinout Value seiner Deeptech-Start-ups, während deutsche Hochschulen mit der zweithöchsten Anzahl an Patenten zu den innovativsten in Europa gehören (Dealroom 2025). Voraussetzung, diese Chancen zu nutzen, ist jedoch eine strategischere Förderung: Deeptech braucht einen langen Atem, koordinierte Partnerschaften zwischen Hochschulen, Transferakteuren und Kapitalgebern sowie gezielte Unterstützungsstrukturen, die sich an den Entwicklungszyklen dieser Technologien orientieren.

Solche wissenschaftsbasierten Gründungen entstehen an der Schnittstelle von Forschung, Unternehmen und gesellschaftlichen Herausforderungen. Sie beruhen auf komplexem Know-how, technologischen Durchbrüchen und entstehen häufig in zukunftsrelevanten Technologien wie Künstlicher Intelligenz, Biotechnologie oder Quantentechnologie. Im Vergleich zu forschungsstarken Ländern wie Israel, den USA oder Großbritannien gelingt es aber in Deutschland bislang nicht ausreichend, wissenschaftsbasierte Ausgründungen entstehen und durch Wagniskapital wachsen zu lassen. Die Gründe dafür sind strukturell und politisch adressierbar.

Das strukturelle Defizit an deutschen Hochschulen ist der Schritt von der Forschung in den Markt. Zwar steigt die Zahl der Ausgründungen aus Hochschulen in Deutschland stetig laut Gründungsradar des Stifterverbandes von 2021 bis 2023 um 5,3 Prozent pro Jahr (Kessler et al. 2025) - doch gemessen an der Forschungsstärke Deutschlands ist der Output niedrig. Dies hat Folgen für die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands. Das Hauptproblem: Gründungsunterstützung ist in Hochschulen kein strategisches Kernelement, sondern ein Randbereich mit geringer Planbarkeit. Rund zwei Drittel der eingesetzten Mittel für die Gründungsförderung stammen aus projektgebundenen öffentlichen Drittmitteln. Dieser dominante Anteil staatlicher Finanzierung schafft kaum Anreize zur Einwerbung privaten Kapitals entsprechend liegt dessen Anteil bei lediglich 8,3 Prozent. Das hat nicht nur haushälterische Konsequenzen, sondern wirkt sich auch negativ auf die Zusammenarbeit mit Unternehmen aus: Wertvolle Netzwerke, Praxis-Know-how und potenzielle Co-Investoren bleiben für viele Gründungsprojekte außen vor. Hinzu kommt: Die Hochschulen selbst leisten nur einen minimalen Beitrag zur Finanzierung - durchschnittlich fließen gerade einmal 0,25 Prozent der Hochschulhaushalte in die Gründungsförderung. Dazu kommen unklare oder konfliktanfällige Regelungen zum geistigen Eigentum, mangelnde institutionelle Anreize für Transferengagement und eine aus Gründungsperspektive oft abschreckende Verwaltungslogik.

Volker Meyer-Guckel (Foto: Damian Gorczany)
Volker Meyer-Guckel (Foto: Damian Gorczany)

„Die politische Bedeutung von Start-ups als Wachstumstreiber wird zwar immer wieder öffentlich betont, aber institutionell zu selten eingelöst.“

Volker Meyer-Guckel
Generalsekretär des Stifterverbandes

In den USA wird mit der Initiative Regional Innovation Engines seit 2023 gezielt der Aufbau regionaler Innovationsökosysteme gefördert, indem Hochschulen, Unternehmen und öffentliche Akteure langfristig vernetzt und unterstützt werden. Israel kombiniert staatliches Wagniskapital mit einer starken Technologietransferinfrastruktur und baut gezielt wissenschaftsbasierte Innovationscluster auf. In den Niederlanden wurden einheitliche Standards für IP-Transfer und Spin-off-Beteiligungen eingeführt, um Planungssicherheit und Transparenz zu schaffen (Kulicke 2023). Und in Großbritannien existieren leistungsfähige universitätsnahe Seedfonds, die Gründungen aus der Wissenschaft mit Risikokapital versorgen, bevor private Investoren einsteigen. Entscheidend ist: Diese Maßnahmen sind nicht additiv, sondern systemisch gedacht sie stärken ganze Innovationsökosysteme, nicht nur einzelne Projekte.

Deutschland hat lange über öffentliche Förderung (EXIST-Programme) Gründungen in der Breite unterstützt jetzt gilt es aber, weiter zu denken und nicht alle etwas, sondern wenige starke Ökosysteme in Deutschland und Europa nach vorne zu bringen.

Genau hier liegt das Potenzial des neuen Wettbewerbs „Start-up Factories“, den das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz in der letzten Legislaturperiode angestoßen hat (BMWK 2024). Erstmals soll nicht die breite Streuung, sondern die gezielte Stärkung exzellenter Standorte im Mittelpunkt stehen - nach dem Vorbild international erfolgreicher Leuchtturmregionen. Im Mittelpunkt steht nicht die bislang übliche Frühphasenförderung, sondern öffentlich-private Partnerschaften, in denen Fördergelder mit privaten Mitteln gematched werden müssen. Die Idee: Hochschulen, Forschungseinrichtungen, Unternehmen, Kapitalgeber und Regionen bilden starke Allianzen, um gemeinsam dauerhafte, leistungsfähige, unternehmerisch handelnde Gründungsinfrastrukturen zu etablieren. Dabei geht es nicht nur um Inkubation oder Technologietransfer, sondern um den Aufbau kompletter Innovationsökosysteme: mit Seedfinanzierung, professionellem Business Development, klarem IP-Management, internationalen Netzwerken und einer starken regionalen Einbettung. Bund, Länder und private Partner investieren gemeinsam in leistungsfähige Ökosysteme mit einer strategischen Governancestruktur mit dem Ziel, in Europa sichtbar und weltweit konkurrenzfähig zu werden. Fördermittel werden nicht mehr nach Verfügbarkeit, sondern nach Strukturwirkung vergeben.

Der Wettbewerb bietet die Chance, wenige, starke, international sichtbare Gründungsökosysteme nach vorne zu bringen, in denen Exzellenz nicht nur im Labor, sondern auch im Markt Wirkung entfaltet. Gemessen werden sie an ihrem Ausgründungs- und Skalierungserfolg. Start-up-Factories sind daher nicht nur ein Förderprogramm, sondern ein Paradigmenwechsel.
 

Gründungsfreundliche Rahmenbedingungen

Um das Konzept zum Erfolg zu führen, müssen die Strukturen aber auch von gründungsfreundlichen Rahmenbedingungen begleitet werden. Ein Beispiel: Der Zugang zu geistigem Eigentum muss transparent, schnell und rechtssicher geregelt werden etwa durch standardisierte Beteiligungsmodelle oder Lizenzierungsoptionen. Bisher haben lediglich 69% der Hochschulen mit Gründungsförderung schriftlich fixierte Regelungen zum Umgang mit IP-Rechten und diese unterscheiden sich teils stark von Hochschule zu Hochschule (Kessler et al. 2025). Durchschnittlich brauchen Hochschulen 18 Monate für den Transfer von geistigem Eigentum an Start-ups (Kulicke 2024). Dadurch gehen wichtige Wettbewerbsvorteile verloren. 

Programme wie „IP Transfer 3.0“ unter Beteiligung des Stifterverbandes, Fraunhofer ISI und der SPRIND setzen hier bereits an, müssen politisch aber stärker flankiert werden. Die Ankündigung aus dem schwarz-roten Koalitionsvertrag, mit verbindlichen Standardverträgen Ausgründungen, insbesondere mit IP-Rechten, beschleunigen zu wollen, ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung (CDU, CSU und SPD 2025).

Gründungsradar 2025

Der Gründungsradar 2025 des Stifterverbandes beschäftigt sich mit dem Thema „Verstetigung“. Das bedeutet, kurzfristige Förderprogramme in langfristige, stabile Strukturen umzuwandeln, damit die Unterstützung für Start-ups an Hochschulen dauerhaft erfolgreich ist. Dazu gehört, Fachwissen durch erfahrenes Personal aufzubauen, Ressourcen sicherzustellen und die kontinuierliche Unterstützung durch die Hochschulleitung zu gewährleisten.

Wie Hochschulen Unternehmungsgründungen fördern

Auch nach der offiziellen Ausgründung sollten innovationsfreundliche Rahmenbedingungen an Hochschulen fortbestehen. So wäre etwa ein ressourcenschonender Zugang zu Laboren, technischer Infrastruktur und Spezialgeräten an Hochschulen sinnvoll. Gerade in der frühen Wachstumsphase verfügen junge Unternehmen oft nur über begrenzte finanzielle Mittel. Hohe Nutzungs- oder Lizenzgebühren können in dieser sensiblen Phase den Fortschritt hemmen oder gar zum Scheitern der Unternehmung führen. Der Zugang zu universitärer Infrastruktur ermöglicht es forschungsintensiven Start-ups, ihre Technologien weiterzuentwickeln, Prototypen zur Marktreife zu bringen und erste Umsätze zu generieren. Da spezialisierte Geräte außerhalb der Hochschulen meist nur zu hohen Kosten genutzt werden können, stellt dieser Zugang für viele technologieorientierte Gründungen einen entscheidenden Standortvorteil dar. Es wäre durchaus machbar, über die in den Hochschulgesetzen festgeschriebene Transferaufgabe eine Regelung zur kostengünstigen Nutzung solcher Infrastruktur zu ermöglichen und das Beihilferecht in diesem Punkte anzupassen, beispielsweise durch die Definition von De-minimis-Regeln, welche staatliche Unterstützungsleistungen bis zu einer bestimmten Höchstgrenze ohne aufwändige Beihilfeverfahren ermöglichen würden.

Die Förderung unternehmerischen Denkens erfordert also sowohl mehr Engagement der Hochschulen als auch der Politik, die durch passende Rahmenbedingungen unternehmerische Initiativen gezielt unterstützen kann. Um den Schritt in die Selbständigkeit attraktiver zu machen, müssen finanzielle und zeitliche Spielräume geschaffen werden, um sich einerseits voll der Gründung widmen zu können, ohne gleichzeitig den Karriereweg in der Wissenschaft aufs Spiel zu setzen. Neben großzügigen Gründungssemester- und Freistellungsregelungen können staatliche Gründungsstipendien und hochschul- oder institutsnahe, selbstverwaltete Gründungsfonds neue Anreize zum Gründen bieten.

Doch nicht jede Forscherin und jeder Forscher möchte ein Unternehmen gründen oder führen. Deshalb braucht es ergänzend neue Wege, um Forschungsergebnisse in Innovationen zu überführen. Innovations-Challenges, bei denen Spitzenforschende gemeinsam mit Innovatorinnen und Innovatoren aus Wirtschaft und Gesellschaft an Lösungen für große Herausforderungen arbeiten, sind ein wirkungsvoller Ansatz.

Weitere Artikel
Illustration: Wissenschaftler stoßen ein Pendel an als Symbol für den Transferprozess von der Forschung in die Anwendung
Illustration: Irene Sackmann
Mehr Wissenstransfer

Wie der Stifterverband Transferprozesse an Hochschulen gemeinsam mit Partnern verändern will und was es dazu von Wirtschaft, Wissenschaft und Politik braucht. Einblicke in das Pilotprojekt IP-Transfer 3.0.

Pfeile auf Asphaltstraße, die nach rechts und links zeigen
Foto: iStock/hanhsua
Deep Tech in Deutschland

Der Stifterverband fordert, Deep Tech in Deutschland mehr zu fördern. Was es dazu braucht, erklärt Deep-Tech-Gründer Jonas Varga im Interview.

Gleichzeitig ergibt sich durch die aktuellen Verwerfungen im amerikanischen Wissenschaftssystem für Deutschland die Chance, international als attraktiver Standort für forschungsbasierte Innovation sichtbar zu werden. Es sollten daher gezielt Anreize für Forscherinnen und Forscher gesetzt werden, die bereits Erfahrung im Technologietransfer oder in Gründungsprozessen gesammelt haben. Um diese Talente zu gewinnen und Nachwuchs, der bereits hier ist, zu halten, braucht es neue institutionelle Lösungen: beispielsweise gesplitete Stellenprofile, die eine Kombination aus Professur und Gründungsförderung ermöglichen, flexible Karrierewege mit leichteren Wechseln zwischen Wissenschaft und Unternehmertum, sowie flexiblere Gehälter für Spitzenforscher durch eine Reform des Besserstellungsverbots. Bei Letzterem hat die neue Bundesregierung im Koalitionsvertrag bereits Maßnahmen angekündigt, was zu begrüßen ist. Hochschulen sollten außerdem Anreize erhalten, Transfer als institutionelle und wissenschaftliche Leistung zu betrachten etwa über Reputationsmetriken, Berufungskriterien, Tenure-Tracks oder haushaltsrechtliche Flexibilitäten. Projektförderung sollte mit Strukturförderung kombiniert werden - insbesondere dort, wo Hochschulen sich strategisch aufstellen und ihre Stärken partnerschaftlich einbringen.

Und nicht zuletzt: Bürokratieabbau ist Voraussetzung für Handlungsgeschwindigkeit, Innovationsfähigkeit und Vertrauensbildung. Wünschenswert wäre es in diesem Kontext, wenn sich die aktuelle hochschulpolitische Debatte etwa in Bezug zu Dual-Use-Forschung und Zivilklauseln stärker auf die innovationspolitische Perspektive konzentrieren würde.

Darüber hinaus braucht es neue Rollenverständnisse bei allen beteiligten Akteuren: Die Hochschule als unternehmerischer Akteur mit strategischer Verantwortung, das Land als Mitgestalter regionaler Ökosysteme, der Bund als Orchestrator ressortübergreifender Förderpolitik und die Gründerinnen und Gründer als Treiber wissenschaftsbasierter Transformation. Das gilt sowohl für technologische als auch soziale Innovationen und Gründungen. Nur wenn diese Rollen politisch und institutionell anerkannt und unterstützt werden, kann ein echter Systemwandel gelingen. Die Schaffung eines neuen Ministeriums für Forschung, Technologie und Raumfahrt weckt dabei große Hoffnung, dass die Zeichen der Zeit erkannt worden sind.
 

Fazit: Von der Projektförderung zur Strukturpolitik

Was es jetzt braucht, ist eine Politik, die erkennt, dass wissenschaftsbasierte Start-ups kein Nebenschauplatz, sondern ein zentrales Instrument für wirtschaftliche Erneuerung sind. Die bereit ist, Wachstum und Wertschöpfung nicht nur zu fordern, sondern auch institutionell und regulatorisch zu ermöglichen. Und die anerkennt, dass Innovationspolitik im 21. Jahrhundert nicht mit Verordnungen beginnt, sondern mit Vertrauen in die Fähigkeit der Hochschulen, der Forschenden und der Gründungspersönlichkeiten, Verantwortung zu übernehmen.

Deutschland sucht die Innovation der Zukunft - dabei steht sie längst vor der Tür: im Hörsaal, im Labor, im Gründungsteam an der Hochschule. Doch anstatt diesen Schatz systematisch zu heben, verpufft das Potenzial heute noch zu häufig an Projektlogiken, Bürokratie und fehlender Skalierungsorientierung. Wer Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit wirklich will, muss Start-ups aus der Wissenschaft nicht fördern wie ein Experiment sondern wie eine strategische Investition in die Zukunft des Landes.

 

Dieser Text erschien zuerst im ifo Schnelldienst 78 (5).

Referenzen

Bundesverband Deutsche Startups (2024), Innovationsagenda für Deutschland, Berlin.  

Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz - BMWK (2024), Förderrichtlinie für die Projektphase des Leuchtturmwettbewerbs.

Kessler, M., M. Kürzel, J. Thumann und L. Träger (2025), Gründungsradar 2025, Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft, Berlin, https://doi.org/10.5281/zenodo.15012891.  

Kulicke, M. (2023), Wissenschaftsbasierte Ausgründungen in Deutschland: Bestandsaufnahme und Handlungsempfehlungen auf Basis einer Analyse der Situation in Deutschland, Fraunhofer ISI, Karlsruhe, https://doi.org/10.24406/publica-3567.

Kulicke, M. (2024), IP-Transfer an Hochschulen: Ergebnisse einer Online-Befragung im Rahmen des Pilotprojekts IP-Transfer, PDF, aufgerufen am 23. April 2025.

Tauchen Sie tiefer in unsere Insights-Themen ein.
Zu den Insights
Back to top