2023 feiert der Stifterverband zehnjähriges Jubiläum des Diversity Audits "Vielfalt gestalten". Seit nunmehr einer Dekade begleitet und unterstützt das Diversity Audit Hochschulen sowie seit ein paar Jahren auch außeruniversitäre Forschungseinrichtungen dabei, Strukturen, Instrumente und Maßnahmen zu konzipieren, um diverse Personengruppen in den Hochschul- bzw. Wissenschaftsalltag zu inkludieren. Dazu wird Organisationsentwicklung mit kollegialer Beratung und externer Begleitung verknüpft. Anlässlich dieses Jubiläums hat der Stifterverband Vertreterinnen und Vertreter aus Hochschulen und Wissenschaft sowie Personen aus Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft eingeladen, dieses Ereignis zu feiern und eine Zwischenbilanz zu ziehen:
Interviewpartner für dieses im Juli 2023 entstandene Video waren:
Produktion: Corina Niebuhr, WebClip Medien Berlin
Suna Maren Jatta
Diversität bedeutet für mich, die Vielfalt von Menschen wertzuschätzen, sie zu fördern und Menschen zu empowern.
Bettina Jorzik
Tatsächlich bedeutet Diversität für mich in allererster Linie, Unterschiede auszuhalten. Das ist jetzt für mich auch nicht negativ oder defensiv. Es geht für mich tatsächlich darum, Unterschiede erstmal wahrzunehmen. Die bereichern einen ja nicht nur und machen das Leben lebendig und interessant und spannend, sondern oftmals reiben wir uns an denen. Ich finde, das ist schon wichtig, das auch auszuhalten.
Il-Tschung Lim
Das können wir ja tatsächlich beobachten, dass einerseits Fraktionen gibt, die das unterstützen und die diesen Diversity-Prozess vorantreiben wollen. Es gibt auf der anderen Seite dann aber auch eben die Fraktion oder die Teilgruppen in der Gesellschaft, die sich am liebsten wünschen, dass es so bleibt, wie es einfach immer war. Oder die wiederum selber Kritiken formulieren an dem Diversity-Diskurs, und das erzeugt natürlich Spannungen. Und das kann man, glaube ich, auch an den Universitäten, in den Hochschulöffentlichkeiten sehr gut beobachten.
Jens-Peter Gaul
Wichtig erscheint mir vor allem in der jetzigen gesellschaftlichen Situation, dass wir, das gilt für die gesamte Gesellschaft wie auch für die Hochschulen, nicht anfangen, gesellschaftliche Aufgaben, so wie sie auch in den Hochschulen ankommen, gegeneinander auszuspielen. Und das ist in Zeiten knapper Ressourcen, wir sind mitten in Verteilungskämpfen, eine ganz besonders wichtige Botschaft. Und dazu müssen alle helfen. Das ist keine leichte Aufgabe, weil es ja gerade darum geht, dass sich einzelne Anspruchsgruppen mit guten Gründen, sehr guten Gründen auch versuchen, Gehör zu verschaffen. Weil das aber alle tun, ist man in einer Situation, wo man kaum noch handeln kann, ohne Fehler zu machen. Und da kommen wir, glaube ich, nur in so einer gemeinsamen Verständigungsanstrengung alle wieder raus und vor allem auch weiter nach vorne.
Eva Reichwein
Es wird ja immer wieder auch diskutiert, bringt Vielfalt eigentlich wirklich was, bringt die Diversitätsförderung etwas? Auch die DFG da durchaus im Fokus der Diskussionen stand, dass das Leistungsprinzip aufgeweicht würde oder dass man jetzt auch anfangen würde, wild Daten zu sammeln. Also diese Punkte nochmal klarzustellen und zu sagen, nein, wir sehen das eben nicht im Widerspruch zur Qualität. Das kann, wenn es richtig gemanagt wird unter den richtigen Voraussetzungen, dann kann eben Diversität zu dieser Vielfalt an Perspektiven führen, Vielfalt an Erfahrungen, an Hintergründen, die eingebracht werden. Und eben auch, dass der Pool oder die Personen, die man sich anschaut, die beteiligt werden können, größer ist. Und das führt zu einem Mehrwert von Qualität. Es muss nicht per se, aber es kann eben.
Cornelia Schu
Mit Blick auf die Vielfalt in Institutionen, sei es jetzt im Bildungsbereich, im Hochschulbereich oder andernorts, kann man klar sagen, dass sich in den letzten Jahren und Jahrzehnten auch viel getan hat. Also, Aktivitäten wie das Diversity Audit des Stifterverbands und andere Initiativen haben hier natürlich auch einen Beitrag geleistet, um dieses Selbstverständnis in Hochschulen zum Beispiel deutlich mehr zu verankern, als das früher der Fall war.
Bettina Jorzik
Mal ehrlich, ertappen Sie sich nicht vielleicht hin und wieder bei der Sehnsucht nach weniger Unterschiedlichkeit? Damit heiße ich Sie herzlich willkommen zur heutigen Tagung anlässlich des 10-jährigen Jubiläums des Diversity Audits Vielfalt gestalten.
Suna Maren Jatta
Heutzutage habe ich das Gefühl, das ist ein Thema, was sehr polarisiert, was es eigentlich gar nicht muss. Wir sollten diese Diversität feiern, als etwas Positives sehen und darüber auch zusammenkommen. Weil nur zusammen können wir eine nachhaltige, zusammengeschweißte Gesellschaft aufbauen, in der alle und jeder und jeder wirklich Platz findet.
Bettina Jorzik
Diversität ist eigentlich eine soziale Kategorie. Ich finde, es macht nicht so viel Sinn, das auf eine einzelne Person zu beziehen, sondern Diversität existiert in einer Gruppe, in einem Gemeinwesen, in einer Organisation. Und wenn es in dieser Organisation überhaupt gar keine Gemeinsamkeiten geben würde, kein gemeinsames Ziel, keine gemeinsamen Werte, keine gemeinsamen Hoffnungen, keine gemeinsamen Regeln, dann kann das nicht funktionieren. Aber wenn es nur die Gemeinsamkeiten geben würde, also wir eigentlich alle identisch werden, das ist für mich eher gesagt eine Horrorvorstellung. Dann ist es ja tot und erstarrt, es gibt eben auch keine Impulse.
Eva Reichwein
Diversität in der Forschungsförderung ist einfach nochmal die Weitung von jetzt nur in Anführungsstrichen Gleichstellung der Geschlechtsthemen auf weitere Dimensionen, die, denke ich, in der Vergangenheit noch ein Stück weit vernachlässigt waren. Und wenn wir definieren oder sagen, dass Diversität, die Förderung von Diversität, eben zu einer Förderung von Perspektivenvielfalt führt, zu Ausschöpfungen der Personen überhaupt, die da sind, überhaupt erstmal diese auch ins System zu lassen, dann führt das ja auch zu einer Steigerung der Qualität. Und insofern ist das eben auch ganz wichtig für die DFG. Wir wollen jetzt nicht ein Kataster anlegen, Zahlen zu Diversitätsdimensionen sammeln, sondern hier geht es vor allem um strukturelle Änderungen, um Änderungen der Organisationskultur, Prozessänderungen, das sind Punkte.
Jens-Peter Gaul
Es ist sehr wichtig, dass Hochschulen sich zum Thema Diversität positionieren und dazu haben sie ja verschiedene Möglichkeiten. Einmal ist Diversität natürlich auch ein Forschungsgegenstand. Das heißt, die Hochschulen müssen und sollen über diese Fragen forschen. Sie müssen dann entsprechend auch über diese Fragen kommunizieren. Sie sind selbst ein Raum, in dem der Diskurs eingeübt werden kann. Und letztlich muss man sicherlich noch dazu nehmen, dass die Ermöglichung von Teilhabe für alle, eben für die Institution Hochschule, auch eine zentrale Aufgabe ist. Und hier kann man sicher anknüpfen an das sehr verdienstvolle Audit des Stifterverbandes in diesem Bereich. Die HHK hat im Moment als Fördernehmer sozusagen des Bundesministeriums für Bildung und Forschung einen Wettbewerb laufen, Vielfalt an deutschen Hochschulen. Wir fördern hier 33 Projekte. Es gab viele Bewerbungen, also 80, wir können leider nur 33 fördern. Und die haben genau diese Aufgabe in der Institution Hochschule, Diversität aus allen möglichen Blickwinkeln zu beleuchten.
Il-Tschung Lim
Bei Hochschulen hilft es natürlich, wenn man Organisationen wie beispielsweise den Stifterverband hat, der eben als ein sogenannter Diffusionsagent auch genau diesen Prozess der Diffundierung des Diversity-Prozesses an den Hochschulen eben voranbringt. Und jetzt haben wir ja auch gehört, dass der Stifterverband dieses Audit auch in Zukunft für Unternehmen anbieten möchte, also sozusagen nochmal andere organisationale Akteure mit einbezieht. Und genau solche Diffusionsakteure, sage ich mal, sind für den Diversitätsdiskurs enorm wichtig, um quasi den einzelnen Organisationen einfach auch den Orientierungsrahmen zu bieten, da einfach eine Strategie mit Hilfe von Sachexpertise zu entwickeln.
Cornelia Schu
Wichtig beim Thema Diversität ist eben, dass wir als Gesellschaft noch besser lernen, dass sich aus Unterschieden keine Ungleichheiten entwickeln. Das ist das zentrale Ziel und deswegen müssen wir schauen, dass wir die Gesellschaft insgesamt auch da noch ein bisschen mehr mitnehmen. Also wir müssen auch wieder lernen, Differenzen auszuhalten, unterschiedliche Meinungen auszuhalten, trotzdem im Gespräch zu bleiben und dann eben wirklich Aushandlungsprozesse als normal zu akzeptieren. Also sozusagen eine plurale Gesellschaft ist nur dann gut, wenn es keine Konflikte mehr gibt – das wäre völlig verfehlt. Eine plurale Gesellschaft lebt davon, dass Menschen vielfältig sind, dass es deswegen auch unterschiedliche Auffassungen gibt und die müssen ausdiskutiert werden. Da wird nicht immer jeder zufrieden sein, aber Aushandlungsprozesse sind Realität, Normalität und sind auch gut.