Die Melodie hat er immer noch im Kopf, diese italienische Arie. Arend Oetker erhebt sich vom Sofa in seinem Büro, kurz atmet er ein, dann schmettert er los, die Arme ausgebreitet: Raumfüllend ist sein Bariton, die ersten Takte gelingen ihm spielend. Aus dem Vorzimmer steckt seine Sekretärin verwundert den Kopf durch die Tür, Arend Oetker lacht verschmitzt auf und ruft: „Und jetzt stellen Sie sich das einmal im Opernhaus vor!“
Stifterverband
Arend Oetker: Der feingeistige Anstifter

Arend Oetker ist dem Stifterverband so lange und intensiv verbunden wie kaum ein anderer Unternehmer. Allein 15 Jahre war er dessen Präsident. Er trommelte für den Stiftungsgedanken, baute die Marke Stifterverband aus und schreckte auch vor Gesangseinlagen nicht zurück. Eine Würdigung aus Anlass des 100. Gründungsjubiläums des Stifterverbandes.
Und er ist einer der größten Kunstsammler in Deutschland. Einige seiner Werke hängen hier im Büro – hinter dem Sofa, auf dem er sitzt, zum Beispiel eine riesige Aufnahme eines Starfotografen: Eine Momentaufnahme ist es mit Besuchern aus dem Art Institute Chicago. Die Werke aus seiner Sammlung bilden die Kulisse, in der er auch für den Stifterverband über Jahre hinweg viele Fäden gezogen hat. Oetker sitzt tief in dem dunklen Ledersofa, heller Anzug, rote Krawatte. „Ich habe den Leuten vom Stifterverband aber gleich am Anfang gesagt, dass ich kein Forscher bin. Ich bin Kaufmann.“
„Ich habe den Leuten vom Stifterverband aber gleich am Anfang gesagt, dass ich kein Forscher bin. Ich bin Kaufmann.“

1977 war das, Oetker war 38 Jahre alt und der Stifterverband brauchte einen neuen Vizepräsidenten. Werner Bahlsen, ein anderer Industrieller, sprach Arend Oetker an, ob er sich das Amt vorstellen könne. „Er war ein Kunde meiner Schwartauer Werke, wir lieferten ihm Konfitüren. Da konnte ich natürlich nicht Nein sagen“, sagt Oetker heute im Rückblick. Aber er ließ sich gern überreden, auch das betont er: „Das damalige Motto des Stifterverbands lautete ‚Maecenates Voco’, ich rufe die Mäzene. Das fand ich ein wichtiges Anliegen.“ Nach und nach lernte er als Vizepräsident den gesamten Stifterverband kennen, bis er 1998 zum Präsidenten gewählt wurde. Es war ein Novum: Vorher waren zwar auch Wirtschaftskapitäne – Industrielle und Vorstandschefs – die Präsidenten des Stifterverbandes, aber die hatten meistens einen natur- oder ingenieurwissenschaftlichen Hintergrund und arbeiteten für Firmen mit starker Forschungsabteilung. Oetkers Firmenimperium hingegen ist vor allem in der Lebensmittelbranche und in der Landwirtschaft aktiv. „Mein Urgroßvater hat zwar als Erfinder das Backpulver stabilisiert, aber ich könnte das nicht“, sagt Arend Oetker und macht in diesem Satz den Unterschied zwischen seiner Ära und den vorangegangenen Jahrzehnten deutlich: „Ich habe politische Wissenschaften studiert.“
Bildstrecke: Arend Oetker und der Stifterverband

Seit 1977 engagierte sich Arend Oetker in den Gremien des Stifterverbandes. Hier sieht man ihn (m.) im Jahre 1980 im Gespräch mit dem damaligen Bundespräsidenten Karl Carstens (r.) und dem Vorstandsvorsitzenden des Stifterverbandes Klaus Liesen (l.).

2002: Arend Oetker im angeregten Gespräch mit dem schon damals sagenumwobenen Bertold Beitz (Krupp Stiftung, 2.v.l.). Über viele Jahrzehnte war der Stifterverband zu Gast in der Essener Villa Hügel, beispielsweise bei seinen Jahresversammlungen oder den Villa-Hügel-Gesprächen. Ganz klinks: die damalige Bundesforschungsministerin Edelgard Bulmahn. Rechts der damalige Sprecher der Deutschen Bank, Josef Ackermann.

Präsident des Stifterverbandes zu sein, heißt auch immer, Repräsentationspflichten wahrzunehmen. Arend Oetker – hier mit seiner Frau Brigitte bei einem Empfang im Schloss Bellevue – hat sich dem Stifterverband immer mit größtem Engagement gewidmet.

Die Förderung der Stiftungslandschaft in Deutschland war Arend Oetker immer besonders wichtig. Davon zeugt auch der starke Anstieg von Stiftungen, die während seiner Amtszeit unter dem Dach des Stifterverbandes eingerichtet worden sind. Die meisten von ihnen fördern Bildung, Wissenschaft oder soziale Zwecke. Das Foto zeigt ihn während einer Rede beim Stiftertag des Stifterverbandes im Jahr 2008.

Schon der 90. Geburtstag des Stifterverbandes im Jahr 2010 wurde mit hohen Gästen gefeiert: Richard von Weizsäcker (l.), Angela Merkel und Arend Oetker im Konzerthaus Berlin.

„Ich bin kein Wissenschaftler. Ich bin Kaufmann“, hat Arend Oetker immer betont. Zu seinem Abschied aus dem Amt des Stifterverbandspräsidenten 2013 schenkten ihm die Mitarbeiter des Stifterverbandes einen – wie sollte es anders sein - Kaufmannsladen. Seinem Ansehen in der wissenschaftlichen Gemeinde hat Oetkers Selbstbild als ‚Mann der Wirtschaft‘ nie geschadet – im Gegenteil.
„Das Ziel war es, die Zahl der Stiftungen zu vergrößern, ganz klar.“

Neben den inhaltlichen Impulsen war Arend Oetker vor allem für die Akquise von Unterstützern zuständig – auch das ist traditionell eine Kernaufgabe des Präsidenten. Auf Empfängen, bei Gremiensitzungen und vielen anderen Gelegenheiten sprach Oetker andere Wirtschaftsvertreter an. „Das Ziel war es, die Zahl der Stiftungen zu vergrößern, ganz klar“, sagt er und lacht: „Ich bin ein Anstifter!“ Irgendwann, erzählt er schmunzelnd, hatte er schon den Eindruck, dass ihm die Leute bei großen Veranstaltungen aus dem Weg gingen: „Diesen einen Satz habe ich öfter gehört: ‚Dem dürfen wir nicht die Hand geben, der will gleich wieder etwas von uns!’“ Dass das Engagement für Stiftungen etwas sei, woran man sich selbst erfreue, entgegnet Oetker in solchen Gesprächen dann häufig – und untermauert es mit seinem eigenen Beispiel: Insgesamt elf Stiftungen, rechnet er vor, habe er selbst gegründet, deren Erlöse von der Kunst über die Musik bis zur Wissenschaft vielen unterschiedlichen Bereichen zu Gute kommen.
„Mein Leben ist die Kunst, die Musik und die Natur“, sagt Arend Oetker – und die Wissenschaft, könnte man nach seinen vielen Jahren im Stifterverband hinzufügen, denn es sind seine Erfahrungen aus allen diesen Bereichen, die Oetker für Wissenschaft und Forschung nutzbar gemacht hat.
