Die Wissenschaftler werden für ihre Untersuchungen von Menschen gewürdigt, die durch Gewalt, Krieg und Folter, im Zusammenhang mit Flucht oder im häuslichen Umfeld, traumatisiert sind.
Aus den Erkenntnissen über die Folgen von extremem Stress heraus gelang ihnen die Entwicklung wirksamer Interventionen, die Überlebende von Gewalt und Menschenrechtsverletzungen zurück ins Leben führen können und zu einer friedlichen Gesellschaft beitragen. Der mit 50.000 Euro dotierte Wissenschaftspreis des Stifterverbandes wird für Beiträge zur wissenschaftlichen Bearbeitung gesellschaftlich wichtiger Herausforderungen verliehen. Er ist damit die deutsche Auszeichnung für Wissenschaftler auf dem Gebiet der wissenschaftsbasierten Politikberatung.
"Mit Maggie Schauer und Thomas Elbert werden zwei Wissenschaftler mit dem Carl-Friedrich-von-Weizsäcker-Preis ausgezeichnet, die sich in beispielhafter Weise um die Therapie und Unterstützung von Gewalt-Opfern verdient gemacht haben", sagt der Präsident der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina, Prof. Dr. Jörg Hacker. "Das Thema ist nicht zuletzt vor dem Hintergrund steigender Flüchtlingszahlen weltweit sehr aktuell. Thomas Elbert und Maggie Schauer haben den Mut, Gewalt in ihrem umfänglichen Ausmaß zu untersuchen, indem sie sowohl die Auswirkungen auf das Individuum an sich als auch die Folgen für sein Dasein in der Gesellschaft in den Blick nehmen", sagt Hacker weiter.
"Der Carl-Friedrich-von-Weizsäcker-Preis ist eine Auszeichnung für wissenschaftsbasierte Politikberatung, ehrt also Wissenschaftler, die mit ihren Forschungsarbeiten Lösungen zum Umgang mit drängenden Problemen entwickeln und diese der Politik und der Öffentlichkeit aktiv vermitteln. Maggie Schauer und Thomas Elbert haben maßgeblich dazu beigetragen, aufzuzeigen, wie Traumafolgen therapiert werden können", sagt Prof. Dr. Andreas Barner, Präsident des Stifterverbandes.
Maggie Schauer und Thomas Elbert haben gemeinsam mit dem Bielefelder Wissenschaftler Prof. Dr. Frank Neuner die "Narrative Expositionstherapie" entwickelt und deren Anwendung untersucht. Sie ist ein Behandlungsverfahren, das insbesondere in Konflikt- und Krisenregionen zum Einsatz kommt und vor allem für die Therapie von Opfern organisierter Gewalt und zur Behandlung von Kriegsflüchtlingen entwickelt wurde. In Feldstudien in Afrika und Asien konnte das Behandlungsverfahren erfolgreich angewendet werden. Schauer und Elbert erforschen bereits seit zwei Jahrzehnten die Folgen organisierter Gewalt wie Krieg, Folter und sexuelle Gewalt für das Individuum, ihre Familien und die Gesellschaft. Am Kompetenzzentrum für Psychotraumatologie der Universität Konstanz untersuchen sie nicht nur psychosoziale Auswirkungen der Gewalt, sondern auch molekularbiologische und neurophysiologische Veränderungen als Folgen von Gewalterfahrungen. Weltweit einmalig ist dabei, dass sich Laborstudien in Konstanz und Untersuchungen in Kriegs- und Krisenregionen zu einem Gesamtbild ergänzen.
Maggie Schauer studierte in München Philosophie, Psychologie und Sozialwissenschaften. 1998 wurde sie an der Universität Konstanz im Fach Psychologie promoviert. Sie arbeitete danach an der Universität Tübingen in der Medizinpsychologie und ist seit 2002 Direktorin des Kompetenzzentrums Psychotraumatologie an der Universität Konstanz. Dieses entwickelt psychodiagnostische und therapeutische Hilfestellungen für Flüchtlinge, darunter auch Kinder und Jugendliche, die organisierte Gewalt und Terror erlebt haben. Ziel ist es, die Aufnahme und Integration und die damit verbundenen Folgen nachhaltig positiv zu beeinflussen. Durch den besonderen Brückenschlag zwischen Praxis und Forschung werden dabei diagnostische Standards und therapeutische Interventionsmöglichkeiten in Kombination mit Menschenrechtsarbeit genauer erforscht und weiterentwickelt.
Thomas Elbert studierte Psychologie, Mathematik und Physik an den Universitäten München und Tübingen. 1978 wurde er in Tübingen promoviert, wo er anschließend – unterbrochen von Gastprofessuren an der Pennsylvania State University und an der Universität Stanford – bis 1989 lehrte. Danach arbeitete er als Professor an der medizinischen Fakultät der Universität Münster. Seit 1995 ist er Professor für Klinische Psychologie und Verhaltensneurowissenschaften an der Universität Konstanz. Elbert forscht unter anderem zu den Themen Psychobiologie menschlicher Gewalt- und Tötungsbereitschaft und mentale Gesundheit in Konflikt- und Krisenregionen. In seinem Forschungsfeld ist Elbert einer der meistzitierten Wissenschaftler weltweit. Seit 2009 ist Thomas Elbert Mitglied der Leopoldina in der Sektion Psychologie- und Kognitionswissenschaften.
Der Preis wird Maggie Schauer und Thomas Elbert am 13. Dezember 2016 durch Jörg Hacker, Präsident der Leopoldina, und den Präsidenten des Stifterverbandes, Andreas Barner, im Rahmen der der Leopoldina-Weihnachtsvorlesung verliehen.
Der Carl-Friedrich-von-Weizsäcker-Preis ist der Wissenschaftspreis des Stifterverbandes und mit 50.000 Euro dotiert. Er wird gemeinsam mit der Leopoldina alle zwei Jahre an Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler oder Forscherteams vergeben, die einen Beitrag zur wissenschaftlichen Bearbeitung gesellschaftlich wichtiger Probleme geleistet haben. Im Jahr 2012 wurde der Bildungsforscher Prof. Dr. Jürgen Baumert ausgezeichnet, 2014 wurde Prof. Dr. Ferdi Schüth geehrt. Den ersten Weizsäcker-Preis erhielt im Jahr 2009 der Wissenschaftler und Bürgerrechtler Prof. Dr. Jens Reich.
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