Da kann man ja nun nicht hinfahren und sagen: Erleben wir es mal selber! Das ist ja nicht der Wunsch. Aber der Wunsch ist trotzdem, wie zum Beispiel in Newsgames, das, was gerade in der Welt passiert, den Menschen näher zu bringen auf diese interaktive Art und Weise. Und das wäre eben ein ganz, ganz großes Potenzial, was wir damit haben, um sozusagen eine größere Empathie aufzubauen zu Dingen, an die wir normalerweise gar nicht rankommen.
Es gibt ein Spiel, das ist jetzt mehrfach preisgekrönt worden: "This War of mine". Polnisches Entwicklerstudio, die die Situation, in der Menschen, die im Krieg sind, also alles andere als unterhaltsam, darstellen. Es ist eine Spielherausforderung, und es soll dem Spieler reflektieren, wie schwierig das ist, in einer solchen Situation zu überleben. "Papers, Please" ist ein ganz berühmtes Spiel geworden, deswegen, weil es die Situation von Flüchtlingen darstellt. Man spielt im Grunde genommen einen Zollbeamten und muss entscheiden, wer darf einreisen und wer nicht. Und das ist ein relativ einfach gemachtes Spiel, ein sogenanntes Indie-Game, also von Menschen entwickelt worden, die da gar nicht unbedingt viel Geld reingesteckt haben, aber sagen wollten: Diese Interaktivität, die muss man doch nutzen können, um etwas zu verdeutlichen, den Spieler sozusagen in eine Situation zu bringen, in der ihm selber ein Spiegel vorgehalten wird, wie schwierig Dinge sind oder wie schwierig zu entscheiden manche Dinge sind. Und das können andere Formate in diesem Sinne gar nicht. Und deswegen ist es so schade, dass nach wie vor immer noch gesagt wird: Computerspiele dürfen bestimmte Dinge nicht tun. Es gibt inzwischen nicht nur Spiele als Kulturgut, Spiele als Kunst, natürlich als Unterhaltungsmedium, es gibt Serious Games, es gibt Newsgames. Es gibt sogar den Begriff Nogames, also Spiele, die sogar behaupten, kein Spiel zu sein, sondern die Spielmechanismen nur nutzen, um damit perfide auf etwas aufmerksam zu machen, also subtil Gesellschaftskritik zu üben oder eben auch relativ offen, wo es gar nicht mehr darum geht, dass der Spieler wirklich spielt, sondern dass er mit der Möglichkeit, zum Beispiel eingeschränkt interagieren zu können, plötzlich vor eine Situation gestellt ist, die man dann wieder projizieren kann auf andere Situationen. Du hast nur die Möglichkeit, entweder zu gehen oder jemand anderen zu opfern beispielsweise. Situationen, in denen Menschen zum Beispiel in Krisensituationen häufig geraten. Und dadurch, dass man diese Entscheidung sozusagen nicht einfach bei einem Zuschauer lässt und sagt: Ja, was die Figur da oben macht, das kann ich mir angucken und gut finden oder nicht, sondern an ihn zurückgibt und er selber diese Entscheidung treffen muss, kann man hier unglaublich viel Tiefe in interaktiven Aspekten einbringen. Und wenn ich sage: Es gibt gute und es gibt schlechte, dann meine ich damit: Es hat nichts damit zu tun, ob das Spiel ab 18 ist, ob es ein gutes oder ein schlechtes ist in dem Sinne, sondern wenn ich mir anschaue: Es gibt ein Spiel, das heißt "Spec Ops: The Line". Das ist ein Shooter, das spielt in einem fiktiven Kriegsszenario und genau da, wo es darum geht, nachvollziehbar zu machen, in welche traumatischen Situationen Soldaten kommen können, soll der Spieler das selber erleben können. Und damit ist es quasi ein Antikriegsspiel geworden. Es ist von der Kritik hochgelobt worden, aber es ist immer noch nicht klar geworden, den meisten, dass nur weil ein Genre, zum Beispiel weil es ein Shooter ist, der eben ab 18 ist, ein bestimmtes Klischee erfüllt, nämlich es hat irgendwas mit Gewalt zu tun, dass es deswegen noch lange nicht schlecht ist, sondern wie man mit dem Thema umgeht, also sozusagen ethisch mit diesen Themen umgeht, das ist das, was es ausmacht.
Ich nenne mal ein Beispiel, weil ich das ganz spannend finde. Es hat jemand in den USA ein Spiel gemacht oder so ein Spiel-Level gemacht, in dem man einen Soldaten spielt, und das ganze ist ein dokumentarisches Spiel, spielt also irgendwo in Afghanistan, wo man selber einen Soldaten spielt, der eine tatsächlich realistische Situation nachspielt, also eine tatsächlich real passierte Situation nachspielt. Das Spiel ist nie veröffentlicht worden, ist also nie rausgekommen, und das war dem Entwickler eigentlich auch durchaus bewusst. Er wollte eigentlich nur diese Diskussion anschieben. Und interessant ist, dass die meisten Menschen reagiert haben und gesagt haben, also zum Beispiel eine Mutter eines Soldaten, die gesagt hat: Ja, mein Sohn war da und hat das alles selber erlebt, dann darf man sowas nicht in einem Spiel abbilden. Wobei das Spiel nicht darauf abgezielt war, jetzt als Unterhaltungsprodukt auf den Markt zu gehen, sondern es war von vornherein geplant zu sagen: Schaut mal das, was unsere Soldaten dort erleben, das ist dann für euch auf diese Art und Weise nachvollziehbar. Aber die meisten hatten Angst, dass jemand, der das spielt, sagt: Ja, das macht aber Spaß! Und wenn es Spaß macht, dann darf man das nicht machen, so! Und das ist eine interessante Diskussion, weil was genau bedeutet das dann eigentlich sozusagen, Spaß zu haben? Wenn man sich die Tagesschau oder irgendwelche anderen Sachen anschaut, dann sagt man ja auch nicht: Du darfst dir das nicht angucken, weil es dir Spaß macht. Es geht also nicht, also, die Wahrnehmung der meisten ist immer noch: Computerspielen macht Spaß, und deswegen darf es keine ernsten Themen behandeln. Und ich glaube, dass diese Denkweise inzwischen wirklich überholt ist.