Gunter Dueck: Ingenieure & Schönheit

"Man spricht schon von Dematerialisierung der Welt, weil die Intelligenz jetzt in die Software zieht."

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Gunter Dueck: Ingenieure & Schönheit (Video)
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Warum man Autos künftig eigentlich aus Pappe bauen könnte? Der Philosoph und Mathematiker Gunter Dueck wirft einen Blick nach vorne in eine gar nicht so ferne Zeit, in der die Software immer mehr zur Kernkompetenz eines jeden Unternehmens wird. Was heißt das für die Ingenieure, deren eigentliche Fähigkeiten auf einmal gar nicht mehr gefragt sind?
 

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Autor: Timur Diehn
Produktion: Webclip Medien Berlin
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Transkript des Videos

Man spricht schon von Dematerialisierung der Welt, weil die Intelligenz jetzt in die Software zieht.

Wenn ich jetzt zum Beispiel Autos baue, die selbst fahren, dann werden die ja geregelt von Software. Und die Software sorgt dafür, dass Autos nicht zusammenstoßen. Es wird so gemacht, dass das tausendprozentig funktioniert. Und dann brauche ich natürlich keine Stoßdämpfer mehr. Wenn ich das ganz zu Ende denke, kann ich die Autos aus Pappe bauen. Völlig wurscht, diese ganzen ABS-Systeme und Servolenkung und was die Segnungen der letzten 20 Jahre, die Technik, die das alles so zuverlässiger, sicherer gemacht hat und wo ich leichter fahren kann, besser bremsen usw., das ist sehr viel sicherer geworden, das zieht jetzt einfach in die Software. Das mache ich einmal für alle Autos der Welt, fertig! Und dann brauche ich das gar nicht zu bauen, das heißt, unter Umständen, also, das Auto als solches dematerialisiert sich unter Umständen dann auf ein Drittel. Und sowas wie ein komplizierter Motor wird durch einen lahmen, langweiligen Elektromotor ersetzt, weil in einer Welt von selbstfahrenden Taxis die ja auch nur 100 fahren. Muss auch nicht irgendwie wahnsinnig beschleunigen und an jemandem vorbei und rechts überholen oder so. Das ist alles in der Welt ... braucht man nicht! Das wird alles durch Software geregelt. Und das kann ich in vielen Bereichen sagen. Das heißt, die Produktion wird irgendwie ... dümmer, also ärmer, weil ich ja dieses Material nicht habe, und das zieht in die Software. Das heißt, wir haben jetzt gesellschaftliche Entwicklungen, welche Berufe man eigentlich haben müsste, ja? Und wenn die Autos jetzt quasi simpler zusammengesteckt werden, dann können das auch eigentlich Roboter machen, dann brauche ich auch keine Menschen dafür. Aber ich brauche sie natürlich für die Software, für die Intelligenz. Dann stellt sich die Frage: Wie ist eine Gesellschaft bildungsmäßig aufgestellt, die in so eine Gesellschaft reinwandert? Wo sie sich völlig verschiebt, also sozusagen mehr ins Geistige. Und dann müssen wir halt ganz, ganz viel Bildung machen, und jetzt so in den benachteiligten Regionen ist das ja gar nicht. Das Bildungssystem befasst sich damit nicht. Und natürlich in Silicon Valley, da sind so viele helle Köpfe, die gehen da alle hin, sammeln sich irgendwie um die Berkeley University oder Harvard usw. oder hier um die Elite-Universitäten in Deutschland, und der Rest, um den kümmert sich keiner.

Damit meine ich, dass das, was man eigentlich können muss, überhaupt nicht mehr gebraucht wird und dass man dann was anderes können muss. Also, so irgendwie ein sehr plakatives Beispiel, das heißt, wenn ich jetzt hundert Jahre Benzinmotoren gemacht habe für Daimler, dann bin ich Ingenieur oder Physiker oder so, das hat ja was mit Strömungsmechanik zu tun, die ganze Physik, also die ganze technische Physik ist ja so von Benzinmotoren erzeugt worden, das ist das Problem dabei. Und da hat man ganze Wissenschaften und ganze technische Hochschulen da. Und jetzt geht das aber zum Elektroauto und braucht keine Motoren mehr, eigentlich gar nicht. So, und dann? Also, dann müsste ich ja für die Batterien für die Elektromotoren, also die Core Intelligence von einem Elektroauto ist in der Batterie. Also, das ist der Knackpunkt da im Augenblick, das, was noch erforscht werden muss und wo man gut sein muss. Und da müsste ich aber von Doktor für Physik auf Doktor der Chemie wechseln. Das ist hart! Also, es ist gar nicht so sehr, dass der Doktor für Physik jetzt nicht mehr gebraucht würde, aber an der Stelle braucht man gar keine mehr, und dann muss man eine ganz andere Wissenschaft haben. Und dann muss man akzeptieren, dass ich einen ganz anderen Beruf kriege. Noch nicht mal, dass ich ihn höher entwickele, sondern ganz anders. Anderes Beispiel: So Firmen wie Osram oder Philips haben das. Die gehen von Glühbirnen auf LEDs. LEDs halten jetzt irgendwie beliebig lange. So, das heißt, wenn ich eine LED verkaufe, ist es besser, sie gleich mit der Lampe zu verkaufen, also fest drin. Ich muss sie ja nicht mehr rausschrauben. Und dann muss ich aber diese Ingenieure, die einfach Licht machen, denen muss ich jetzt Kunst beibringen, weil die Lampen ja schön aussehen müssen. Also, wenn man jetzt zum Beispiel durch die Lampenabteilung geht mit den Glühbirnen, die sehen alle sehr schön aus, und die LED-Lampen sind irgendwie so ... sehr quadratisch. So neun 3er-Reihen oder 16 so, zack, zack, zack, und eine Glasplatte dran. Mehr fällt ihnen dazu noch nicht ein. Und es liegt ein bisschen daran, dass die Lampenhersteller müssen jetzt anders damit umgehen. Das heißt, es hat nicht mehr sehr mit Technik zu tun, sondern mehr mit Kunst. Das muss irgendwie zusammenwachsen. Und die Künstler kommen mit den LED-Leuten nicht so ganz klar, weil das eine andere Kunst braucht, weil das ja viele kleine Zellen sind. Und die Ingenieure haben keine Ahnung von Schönheit. Also, in diesem Sinne nicht. Und dann muss man sagen: Es müssen alle wirklich umlernen. Wenn sie das aber mental nicht hinkriegen, gehen sie pleite. Das sehen wir jetzt irgendwie, dass es den Herstellern irgendwie schlecht geht, weil sie sich zu sehr als Ingenieur sehen und die anderen als zu sehr Kunst. Und manchmal wachsen die Dinge so unerwartet zusammen. Das meine ich damit, dass die Core Competence einer Company sich komplett ändern kann.