Carsten Könneker: Die Wissenschaft und ihr Glaubwürdigkeitsproblem
Wie konnte das nur passieren, dass so viele Deutsche der Wissenschaft misstrauen? Dass sie obskuren Ideen mehr Glauben schenken als fundierter Forschung?
Ein Thema, zehn Experten, zehn Meinungen. Wissenschaftler haben in der heutigen Medienvielfalt ein grundsätzliches Problem, mit ihren Erkenntnissen bei den Bürgern anzukommen. Die Psychologin Friederike Hendriks von der Uni Münster erklärt: Worauf sollte ich achten, wenn ich wissen will, ob ich es mit einem integren Forscher zu tun habe – oder mit einem Experten von eigenen Gnaden, der weniger die Wissenschaft, sondern andere Interessen vertritt?
Das Gespräch wurde am Rande der Veranstaltung "Wissenschaft braucht Gesellschaft – Wie geht es weiter nach dem March for Science?" in Hannover aufgezeichnet.
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Was wir so feststellen können, ist eigentlich, dass die Expertise von Wissenschaftlern größtenteils auch akzeptiert und wenig angezweifelt wird.
Was aber, glaube ich, neu ist, ist, dass sozusagen die Vielfältigkeit der Themen und der Nachrichten so stark ist, dass es vielleicht auch schwierig ist, in dem Wirrwarr von Informationen und von Informationskanälen, von Wissenschaftsjournalismus, den ich vielleicht ganz traditionell aus Zeitungen bekomme oder aus dem Fernsehen, der wird auf einmal ergänzt durch soziale Medien, durch Twitter, durch Blogs, durch Wissenschaftler, die selber auf einmal auf der Straße stehen und mit mir kommunizieren wollen. Und ich glaube, dass halt da tatsächlich auch nochmal sozusagen so ganz verschiedene andere Herausforderungen auf einmal auf die Leute zukommen, auf mich als Zuhörer, der dann vielleicht ja erstmal herausfinden muss: OK, ist das jetzt eigentlich eine wirklich vertrauenswürdige Quelle? Warum ist das jetzt in diesem Kontext genannt? Wer ist das eigentlich? Und es bedarf dann doch wieder relativ hohen Rechercheaufwand, um wirklich herauszufinden: Wer ist das jetzt eigentlich? Was erzählt er mir eigentlich? Kann das alles so stimmen? Und wir können uns sozusagen nicht mehr darauf verlassen, dass vielleicht auch das von zum Beispiel Journalisten mitbearbeitet wird. Das ist ja eigentlich die traditionelle Aufgabe von Journalisten, mir auch schon mal vorzuselektieren, wem ich denn so glauben könnte. Und daran kann ich mich ja auch orientieren. Und ich glaube, dass diese Gatekeeper, wie wir sie nennen, also diese, ja, Türöffner vielleicht auch, dass die eben weniger werden.
Was elementar ist, ist, dass wir schon ganz früh anfangen müssen, in der Grundschule eigentlich zu schauen, inwiefern können Leute eigentlich wirklich informierte Vertrauensurteile bilden. Und wie können wir Kindern, Schülern auch in der Mittelstufe immer wieder im Kontext von dem, was sie im Unterricht machen, beibringen, wie sie gute Entscheidungen darüber treffen, wem sie vertrauen sollen. Was ist eine gute Internetseite? Was zeichnet einen Experten aus? Woran kann man festmachen, ob es ein Experte ist, dem man glauben sollte oder der vielleicht zum Beispiel durch Industrieinteressen gesponsert wird und deshalb etwas über Impfungen erzählt oder über Genfood? Das heißt, dass tatsächlich, ich glaube, der Anfang des Ganzen ist sozusagen in der Wissenschaftsbildung, und natürlich ist es aber auch trotzdem so, dass die Wissenschaftskommunikation, der Wissenschaftsjournalismus, aber auch Wissenschaftler selbst, wenn sie an die Öffentlichkeit treten, immer wieder mitkommunizieren müssen, was eigentlich die Qualität ihrer Aussagen ist, was eigentlich das sozusagen, was Wert macht, dass man ihnen glauben soll, also beispielsweise warum ich jetzt der Annahme bin, dass Kinder sozusagen früh mit Wissenschaftsverständnis konfrontiert werden sollten, fußt natürlich auch darauf, dass meine Kollegen an der Uni Münster genau dazu forschen und auch festgestellt haben, dass man das kann.
Die Expertise: Kennt sich jemand wirklich aus? Ist der eigentlich zuständig für diesen Themenbereich? Hat er dazu geforscht, sich weitergebildet? Dann ist es die Integrität, also: Verfolgt jemand die guten Regeln wissenschaftlicher Praxis oder seiner beruflichen Praxis? Arbeitet er wirklich zuverlässig? Versucht er sich selber auch zu kontrollieren oder gibt es Kontrollinstanzen? Und dann eben die Benevolenz, das Wohlwollen, also: Möchte ich der Gesellschaft nützen? Möchte ich dem anderen nützen? Habe ich wirklich eigentlich die Intention, mit dem, was ich tue, zum Beispiel Erkenntnis zu schaffen oder auch direkt Leuten zu helfen, Patienten zum Beispiel zu helfen? Und das sind genau die Kriterien, nach denen Leute dann eben auch gehen und schauen, ob man eben jemandem vertrauen kann oder eben nicht.