Sascha Pallenberg: Ein Tech-Blogger bei Daimler
Aus dem hippen Netzzirkus in einen Automobilkonzern mit seit 180 Jahren gewachsenen Strukturen: Wie ist das denn so bei Daimler - und was macht guten Tech-Journalismus eigentlich aus?
"Wir brauchen keinen Journalismus, der sich nur daran ergötzt, in Kontakt mit Mächtigen zu sein", meint Christian Schwägerl, Buchautor und Gründer von RiffReporter, einer Genossenschaft freier Journalisten. Wie können die Medien dazu beitragen, dass Wissenschaft nicht von oben doziert oder allgemein abgelehnt wird, sondern ein breiter Dialog über Forschung die Gesellschaft nach vorne bringt?
Das Gespräch wurde am Rande der re:publica 2017 in Berlin aufgezeichnet.
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Autor: Timur Diehn
Produktion: Webclip Medien Berlin
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Wir brauchen einen Journalismus, der sich nicht mit den Mächtigen verbündet. Der nicht dann sich nur daran ergötzt, in Kontakt mit Mächtigen zu sein.
Viele Medien machen das auf wunderbare Weise. Nur ist dieses bisherige Modell, Finanzmodell, auch das zu tun, in der Fläche zu sein, vor Ort zu sein, Zeit und Ressourcen zu haben, mit Menschen zu sprechen, aktuell in Gefahr. Wir brauchen deswegen neue Arbeitsweisen, die es uns erlauben, uns im Wortsinn die Sohle abzulatschen, durch Gegenden zu gehen, die zum Beispiel deindustrialisiert sind. Da nicht nur für einen Tag hinzufahren, ein paar Zitate einzusammeln und dann wieder weg zu sein, sondern dort für Wochen zu sein. Oder durch so ein Gebiet, das vernachlässigt ist, wo es riesige soziale Probleme gibt, mal zu Fuß zu wandern oder sich dort mal für drei Monate hin zu begeben. Und für diesen Journalismus braucht es Zeit und braucht es Geld. Und dasselbe ist mit Natur. Wenn ich da immer nur für einen Tag hinfliege, ins Naturschutzgebiet, dann habe ich einen ganz anderen Eindruck, als wenn ich als Journalist Zeit habe, wie Paul Salopek das tut, für sieben Jahre um die Welt zu wandern und die Welt wirklich zu erfahren. Und das dann als Journalist zu erzählen. Das ist meine Vision von Journalismus. Nicht dass jetzt alle um die Welt wandern, aber dass wir Journalisten wieder uns zuwenden, weg von den Machtzenten, die wir natürlich kritisch beäugen müssen und analysieren müssen, aber auch hinwenden zu den schwachen Regionen, zu den natürlichen Ökosystemen, die uns tragen, und zu allem, was nicht einem ins Gesicht springt so als aktuelle Mega-News, aber das eigentliche letztlich Leben darstellt, menschliche Leben, aber auch, was uns ökologisch trägt.
Wir erleben ja gerade, besonders in den USA, aber auch in Europa und anderswo eine populistische Welle, die grundsätzlich die Grundlagen der Wissenschaft in Frage stellt. Und ich glaube, die Reaktion der Wissenschaft darauf sollte nicht sein zu sagen: Wir sind im Besitz der Wahrheit! Und wir sagen euch jetzt mal, wie es geht, und machen dazu Wissenschaftskommunikation, die eine Einbahnstraße ist, indem sich Wissenschaftler hinstellen und dem Rest der Gesellschaft sagen: Da geht's lang oder hier geht's lang! Sondern sich zu überlegen, stärker Wissenschaft als Prozess darzustellen, der auch Irrtümer mit sich bringt, der auch fehleranfällig ist, und da offen darüber zu sprechen zum einen, und eben das Gespräch auf eine Weise zu suchen, dass Wissenschaftskommunikation, die einseitig ist, zu einer Wissenschaftskonversation führt. Dass man also Wissenschaftler und auch Wissenschaftsthemen stärker in den gesellschaftlichen Diskurs einbringt und sich dem auch stellt und sich nicht als was Besseres, was Elitäres inszeniert, sondern als Teil des gesellschaftlichen Prozesses, auch des Meinungsfindungsprozesses. Und da, glaube ich, hat die Wissenschaft selbst eine große Aufgabe, aber das ist gleichzeitig natürlich auch unsere Aufgabe als Wissenschaftsjournalisten, da auch die Vermittler zu spielen. Und auf diese Rolle kann man, die Vermittlerrolle, die kann man nicht verzichten. Wir sind eben als Wissenschaftsjournalisten die, die wirklich alle Akteure miteinander verbinden, mit allen sprechen und dann versuchen, zu einem unabhängigen Eindruck zu kommen, den wir berichten, oder auch zu einem Urteil zu kommen, an dem wir dann in Form von Kommentaren und Meinungsartikeln weitertragen. Insofern halte ich auch das für sehr wichtig, dass eine Differenzierung in das, was Wissenschaft an Kommunikation macht, und das, was Wissenschaftsjournalisten machen, dass das aufrecht erhalten bleibt. Und tut aber letztlich beiden gut, insofern hilft der Wissenschaftsjournalismus dann auch der Wissenschaft, aber nicht indem wir immer nur Lobhudelei betreiben, sondern indem wir da als kritisches Korrektiv auch, als kritischer Beobachter und als eigener Wissenschaftskommunikator eben lebendig erzählen können.
Wie könnte es mit durchaus strittigen Technologien wie auch der Gentechnik weitergehen? Was wäre zum Beispiel, wenn die Gentechnik nicht nur in der Hand von wenigen Konzernen wäre, sondern wenn die zu einem gesellschaftlichen Projekt würde, in die auch die Wünsche und Interessen der Ökosysteme so via Umweltverbände zum Beispiel einfließen? Wenn man da mal Monsanto rausnimmt und sagt: Eine Gentechnik, die sich aus den Bedürfnissen wirklich von Kleinbauern zum Beispiel heraus speist, ist es dann immer noch grundsätzlich schlecht? Oder kommt diese polarisierte Diskussion nicht daher, dass eigentlich zwei Sachen vermischt werden, nämlich die Machtfrage, hier ist ein Konzern oder wenige Konzerne, und die ökologische Frage: Was tut das für die Umwelt? Und sicher haben viele gentechnische Ansätze ein sehr negatives Umweltpotenzial. Ich sehe aber auch Potenzial in die andere Richtung, zumal uns der Klimawandel, was die Welternährung anbelangt, vor riesige Fragen stellen wird, wo wir alle verfügbaren Antworten erstmal prüfen müssen. Das Gleiche gilt für eben sowas wie Sensoren. Die kann man negativ weiterentwickeln als Totalüberwachungs-Technologie, wo wir alle so vernetzt sind, dass jede unserer Bewegungen, unser Verhalten entweder kommerziell oder geheimdienstlich ausgewertet wird. Oder eben Sensoren, die Umweltzustände so erfassen, dass es uns als Gesellschaft leichter wird, darauf zu reagieren und zu sagen: Hier müssen wir gegensteuern, weil zum Beispiel die Artenvielfalt verschwindet, weil die Insekten plötzlich weg sind. Das kriegen wir heute gar nicht mit, weil es gibt dafür gar kein systematisches Monitoring zum Beispiel. Es wundern sich alle, dass die Vogelbestände weniger werden, implodieren. Dass dahinter eben Nahrungsknappheit steckt, weil es zu wenig Insekten gibt, ist dann schon eine wichtige Weiterung, die Umwelt- und Wissenschaftsjournalisten einbringen können. Und woher die dann kommt, dieser Schwund von Insekten, das wissen wir teilweise gar nicht, weil das Monitoring fehlt.
Wenn Kinder nur zubombardiert werden mit Krisen- und Katastrophenmeldungen, dann machen die zurecht zu. Und wieso sollte man sich dem aussetzen als Kind, wenn man immer nur hört: Es geht alles den Bach runter. Deswegen, glaube ich, ist eine Rolle von dem, was konstruktiver Journalismus heißt, gerade bei Geschichten, die wir für ein junges Publikum erzählen, total wichtig. Was kann man tun? Und was gibt es schon für junge Menschen auch, die tolle Sachen machen, die sich einbringen, die Naturschutz machen, die sich in Integrationsprojekten einbringen und andere wichtige gesellschaftliche Sachen machen, um zu zeigen: Man ist dem nicht ohnmächtig gegenüber. Es reicht auch nicht, nur digital mal eine Petition zu unterschreiben, sondern man kann was tun. Also, ich glaube, für ein junges Publikum ist es total wichtig, dass man Geschichten konstruktiv erzählt.
So wie es jetzt zum Beispiel unter Trump läuft, dass das Geld dann eben in die Fernerkundung des Weltalls gesteckt werden soll, aber das Erdmonitoring zurückgefahren werden soll, das ist natürlich der Ausdruck von so einer schon ziemlich alten Sichtweise nach dem Motto: Wir können die Erde ruinieren und im Zweifelsfall haben wir so eine Art Notausgang, und dann verabschiedet sich eine kleine Elite, vielleicht die hundert Reichsten oder so, die verabschieden sich dann auf irgendeinen vorbereiteten Planeten, wo sie dann ihre Zivilisation oder die Zivilisation neu begründen. Das halte ich natürlich für absurd. Wir müssen die Technologien, die wir haben, nutzen, um unsere Probleme auf der Erde zu lösen.
Ist dann wirklich das neueste Gadget, das dann für Wirtschaftswachstum sorgt, das Entscheidende, was uns trägt? Oder sind es vielleicht fruchtbare Böden, aus denen wir unsere Nahrung holen? Sind es vielleicht die Bienen, die unsere Pflanzen bestäuben? Ist es vielleicht ein erträgliches Klima, das uns überhaupt ermöglicht, rauszugehen? Und die Wertschätzung dafür, die kann man nicht aufoktroyieren oder dozieren oder propagieren. Die muss man auch als Einzelner lernen, in der Schule zum Beispiel oder im familiären Alltag. Und das ist eine riesige Aufgabe, wo ich, glaube ich, gerade auch sehe, wenn Jugendliche so sehr stark auf digitale Technologien fixiert sind, dann muss man die irgendwie dazu nutzen, auch da für eine lebendige Umweltbeziehung zu sorgen.