Die besten Ideen entstehen oft am Küchentisch. Jutta Papenbrock, Professorin für Botanik an der Leibniz Universität Hannover, und Matthias Pilz, Professor für Wirtschaftspädagogik an der Universität Köln, tauschen sich dort gerne über ihren Hochschulalltag aus. Sie haben nicht nur zwei gemeinsame Kinder im Teenageralter und ihren Familienwohnsitz in Hannover – seit ein paar Jahren haben sie auch eine gemeinsame Lehrveranstaltung, die Studierende der Wirtschaftspädagogik mit Biologiestudierenden zusammenbringt und beide Seiten voneinander lernen lässt.
Lehre
Entrepreneurship Education: Wie Studierende fit für den Arbeitsmarkt werden

Studierende auf die Arbeitswelt vorbereiten
Das Wissenschaftlerpaar hat zum Thema Entrepreneurship Education für Studierende der Biologie eine Lehrveranstaltung konzipiert, die gleichermaßen interdisziplinär wie anwendungsbezogen ist. Denn beide treibt schon seit Längerem die Frage um: „Wie kann ich meine Studierenden fitter für den Arbeitsmarkt machen und dabei zugleich ihren Blick nach rechts und links weiten? Wie kann ich sie ermutigen, eigene (Geschäfts-)Ideen umzusetzen?“ In der Lehrveranstaltung bekommen die Studierenden einen Eindruck davon.
Bei Papenbrock und Pilz klappte es allerdings nicht im ersten Anlauf: Die Lehrveranstaltung gab es zum Zeitpunkt der Bewerbung bereits in ähnlicher Form, sie war aber nach Ansicht der Jury noch optimierungsbedürftig. „Für uns war die kritische Rückmeldung der Jury für einen erneuten Bewerbungsversuch sehr nützlich“, berichtet Matthias Pilz. „Am Anfang waren wir nämlich noch sehr stark auf das Gründen an sich fixiert – das war, unter anderem, offenbar auch ein Kritikpunkt der Jury. Wir haben uns dann etwas davon entfernt und uns mehr am angelsächsischen Modell der Entrepreneurship-Vermittlung orientiert.“ Dieses Modell vermittele zunächst ein breiteres Verständnis für Ökonomie, bevor es konkret um Unternehmensgründung gehe. „Nach diesem Prinzip führen wir die Lehrveranstaltung heute noch durch – und greifen gerne das Feedback der Studierenden auf, um sie weiter zu optimieren.“
„Es ist viel spannender, wenn man Entrepreneurship fächerübergreifend vermittelt: Wenn sich also verschiedene Disziplinen daranmachen, gemeinsam die Möglichkeiten einer Geschäftsidee auszuloten und ihre jeweilige Expertise einbringen.“
Im Seminar praktisch ausprobieren, ob die Geschäftsidee taugt
Die Biologiestudierenden können in der Lehrveranstaltung anhand praktischer Übungen – das sind als Machbarkeitsstudien ausgelegte Fallstudien – selbst ausprobieren, wie belastbar eigene Geschäftsideen sind. Pilz kennt sich übrigens nicht nur als Wirtschaftspädagoge, sondern auch aus eigener Erfahrung damit aus: Als Student war er selbst Gründer eines kleinen Unternehmens und betrieb in seiner Studentenbude einen Weinhandel.
Und auch in der Lehrveranstaltung wird die Realität möglichst stark eingebunden. Um die Präsentationen der Machbarkeitsstudien und die Reflexionen darüber so realitätsnah wie möglich zu gestalten, lädt Jutta Papenbrock Mitarbeitende des Gründungszentrums „starting business“ der Leibniz Universität Hannover und entsprechender Fördereinrichtungen der Stadt Hannover zur Teilnahme ein – als externe wirtschaftsaffine Jurorinnen und Juroren.
„An vielen Hochschulen sind in den zurückliegenden Jahren gezielt Professuren für Entrepreneurship geschaffen worden, auch beispielsweise an meiner eigenen Universität in Köln“, so Pilz. Diese seien aber jeweils einer bestimmten Fakultät und damit einem bestimmten Fachbereich zugeordnet, um dort beim wissenschaftlichen Nachwuchs die Gründungsaktivitäten anzukurbeln. „Viel spannender ist es aber, wenn man Entrepreneurship fächerübergreifend vermittelt: Wenn sich also verschiedene Disziplinen daranmachen, gemeinsam die Möglichkeiten einer Geschäftsidee auszuloten und ihre jeweilige Expertise einbringen – wenn dabei vielleicht Netzwerke entstehen, an die man später wieder anknüpfen kann. Das soll durch unsere Lehrveranstaltung angeregt werden.“
Die Studierenden haben offenkundig Freude daran, sich ohne den Druck, wirklich gründen zu müssen, mit der Machbarkeit von Geschäftsideen zu beschäftigen. So hat sich etwa eine Gruppe von Masterstudierenden der Pflanzenbiotechnologie für eine Machbarkeitsstudie für die Entwicklung von umweltfreundlichen Babywindeln aus Algen entschieden.
Aufschlussreich sei zum Beispiel ein Kompetenztest gewesen, der das ökonomische Wissen der Studierenden zu Beginn abfragte und der am Ende wiederholt wurde. „Das Interessante war: Ein deutlicher Zuwachs an konkretem Wissen ergab sich bei den meisten Studierenden zwar nicht. Aber wir haben die Teilnehmenden auch um eine kleine Selbstreflexion in Form eines Berichts gebeten“, fasst der Wirtschaftspädagoge zusammen. „Dabei kam heraus, dass es den meisten Studierenden nicht ums Gründen geht, sondern dass der Mehrwert unserer Lehrveranstaltung für sie in einer Sensibilisierung und einem besseren Verständnis für ökonomische Themen und Zusammenhänge besteht. Das hat uns in unserem Weg bestätigt.“
Umso mehr freuen sich beide, dass Lehrveranstaltungen zu Entrepreneurship Education in mehrere Studiengänge der Fakultät integriert werden. Jutta Papenbrock hat an der Naturwissenschaftlichen Fakultät derzeit das Amt der Studiendekanin inne – die richtige Position, um innovative Lehrideen voranzubringen. Unterstützung bekommt sie von der Dekanin. Diese, sagt Papenbrock, lege viel Wert auf fundierte Entrepreneurship Education.
In Köln wiederum wurde im Journal der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät zwar über die Lehrveranstaltung und die Förderung durch den Stifterverband berichtet, doch gebe es derzeit keine Pläne, ähnliche fachübergreifende Lehrveranstaltungen anzubieten, sagt Matthias Pilz.
Es ist also viel in Bewegung gekommen seit Beginn der Projektförderung. Und Papenbrock und Pilz – das spürt man deutlich – sind mittendrin im Thema.
