Die Stromnetze Norwegens und Deutschlands sind durch das Seekabel NordLink quer durch die Nordsee verbunden. Es ermöglicht den Austausch von Energie für die Stromversorgung. Beide Länder profitieren bei der Nutzung erneuerbarer Energien von den Strukturen und geografisch-klimatischen Gegebenheiten des jeweils anderen: Windstrom aus Deutschland wird via Kabel nach Norwegen geleitet. „Umgekehrt wird speziell im Frühjahr, nach der Schneeschmelze, in Norwegen viel Energie durch Wasserkraft produziert, von der dann wiederum Deutschland profitiert“, erläutert der Ökonom Tobias Veith. Er benutzt NordLink gerne als anschauliches Beispiel, um zu erläutern, wie der liberalisierte europäische Energiemarkt auch mit erneuerbaren Energien idealerweise funktionieren sollte: Wir verbinden Regionen in Europa, um so erneuerbare Erzeugung mit vorhandenen Speichern optimal zu nutzen.
Anschaulichkeit und praktische Beispiele wie diese sind Veith in der Lehre wichtig. Er ist seit 2014 Professor für Energiewirtschaft an der baden-württembergischen Hochschule Rottenburg nahe Tübingen und unterrichtet Studierende des Bachelorstudiengangs Erneuerbare Energien sowie Masterstudierende des Studiengangs Nachhaltige Energiewirtschaft und -technik (SENCE).
Davor war Veith am ZEW – Leibniz- Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim, dann in der freien Wirtschaft für eine auf Energiewirtschaft spezialisierte Unternehmensberatung tätig. Von dieser Expertise profitieren nun seine Studierenden – zumal Veith der einzige Wirtschaftswissenschaftler im Studiengang ist, alle übrigen Kolleginnen und Kollegen haben einen technischen Fachhintergrund.
Lehre
Pionier in der Onlinelehre

„Neben der finanziellen Unterstützung für die technische Umsetzung ist das Großartige an dieser Förderung der Austausch und die Vernetzung mit den anderen Fellows aus den verschiedensten Fachdisziplinen. “
Kombination aus Onlinekurs und Präsenzveranstaltung
Einblicke in die Materie gibt Tobias Veiths Onlinekurs „Europäische Elektrizitätswirtschaft für Einsteiger“ – nicht nur den Bachelorstudierenden, sondern auch jedem und jeder anderen am Thema Interessierten. In dem frei zugänglichen MOOC (= Massive Open Online Course) veranschaulichen 20 verschiedene, jeweils maximal acht Minuten lange Videos Chancen und Herausforderungen des europäischen Energiemarktes mit vielen Fallbeispielen. Er ist für die Studierenden an eine vorbereitende Präsenzlehrveranstaltung gekoppelt und vermittelt ihnen, wie gut beziehungsweise wie mangelhaft vernetzt die europäischen Länder bei der Energieversorgung agieren – und welche Folgen das hat. Der MOOC bietet zudem umfangreiches begleitendes Onlinematerial sowie Quizze zur Lernkontrolle, deren Fragen sich auf die Videos beziehen. Zusätzlich hat Veith auch einen Fortgeschrittenenkurs exklusiv für Masterstudierende online gestellt.
Klassischer Frontalunterricht taugt nicht für vielschichtige Fächer
Eines war dem heute 41-Jährigen schon bei Antritt seiner Professur klar: Der klassische Frontalunterricht taugt nicht gut dafür, sein vielschichtiges Fachgebiet plastisch zu vermitteln. „Mit dem MOOC habe ich ein Lehrformat gefunden, das durch seine Kombination verschiedener medialer Kanäle ebenso informativ wie interaktiv und für die Studierenden zudem sehr unterhaltsam ist. Präsenzveranstaltungen mit Online-Selbstlerneinheiten zu verzahnen, hat sich bewährt. Das Feedback der Studierenden war sehr positiv“, sagt Veith.
Austausch unter den Fellows
Auch vor diesem Hintergrund haben sich die Fellowtreffen und die jährliche Fellow-Lehrlernkonferenz als sehr fruchtbar erwiesen: Veith lernte den Juristen und Professor Michael Frey von der Hochschule Kehl als „Mitfellow“ kennen. Frey hat sich auf energierechtliche Aspekte spezialisiert. Schnell war die Idee einer neuen, gemeinsamen Onlinelehrveranstaltung zwischen Rottenburg und Kehl geboren und umgesetzt: „Meine Studierenden konnten so ihr Wissen über Energierecht vertiefen, die Kehler Studierenden bekamen von mir den wirtschaftlichen Input.“
Fellowship als Schub für Digitalisierungsstrategie
Was ihn sehr freut: Sein MOOC-Projekt hat der Digitalisierung an seiner Hochschule starken Auftrieb gegeben. „Ich bin Digitalisierungsbeauftragter in Rottenburg geworden – in den vergangenen Jahren haben wir ein eigenes Büro für die Digitalisierung der Lehre aufgebaut.“ Als Veith an die Hochschule kam, „waren solche MOOCs noch ein Novum“, erinnert er sich. Doch seine Kolleginnen und Kollegen seien neugierig und aufgeschlossen gewesen. Deshalb sei heute multimedialer Unterricht auch in den anderen Studiengängen der Hochschule Normalität. Dabei geholfen hätten Drittmittel von je bis zu 5.000 Euro, die das Land Baden-Württemberg über die Hochschulen an Kleinstprojekte vergebe.
Auch für sein eigenes Fach plant Veith weitere Onlinelehre. Etwa zum Thema CO2-Einsparung. Das ist nicht nur für Studierende relevanter Lernstoff: „In Unternehmen gibt es viel Einsparungspotenzial. Aber es fehlt dort oft an den notwendigen Daten und Informationen, um Maßnahmen wirkungsvoll umzusetzen“. Und mit Blick auf den späteren Arbeitsmarkt seiner Absolventinnen und Absolventen fügt er hinzu: „Es ist auch ein gutes Thema, um Unternehmen und Studierende enger zusammenzubringen.“
