„Niemand ist eine Insel“, schrieb der englische Dichter John Donne vor mehr als 400 Jahren. Der Satz wurde zum geflügelten Wort und passt auch für die Wissenschaft: Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler arbeiten im Gefüge mit anderen – ohne Austausch untereinander und ohne Vernetzung funktioniert die Wissenschaftsgesellschaft nicht.
Als der Jurist und Richter Frank Bleckmann sich vor rund zehn Jahren als Lehrbeauftragter an die Universität Konstanz abordnen ließ, weil ihn die Aufgabe reizte, den Juristennachwuchs auszubilden, musste er das eine oder andere Mal an diesen Satz denken. „Gerade als Lehrender, der Energie und Kreativität in Lehrkonzepte steckt, fühlte ich mich manchmal etwas einsam und wie eine kleine Insel innerhalb eines Fachbereichs. Besonders dann, wenn ich den Eindruck hatte, dass Kolleginnen und Kollegen dieses Engagement nicht unbedingt teilen“, sagt Bleckmann rückblickend. Heute ist er als Vorsitzender Richter am Landgericht Freiburg tätig und bildet Rechtsreferendare und Rechtsreferendarinnen aus.
Lehre
Lehrende, die begeistern können

„Wer als Wissenschaftler oder Wissenschaftlerin exzellent in der Lehre ist, aber weniger intensiv forscht und publiziert als die Kolleginnen und Kollegen, hat in seinem Fach meist auch ein weniger gutes Standing“

Vernetzung als Schlüssel, um Lehre weiterzuentwickeln
Die Förderung im Fellowship-Programm war ausdrücklich für Einzelpersonen vorgesehen, nicht für Institutionen oder ganze Hochschulen. „Wer innovative Konzepte entwickelt, braucht Zeit und Vernetzung. Denn es geht ja darum, die Lehre von einem neuen Blickwinkel aus zu betrachten, der eine Bereicherung für das Curriculum ist und die Kultur eines Studienfaches verändern kann“, sagt Bettina Jorzik, die den Programmbereich „Lehre und akademischer Nachwuchs“ des Stifterverbandes leitet und das Fellowship-Programm konzipiert hat.
Deshalb umfassten die Fellowships, die in den drei Kategorien Senior (Juniorprofessorinnen und -professoren, habilitierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler und Professorinnen und Professoren), Junior (Doktorandinnen und Doktoranden, Postdocs oder wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter) und Tandem (zwei Lehrende, auch von verschiedenen Hochschulen, mit einem gemeinsamen Konzept) vergeben wurden, nicht nur Geldmittel zwischen je 15.000 und 30.000 Euro, um Sachmittel oder Hilfskräfte zu finanzieren. Jedes Jahr fanden auch zwei Fellow-Treffen sowie eine Lehr-Lern-Konferenz statt: für den Austausch untereinander über Erfolge sowie Rückschläge, für gemeinsame Ideen und für die Vernetzung.
Das Programm hat vielen Lehrenden Bestätigung und einen großen Motivationsschub gegeben, vor allem aber die Gewissheit, mit ihrem Engagement nicht allein zu sein, wie Jurist Frank Bleckmann bestätigt: „Es war fantastisch, mit so vielen engagierten Personen zusammenzukommen. Insofern war das begleitende Programm der Fellowships mindestens ebenso wichtig wie die finanzielle Förderung.“
„Um beispielsweise die Abbruchzahlen in einigen Studienfächern zu senken, braucht es exzellente Lehrende, die begeistern können.“

Gute Lehre gegen hohe Abbruchquoten
Speziell Fächer mit hohen Abbruchquoten – etwa in den Ingenieurwissenschaften oder auch im Jurastudium – können neue Impulse für die Lehre gut gebrauchen. Die geförderten Fellows entwickelten die Konzepte dafür: etwa mit Lehrveranstaltungen für Studienanfängerinnen und -anfänger wie die des Juristen Bleckmann oder Lehrformate, die die Grundlagen wissenschaftlichen Arbeitens vermitteln; originelle Konzepte für forschendes oder problembasiertes Lernen; mehr Praxisbezug, etwa durch Serious Games oder Planspiele. Auch neue Prüfungsformate, die Kompetenzen und nicht nur Fakten abrufen, tragen dazu bei, Studierende zu motivieren.
Sie sagt: „Um beispielsweise die Abbruchzahlen in einigen Studienfächern zu senken, braucht es exzellente Lehrende, die begeistern können. Dennoch liegt in Berufungsverfahren an Hochschulen immer noch das Hauptaugenmerk auf der Forschungsexzellenz. Dabei sollte es umgekehrt sein: Zuerst sollte man die Kollegin oder den Kollegen bei einer Probelehrveranstaltung kennenlernen, danach erst auf die Publikationsliste schauen.“
Bettina Jorzik vom Stifterverband zieht insgesamt ein positives Fazit des Programms: „Viele Fellows berichten mir, dass sie sich auch außerhalb der von uns organisierten Treffen regelmäßig über ihre Erfahrungen austauschen.“ Und: „Es ist eine Freude zu sehen, wie unbeirrbar engagiert sich alle Fellows – egal ob Doktorandinnen und Doktoranden, Postdocs oder Professorinnen und Professoren – der Weiterentwicklung ihrer Lehre verschrieben haben. Viele von ihnen sind in ihren Instituten und Fachbereichen Einzelkämpfer beziehungsweise Einzelkämpferinnen – umso wichtiger und wertvoller ist die Vernetzung mit Gleichgesinnten. Der Grundstein dafür konnte offensichtlich bei den Fellow-Treffen gelegt werden.“
Während es einigen Fellows letztlich nicht oder nur teilweise gelang, die von ihnen entwickelten Lehrveranstaltungen dauerhaft zu implementieren, führte das Fellowship für andere dagegen zu weiteren internen Förderungen oder Lehrpreisen an ihrer Hochschule.
Die Baden-Württemberg Stiftung hat die Erfolgsfaktoren durch Begleitforschung untersuchen lassen. Dabei bestätigte sich: Je stärker die Fellows sozial vernetzt sind, desto ausgeprägter ist die Verstetigung ihres Innovationsprojekts. Und auch: Je besser das Standing der Lehrenden im Fachbereich ist und je größer die Unterstützung durch Instituts- oder Fakultätsleitungen, desto besser sind die Aussichten für ihr Lehrkonzept. Auch das individuelle Engagement und Beharrungsvermögen sowie Überzeugungskraft spielen bei der Verstetigung eine wichtige Rolle.
Einige Lehrende haben sich mehrfach für die Fellowships beworben und sind mit ihren immer weiter entwickelten Konzepten am Ball geblieben, bis sie die Jury schließlich überzeugen konnten. Für Bettina Jorzik ist das ein Beleg dafür, wie groß der Bedarf an personengebundenen Förderprogrammen für die Lehre ist.
Wie geht es nach Ende des Programms weiter
Damals wie heute gab und gibt es keine vergleichbaren Initiativen – von dem ebenfalls sehr nachgefragten Schwesterprogramm „Innovationen in der digitalen Lehre“ des Stifterverbandes und der Wissenschaftsministerien in NRW und Thüringen einmal abgesehen. Dieses wird für Thüringen fortgeführt.
Mittlerweile hat zwar die von Bund und Ländern finanzierte Stiftung für Innovation in der Hochschullehre ihre Arbeit aufgenommen – doch hat diese Förderung, so wichtig sie auch ist, einen Haken. „Anträge stellen können bislang nur Institutionen, keine Einzelpersonen, ähnlich wie vor einigen Jahren beim Qualitätspakt Lehre“, sagt Bettina Jorzik bedauernd. Sie hofft, dass das Netzwerk der Fellows auch nach dem Ende des Programms weiter besteht. Die Chancen stehen nicht schlecht: „Derzeit diskutieren wir, wie wir unsere Treffen künftig selbst organisieren können“, sagt Fellow Petra Morschheuser.
Denn: Die wohl größte Herausforderung für die Lehrenden ist derzeit die Corona-Krise, die alle Hochschulen noch eine Weile beschäftigen wird. Kreative Ideen für Online- und Blended Learning sind gefragt – das macht funktionierende Netzwerke wichtiger denn je.
