Ich finde die These, dass der Lehrkräftemangel an Berufsschulen nur durch eine federführende Einbindung der HAWs gelöst werden kann, nicht gut formuliert. Durch die Klammer weiß man nicht, worüber überhaupt abgestimmt werden soll. Es gibt doch bereits viele Kooperationsmodelle zwischen HAWs und Universitäten. Was fehlt, sind belastbare Daten, um den Erfolg dieser Modelle zu bewerten. Der Fokus sollte nicht nur auf der Quantität, sondern auch auf der Qualität der Lehrkräfteausbildung liegen.
Neue Modelle, die die HAWs eigenständig in die Lehrkräftebildung einbinden, führen lediglich zu einer größeren Unübersichtlichkeit. Es gibt jetzt schon 52 Standorte, an 34 davon werden zwei, drei oder vier unterschiedliche Modelle in Kooperation mit HAWs angeboten. Die Angebotssituation ist für Studieninteressierte schon jetzt schwer zu überblicken. Neue Modelle würden nur noch mehr Verwirrung stiften.
Ob sich die Mangelsituation durch Federführung der HAWs beheben lässt, ist angesichts des immensen Einbruchs der Studierendenzahlen in den letzten zehn Jahren bei den Ingenieurwissenschaften sehr fraglich. Die HAWs haben genau in den Mangelfächern Maschinenbau und Elektrotechnik noch mehr Studierende verloren als die Universitäten. Warum dann über neue Modelle an den HAWs mehr Studierende zu gewinnen sein sollen, diese Logik erschließt sich mir nicht.
Auch die Argumentation, dass die HAWs sozial näher an den Berufsschulen dran sind, ist nicht stichhaltig. Die aktuelle Sozialstruktur der Studierenden in den Lehramtsstudiengängen für berufsbildende Schulen ist bereits jetzt näher an den Schülerinnen und Schülern dran als die an den HAWs. Über 60 Prozent der Studierenden in den Lehramtsstudiengängen haben eine Berufsausbildung und genauso viele wie an den HAWs haben kein klassisches Abitur, was zeigt, dass wir die anvisierten Zielgruppen bereits jetzt erschließen.
Neue Modelle sind auch für die Berufswahlneigung irrelevant. Aktuelle Forschungsbefunde zeigen, dass sich Schülerinnen und Schüler viel mehr für den Beruf interessieren als für Studiengangmodelle. Zudem hängt die Berufswahlneigung nicht von den Studiengangmodellen ab, sondern von der Identifikation mit dem Beruf.
Sich auf Erfahrungen mit praxisnaher Ausbildung und im Umgang mit Schülerinnen und Schülern aus Berufsschulen zu berufen, reicht nicht aus, um Lehrkräfte auszubilden. Dahinter steht ein völlig veraltetes Mindset von Lehrkräftebildung.
Zudem haben die HAWs nicht die nötigen Ressourcen, um die Fachdidaktik, die Bildungswissenschaften inklusive der Berufspädagogik angemessen abzudecken und die Ausbildung bezogen auf die aktuellen Problemlagen weiterzuentwickeln. Der Aufbau von parallelen Strukturen wäre enorm kostenintensiv. Stattdessen sollten die bestehenden Kooperationsmodelle gestärkt und weiter ausgebaut werden.
Ich bin überzeugt, dass neue Modelle nicht helfen werden. Sie würden die Situation nur verschlimmern und dem Ansehen des Lehramts gegebenenfalls schaden. Wir sollten die bestehenden Strukturen stärken und die Qualität der Lehrkräfteausbildung verbessern, anstatt neue Modelle zu schaffen, die nur mehr Probleme verursachen.