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Zukunftsmission Bildung · Lehrermangel

StreitBAR: Duales Studium versus Referendariat

Illustration Diskussion
(Illustration: iStock)

Im Rahmen der Zukunftsmission Bildung veranstaltet der Stifterverband mit der „StreitBAR“ eine digitale Gesprächsreihe zu besonders kontroversen Themen der Lehrkräftebildung. In diesem für den deutschsprachigen Kulturraum eher ungewöhnlichen Format werden – ausgehend von einer zugespitzten These – die Argumente pointiert herausgearbeitet. Das Publikum kann sich mit Fragen und Kommentaren einbringen.

In der dieser Ausgabe des Formats ging es um die Frage, welche Rolle Hochschulen für angewandte Wissenschaften in der Lehrkräftebildung spielen können. Die These lautete:

DISKUSSIONSTHESE

Unterrichten ist ein Handwerk, für das es eine bessere Verzahnung von Theorie und Praxis in der Ausbildung braucht. Das Referendariat sollte daher zugunsten eines dualen Studiums abgeschafft werden.

Es diskutierten:

PRO: Myrle Dziak-Mahler
Geschäftsführerin der lernlog gGmbH

KONTRA: Mark Dengler
Stellv. Bundesvorsitzender des Bundesarbeitskreises Lehrerbildung e. V. (bak)

Wir haben die zentralen Diskussionspunkte der beiden Diskutanten zusammengefasst. Den Mitschnitt der gesamten Veranstaltung dokumentieren wir am Ende dieses Beitrags.

Myrle Dziak-Mahler
Myrle Dziak-Mahler (Foto: privat)

Ich bin der festen Überzeugung, dass die aktuelle Lehrkräfteausbildung dringend reformiert werden muss. Das Referendariat, wie wir es kennen, ist überholt und belastet die angehenden Lehrkräfte enorm. Studien zeigen, dass 78 % der Referendarinnen und Referendare psychische und 70 % körperliche Gesundheitsprobleme während dieser Zeit haben. Zudem empfinden 80 % der Referendarinnen und Referendare die Vorbereitungszeiten für Unterrichtsbesuche als zu lang und zu stressig. Das sind alarmierende Zahlen, die uns zeigen, dass das System nicht mehr zeitgemäß ist.

Hinzu kommt die gigantische Abbrecherquote im Lehramtsstudium. Trotz aller Bemühungen, die Praxisorientierung im Studium zu stärken, gelingt es uns nicht, die Zahl der Studienabbrecherinnen und Studienabbrecher zu senken. Gleichzeitig stehen wir vor einem massiven Lehrkräftemangel und einer zunehmenden Belastung der Schulen durch marode Gebäude, fehlende digitale Ausstattung und andere strukturelle Probleme. Wir können es uns nicht leisten, an alten Strukturen festzuhalten.

Deshalb plädiere ich für eine einphasige Lehrkräfteausbildung, die Theorie und Praxis von Anfang an verzahnt. Ein duales Studium, bei dem die angehenden Lehrkräfte bereits während des Studiums praktische Erfahrungen in Schulen sammeln, wäre ein Schritt in die richtige Richtung. Wir müssen weg von der Trennung in verschiedene Phasen – Studium, Referendariat, Berufseinstieg – und hin zu einem integrierten Ansatz, der die Stärken aller Phasen vereint.

Ein solches Modell wurde bereits vor über 50 Jahren in Oldenburg erfolgreich getestet. Die Ergebnisse waren positiv, es zeigt, dass es möglich ist, eine Lehrkräfteausbildung zu gestalten, die sowohl theoretisch fundiert als auch praxisnah ist. Schlussendlich wurde das Projekt aus politischen Gründen eingestellt. 

Wir brauchen mutige Veränderungen, um die Lehrkräfteausbildung zukunftsfähig zu machen. Es geht nicht darum, das Referendariat schlechtzureden, sondern darum, eine Ausbildung zu schaffen, die den Anforderungen der heutigen Zeit gerecht wird. Nur so können wir sicherstellen, dass unsere Schulen in Zukunft gut ausgebildete und motivierte Lehrkräfte haben.

Mark Dengler
Mark Dengler (Foto: privat)

Die Diskussion über die Abschaffung des Referendariats zugunsten eines dualen Studiums halte ich für problematisch. Natürlich gibt es berechtigte Kritikpunkte am Referendariat, aber wir sollten beachten, dass es auch viele Stärken hat. Das Referendariat bietet als einzige Phase im Professionalisierungsprozess Raum für kontinuierliche Reflexion und persönliche Begleitung durch erfahrene Praktikerinnen und Praktiker – etwas, das ein Studium allein nicht leisten kann.

Ein duales Studium klingt zwar attraktiv, wirft aber eine Reihe praktischer Fragen auf. Wie sollen Studierende zwischen Universität und Schulen in der Fläche pendeln? Wer soll die Kosten für zusätzliche Wohnungen oder Mobilität tragen? Und wie lassen sich die unterschiedlichen Zeiten von Semester und Schuljahr koordinieren? Diese Herausforderungen sind nicht zu unterschätzen und machen die Umsetzung eines dualen Studiums schwierig.

Das Referendariat ist ein bewährtes Modell, das Theorie und Praxis zusammenführt. Es gibt den angehenden Lehrkräften die Möglichkeit, in einer geschützten Umgebung Erfahrungen zu sammeln und sich zu reflektieren. Ein duales Studium könnte diesen Raum nicht in gleichem Maße bieten.

Statt über die Abschaffung des Referendariats nachzudenken, sollten wir uns darauf konzentrieren, die bestehenden Phasen der Lehrkräfteausbildung zu stärken und besser zu verzahnen. Wir brauchen eine stärkere Kooperation zwischen Universitäten, Seminaren und Schulen, um eine kohärente Theorie-Praxis-Verbindung zu schaffen. Das würde die Qualität der Lehrkräfteausbildung nachhaltig verbessern.

Auch die hohen Abbruchquoten im Lehramtsstudium sind ein Problem, das wir ernst nehmen müssen. Aber das liegt nicht allein an der Ausbildung. Viele Studierende sind sich einfach nicht sicher, ob sie den richtigen Weg eingeschlagen haben. Das spricht nicht gegen die Qualität von Studium oder Referendariat, sondern zeigt, dass wir im Wettbewerb mit der freien Wirtschaft stehen, die in Zeiten allgemeinen Fachkräftemangels jungen Menschen attraktive Alternativen bietet.

Letztlich geht es darum, die Qualität der Lehrkräfteausbildung zu sichern und zu verbessern. Das Referendariat hat dabei eine wichtige Funktion, die wir nicht aufgeben sollten.

Illustration Diskussion
(Illustration: iStock)

Mitschnitt der StreitBAR Duales Studium statt Referendariat?

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