Felicitas Thiel ist Co-Vorsitzende der Ständigen Wissenschaftlichen Kommission der Kultusministerkonferenz (KMK) sowie Professorin für Schulpädagogik und Schulentwicklungsforschung an der Freien Universität Berlin. Sie plädiert in diesem Video dafür, die Ausbildung von künftigen Lehrerinnen und Lehrern stärker zu steuern und die einzelnen Ausbildungsphasen besser aufeinander abzustimmen.
Interview und Videoproduktion: Corina Niebuhr, Webclip Medien Berlin
Wir dürfen nicht nur über Quantität reden, was wir im Grunde die letzten zehn Jahre getan haben, sondern wir müssen über Qualität reden. Und die Herausforderungen für Lehrkräfte haben sich so verändert und sind so gewachsen, dass wir dafür auch qualifizieren müssen.
Lehrkräfte brauchen diagnostisches Wissen, sie brauchen Wissen über unterschiedliche Ausgangsvoraussetzungen, entwicklungspsychologisches Wissen, selbstverständlich fachdidaktisches und fachliches Wissen. Wir haben die Anforderung, dass Lehrkräfte etwas lernen mit Bezug auf die Kinder, mit denen sie adressiert sind. Und das sind nicht nur die Zuwanderungskinder, sondern viele andere. Und deswegen ist das unsere wichtigste Botschaft. Im Zentrum steht der Unterricht. Wie kann man guten Unterricht halten? Und wir haben ja auch versucht, das mal anschaulich zu beschreiben in so einem Modell des kumulativen Kompetenzaufbaus. Da haben wir im Grunde die Forschung dazu verdichtet, wie man für solche Professionen ausbildet. Und das kann man auch eins zu eins auf die Medizin übertragen, dass man erstmal theoretische Kernkonzepte, Wissen braucht, dass man auf dieser Grundlage erst Probleme entdeckt in einer komplexen Praxis, dass man dann Handlungsstrategien entwickeln muss und nicht einfach nur einschleifen und die dann auch reflektieren muss. Dazu braucht man gute Kriterien, um nicht irgendwas zu machen und dann muss eben die erste Praxis auch begleitet werden mit einem guten Expertenfeedback. Das sind die Punkte, die müssen erfüllt sein. Und da haben wir gute Fortschritte gemacht in der Lehrkräftebildung. Das ist nicht alles schlecht und sollte auch nicht alles schlecht geredet werden.
Wir müssen jetzt und da finde ich auch die Allianz für Lehrkräftebildung super, dass sie sagen, wir identifizieren das, was es jetzt eben auch gibt, machen das mal mit dieser Landkarte transparent, weil da ist viel entstanden durch die Qualitätsoffensive. Und das müssen wir eben prüfen. Ist das gut? Wie können wir das dann auch in die Fläche bringen? Unsere Aufgabe ist ja erst mal, dass wir eine gute Situationsanalyse machen. Und dann schauen wir, welche Evidenz gibt es denn eigentlich auch und wenn wir keine Evidenz haben, dann gucken wir auch nach guten Theorien oder Erfahrungen, die sich bewährt haben und auf dieser Grundlage empfehlen wir dann, welche Maßnahmen können wir implementieren, um dieses Problem zu adressieren. Das ist unsere Art der Arbeit und im Zentrum des Bildungssystems stehen natürlich immer Lehrkräfte, es steht immer der Unterricht, deswegen gucken wir da genau hin, aber natürlich ist es auch wichtig, wie das Steuerungssystem drumherum funktioniert. Und da haben wir gerade bei der Lehrkräftebildung auch ganz große Probleme. Das hat ja auch der Stifterverband in seinem Gutachten adressiert. Diese Steuerungsprobleme, die sich einfach daraus ergeben, wie die Lehrkräftebildung organisiert ist. Wir haben unterschiedliche Fächer in so einer komplexen Organisation wie der Universität. Da haben wir schon mal das erste Steuerungsproblem.
Wir haben diese Theorie-Praxis-Verknüpfung, die Verknüpfung der beiden Phasen und wenn man das weiter fortspinnt, dann eben auch die dritte Phase und die Weiterbildung. Und all das haben wir versucht in dem Gutachten zu adressieren und im Grunde auch den Zusammenhang klar zu machen, weil wir brauchen ja ein kohärentes Modell von der Ausbildung bis hin zur Weiterbildung.
Was ich ganz toll finde, weil der Stifterverband ist ja ein Netzwerk, das auch in die Hochschulen reinreicht, wenn man die Hochschulen dafür gewinnen könnte, sich stärker zu engagieren. Erstens bei der Ausbildung der Quereinsteigerinnen. Wir haben ja diesen Einfach-Master vorgeschlagen. Das ist ja ein Quereinstiegsmodell, was sehr, sehr gut kompatibel ist mit den Strukturen der Hochschulbildung oder Lehrkräftebildung an Hochschulen. Und wir finden es auch ganz, ganz wichtig, dass die Hochschulen mehr in der Weiterbildung tun.
Da gibt es ja jetzt auch eine Initiative von der HRK, das Papier zur Weiterbildung gerade publiziert wird. In Berlin wird das auch diskutiert. Es scheint eine Bereitschaft zu geben, diese Dinge anzugehen. Und da könnte ich mir sehr gut vorstellen, dass gerade der Stifterverband ein zivilgesellschaftlicher Akteur ist, der auch in die Hochschulen reinwirken kann, bei diesem wichtigen Thema Weiterbildung und Qualifizierung sozusagen im zweiten Weg für einen Einfachmaster. Ich finde es gut, wenn es unterschiedliche Konzepte gibt, die man auch diskutieren kann.
Wir haben bestimmte Konzepte vorgeschlagen, von denen wir glauben, dass sie gut begründet sind. Aber wir sind ja nicht diejenigen, die die Autorität haben, sozusagen nur Konzepte zu entwickeln. Es gibt ja viele andere gute Vorschläge auch. Insofern finde ich, wir sollten an einem Strang ziehen, wenn es darum geht, eine qualitativ hochwertige Lehrerbildung zu verankern. Und dazu gehört für mich schon auch die Wissenschaftsorientierung. Wissenschaftsorientierung auf der einen Seite, Professionsorientierung auf der anderen Seite, das müssen zwei Seiten einer Medaille sein. Und wir sollten uns einig darüber sein, dass wir sozusagen die professionelle Reputation des Lehrerberufs nicht ruinieren in den ganzen Vorschlägen, die wir jetzt auch implementieren wollen. Aber da finde ich, da müssen wir zusammengehen. Aber was die Vorschläge betrifft, finde ich Pluralität überhaupt nicht schlimm.