Peter Daschner: Über die Fortbildung von Lehrkräften

"Die Bedeutung der Fortbildung zeichnet sich zum Beispiel dadurch aus, dass sie gesetzlich vorgeschrieben ist."

Video abspielen
Peter Daschner über die Fortbildung von Lehrkräften (Video)
Peter Daschner über die Fortbildung von Lehrkräften (Video)
©
Youtube

 
Peter Daschner, ehemaliger Direktor des Landesinstitutes für Lehrerbildung und Schulentwicklung in Hamburg, plädiert in diesem Interview für eine bessere und intensivere Fortbildung von Lehrkräften. Obwohl die Fortbildung gesetzlich vorgeschrieben ist, ist sie in den meisten Bundesländern nicht klar definiert und kann deshalb – so Daschner – auch nicht überprüft werden. Nur Bayern, Hamburg, Bremen und Berlin definieren die Fortbildung bis jetzt eindeutig, zum Beispiel bei der Stundenanzahl pro Jahr.

Mit gut fortgebildeten Lehrern könne man auch eine gute Schulentwicklung betreiben, meint der ehemalige Schulleiter Daschner. Die Investition in Fortbildung lohne sich auf jeden Fall. Aber es müsse eben auch investiert werden. Daschner empfiehlt, dass sich Schulen wieder stärker auf Eigenverantwortung besinnen. Die Eigeninitiative von Lehrkräften und Schulleitungen erhöhe die Identifikation mit der eigenen Schule.

Interview und Produktion: Corina Niebuhr, Webclip Medien Berlin

 

Transkript des Videos

Ich würde die Transparenz und die Vergleichbarkeit vergrößern. Es ist ein Dschungel. Jedes Bundesland hat eigene Maßstäbe. Es ist schwer, sich miteinander zu vergleichen.

Heutzutage spielen Daten eine große Rolle in der Schule. Es wird gemessen, Kompetenzen werden gemessen, Klassen werden verglichen. Man kann sogar den Fortschritt oder den Entwicklungsverlauf einzelner Schüler nachvollziehen. Das ist nicht ein Allheilmittel, aber es schafft mehr Gewissheit, was das bewirkt, was man investiert, was man macht. Das muss nicht jeden Tag eine Rolle spielen, aber früher hat das überhaupt keine Rolle gespielt. Und deshalb sind wir vom Sessel gefallen, als wir die Ergebnisse des ersten PISA-Vergleichs hörten im Jahr 2000. Der PISA-Schock kommt von daher. Jetzt schockiert es einen nicht mehr so. Manche Schulen, es ist auch überdrüssig, aber wenn man es kontinuierlich macht, Hamburg ist da ein gutes Beispiel dafür, wir machen das wirklich flächendeckend und kontinuierlich und mehr als das in anderen Ländern ist. Wir sind eine Stadt, da geht das leichter.

Allein wenn man etwas beforschen will, wenn man etwas vergleichen will, braucht man gesicherte Daten und die haben wir auf vielen Feldern zurzeit, gerade im Bereich der dritten Phase der Lehrerfortbildung, haben wir die nicht. Und die sollten wir haben. Und wenn da eine Allianz dafür steht und das etwas von der KMK fordert, glaube ich, ist die Chance größer, dass es auch gemacht wird.

Die Bedeutung der Fortbildung zeichnet sich zum Beispiel dadurch aus, dass sie gesetzlich vorgeschrieben ist. Also, in allen Schulgesetzen der Länder, der 16 Länder, steht, dass die Lehrer nicht nur gut ausgebildet werden sollen, sondern sich auch berufslang fortbilden sollen, weiterbilden sollen. Ist ja auch klar, es ändert sich ja ständig was. Wenn Sie die Ärzte angucken, die müssen zum Beispiel 50 Stunden im Jahr sich weiterqualifizieren und wenn man Patient ist, hat man ein besseres Gefühl, wenn man zu einem Arzt kommt, der so state of the art ist. Und bei Lehrkräften soll das auch so sein, aber, und das ist das Seltsame, diese Verpflichtung, diese gesetzliche Verpflichtung ist nicht definiert. Also deshalb kann sie auch gar nicht sozusagen überprüft werden. Außer vier Länder. Bisher Bayern, Bremen und Hamburg und seit kurzem auch Berlin. Zum Beispiel, da ist sie definiert, in Hamburg ist es so, 30 Stunden im Jahr außerhalb der Unterrichtszeit muss eine Lehrkraft sich weiter qualifizieren. In den beruflichen Schulen zum Beispiel 45 Stunden. Das finde ich ganz toll. Ich war früher mal Schulleiter. Damit kann man wirklich Schulentwicklung betreiben. Wenn Sie ein Kollegium mit 80 haben, haben Sie 2.400 Stunden, die die Kollegen im Interesse der Schule sich weiterqualifizieren. Und das ist was Tolles.

Die SWK, die Ständige Wissenschaftliche Kommission der KMK, die ja eben ein Gutachten abgeliefert hat, ein großes zur Lehrerbildung, die empfiehlt das. Die macht eine Empfehlung und sagt: Nehmt das ernst, was ihr gesetzlich vorgeschrieben habt und macht diese Verpflichtung! Da könnte man fragen: Warum machen das manche Länder nicht? Die meisten Länder nicht, weil es Geld kostet. Wenn man eine feste Zahl erhebt, dann muss man auch dafür ein entsprechendes Angebot bereitstellen. Das ist nicht in allen Ländern so. Die Gewerkschaften sehen das vielleicht auch skeptisch. Die sagen, dann steigt die Arbeitsverdichtung umso mehr. Unser Stundenmodell, unser Arbeitszeitmodell nach Stunden, nach Unterrichtsstunden, gibt das auch schlecht her. Also, kurz gesagt, man müsste auch ein bisschen mehr investieren. Und da bin ich ja sowieso dafür. Also insofern empfehle ich das.

Die Allianz ist ja erst jetzt aufgerufen, und sie hat ja immerhin schon was vorgelegt, einen Masterplan mit sehr vielen Punkten, die sich auf das Thema der Lehrerqualifizierung und der Verbesserung des Studiums und der Verbesserung der Weiterbildung beziehen. Was ich vorschlagen würde, wie man beginnen sollte oder was jetzt kommen sollte, wäre erstmal an diesem Masterplan weiterarbeiten. Also den Masterplan nicht als fertiges Produkt sehen, sondern als Work in Progress, an dem man weiterarbeiten kann. Ich war neulich auf einer anderen Tagung. Da haben wir in einem dreistündigen Workshop an einem dieser Punkte, die dort fixiert sind, weitergearbeitet, haben es ausgebaut. Zum Beispiel, wir haben Prüffragen gestellt an das System der Qualifizierung der Seiteneinsteiger und haben da sozusagen Empfehlungen erarbeitet. Die wollen wir gerne einbringen in diesen bestehenden Masterplan, stelle ich mir vor, wie bei Wikipedia. Schlaue Leute ergänzen das, führen das fort oder berichtigen das eventuell, was da steht, so dass im Laufe der Zeit ein gereiftes Modell, ein Handlungsmodell entsteht.

Und jetzt ganz konkret denke ich mir, diesen Quer- und Seiteneinstieg, den muss man qualifizieren. Das wäre ein großer Schritt, und das ist gar nicht so schwierig, sich darauf zu einigen, glaube ich, zwischen den Ländern. Man muss es aber tun und wenn die das nicht unter sich tun, dann muss man ein bisschen nachhelfen, und das stelle ich mir, also mit denen zusammen und deshalb stelle ich mir das gut vor.

Wo wird denn Fortbildung, wenn man sich weiterqualifiziert, wo wird das wirksam? Am Arbeitsplatz, in der Schule. Also, ich war mal Schulleiter, und unsere erste Aktivität, unsere erste gemeinsame Aktivität war per Bus nach Bielefeld in die Laborschule. Mit dem Professor Hentig sprechen, mit den Lehrkräften sprechen, die haben alles ganz anders gemacht, als wir das gewohnt waren. Und das war richtig ein Augenöffner für uns. Das ist die eine Sache, die Fortbildung leisten muss: von anderen lernen. Der andere Hebel ist, anzusetzen an der Schule selber, also sozusagen entgegenkommende Verhältnisse schaffen. Zu gucken, dass an der Schule, dass es eine gute Binnenarchitektur gibt, dass in Teams gearbeitet wird, dass man gemeinsame Zeiten findet und die auch im Stundenplan sozusagen festschreibt, wo sich Jahrgangsteams treffen, wo sich bestimmte Fortbildungsgruppen treffen und so weiter. Also, solche Verhältnisse. Und die kann man fördern. Da kann man etwas dafür tun.

Zum Beispiel das Landesinstitut in Hamburg hat ein Netzwerk von Fortbildungsbeauftragten der einzelnen Schulen. Also von denjenigen, die sich um die Fortbildung kümmern. Das muss eine Person sein, zusammen mit der Schulleitung. Und wenn die sich untereinander vernetzen, dann erfahren sie was von anderen Schulen. Es gibt in Hamburg 36 Hospitationsschulen, die sich öffnen für die Kollegen aus anderen Schulen zu bestimmten Themen. Also, das sind wunderbare Einrichtungen.

Ich finde, man muss die Systeme an der Basis stark machen. Ich habe immer schon für die Schulautonomie, so nannten wir das großmächtig, Schulautonomie gesprochen, also für die größere Verantwortlichkeit der Schulen, und auf die sollte man sich wieder besinnen und sie stärken. Weil die Eigeninitiative von Lehrkräften und von Schulleitungen, wenn sie selbst etwas bestimmen können, zum Beispiel wenn sie ein schulinternes Curriculum entwickeln, wenn sie an ihrem Schulprogramm weiterarbeiten, das erhöht die Identifikation mit der Schule. Wenn man die Eltern hinzuzieht, dann zieht das Kreise, es spricht sich rum, es ist wie aus einem Guss dann innerhalb der Schule. Und das macht die Ergebnisse besser. Da gibt es, das ist auch nachzuweisen, dass es so ist.

Im eigenen Lebenslauf wünscht man sich natürlich, dass es vorangeht, dass es aufwärts geht, dass da, wo man ist, der Fortschritt ist. Das wünscht man sich. Aber wenn ich es bilanzierend betrachte, würde ich sagen, dass sich vieles wirklich verbessert hat. Meine Schulleiterqualifizierung, für die es heute ausgefeilte Programme gibt, die Kultusministerkonferenz arbeitet zum Beispiel gerade an einem Portfolio, was dort alles sein muss, was Schulleiter können müssen und wie man sich qualifizieren muss. Damals waren wir in einem Schullandheim, eine Woche, 30 junge Schulleiter und da kamen Leute aus der Schulverwaltung und haben uns erklärt, wie man mit Unfällen umgeht und bei Einsprüchen und sowas. Und abends kam der Landesschulrat und hat Gitarre gespielt. Also, das war unsere Vorbereitung. Und trotzdem kann man was davon mitnehmen. Heute ist das ausgereifter, die Evidenzen sind größer, man erforscht mehr. Aber es könnte alles noch besser, kooperativer, schneller gehen.

Im höheren Lebensalter möchte man natürlich, dass man noch einiges erlebt von den Fortschritten. Aber insgesamt bin ich eher optimistisch, sehe aber, dass die Dinge eher komplizierter, arbeitsintensiver geworden sind. Und deshalb habe ich auch Verständnis für allerlei Klagen, die es gibt. Und man muss einfach auch mehr investieren. Die Gesellschaft, die in dieser größten gesellschaftlichen Organisation – das ist die Schule nämlich – Millionen sind da beteiligt, unter anderem 100.000 Lehrkräfte, aber Schülerinnen und Schüler, Elternhäuser und so weiter. Und sie spielt so eine große Rolle für das, was danach kommt, dass man diese Organisation, dieses System gut pflegen muss und auch gut investieren muss.