Daten beißen nicht. Trotzdem haben viele Leute eine diffuse Angst vor ihnen. Sogar, man mag es kaum glauben, die Vertreter der Generation der sogenannten Digital Natives: So viele Daten! So unkontrollierbar! So schwierig einzuordnen! Gut – wer ein wirtschaftswissenschaftliches Fach, Mathematik, Informatik oder ein naturwissenschaftliches Fach studiert, hat fast vom ersten Studientag an mit Zahlen und Daten zu tun. Aber in den Geisteswissenschaften?
Future Skills
Schluss mit der Datenphobie!

Bislang half Lasser im Rahmen ihrer eigenen Lehrverpflichtungen Promovierenden in Sachen Datenwissen auf die Sprünge. Dass nun auch Bachelorstudierende dabei sind, findet die 28-jährige gebürtige Grazerin, die 2009 zum Studium nach Göttingen kam, sehr sinnvoll: „Meine Kollegen und ich werden sie natürlich nicht zu Programmierern ausbilden, sondern nur die Grundlagen vermitteln. Die Studierenden sollen algorithmisches Denken lernen, das haben viele nicht automatisch mitgegeben bekommen, speziell Geisteswissenschaftler.“ Viele der Studierenden haben Mathematik in der Schule vor dem Abitur abgewählt und hatten nie Informatik als Fach in der Schule. Das rächt sich im Studium.
„Ob Archäologen, Sozialwissenschaftler, Literatur- oder Sprachwissenschaftler: Datenanalyse ist auch in diesen Fächern ein wichtiges Tool.“

Es soll nun genug Programmierwissen vermittelt werden, um sich schnell konkreten Problemen zuwenden zu können, wie etwa Datensätze in Diagramme und andere Visualisierungen umzuwandeln. Dabei kommen die Programmiersprachen „R“ und „Python“ zum Einsatz. Lasser, die in ihrem eigenen Studium zwar permanent mit der Verarbeitung von Daten zu tun hatte und ihre Doktorarbeit über „Musterbildung in Salzwüsten“ schrieb, belegte selbst auch erst im fünften Semester einen Crashkurs in Programmieren und hatte sofort großen Spaß daran. Sie betont: „Während der Promotion anzufangen, sich diese Kenntnisse anzueignen, ist definitiv zu spät.“ Dann nämlich habe die „Datenparalyse“ schon voll zugeschlagen: die eingangs erwähnte Angst und innere Abwehr, sich damit zu beschäftigen. Die mache sich bei Geisteswissenschaftlern besonders deutlich bemerkbar – zu Unrecht, findet Jana Lasser, denn: „Ob Archäologen, Sozialwissenschaftler, Literatur- oder Sprachwissenschaftler: Datenanalyse ist auch in diesen Fächern ein wichtiges Tool.“
Zum Beispiel: Archäologiestudierende können mithilfe von Algorithmen ein System entwickeln, um Objekte zu klassifizieren. Literaturwissenschaftler oder Sprachwissenschaftler können mittels Datenanalyse den Sprachstil von Schriftstellern miteinander vergleichen. Auch die inzwischen berühmte Plagiatsplattform „VroniPlag Wiki“ arbeitet nach einem ähnlichen Muster. „Eine Linguistin etwa hat im Studium die Verfassungen von 216 Staaten miteinander verglichen, um herauszufinden, wer von wem quasi abgeschrieben hat. Mithilfe von Programmen für die Datenanalyse ist das keine unlösbare Aufgabe“, nennt Jana Lasser ein weiteres Beispiel.
Neues Lernen: kreativ und digital

Das Projektteam etabliert derzeit außerdem ein Data-Lab als Schnittstelle zwischen den verschiedenen Fächern. Die Universitätsbibliothek hat für diesen Digital-Creative-Space 400 Quadratmeter Fläche abgetreten. Übungen sollen dort abgehalten werden, Arbeitsgruppen sollen interdisziplinär und kollaborativ an digitalen Projekten wie zum Beispiel der Entwicklung von neuen Apps arbeiten. Touchscreens, Beamer und andere Arbeitswerkzeuge stehen dafür bereit – außerdem große Tische, Hocker und Sofas, mit denen sich verschiedene Arbeitszonen einrichten lassen.
Datenwissen ist keine Zauberei

Jana Lasser ist mit Begeisterung bei ihrer Aufgabe und sieht sich als Verbindungsglied zwischen Projekt und den Fakultäten: Deren Bedarf wird sie ermitteln und für neue Ideen im Bereich Digitalisierung werben. „Da jede Fakultät anders ‚tickt‘, ist das eine Herausforderung.“ Und so wie die Wissenschaftlerin ihrer modischen Kurzhaarfrisur in regelmäßigen Abständen eine neue knallige Haarfarbe verpasst – „Ich glaube, ich habe das ganze Farbspektrum durch“ –, so schätzt sie auch in ihrem Arbeitsalltag die Abwechslung. „Die Vermittlung von Data-Literacy auf den verschiedenen Ebenen des Projekts macht mir gerade sehr viel mehr Spaß, als für die Studienanfänger nur die üblichen Grundlagenvorlesungen in Physik durchzuführen. Die kenne ich ja noch aus meinem eigenen Studium.“
Mit dem Projekt lerne sie selbst auch noch dazu, sagt Lasser. „Die Studierenden nehmen Leute wie mich als eine Art Hackergötter wahr. Aber, wie gesagt: Datenwissen ist keine Zauberei. Auch mir wurde das nicht in die Wiege gelegt.“ Sie lächelt bei der Erinnerung an ihre eigene Schulzeit: „Ich ging auf eine Waldorfschule – Informatik kam im Lehrplan nicht vor.“ Erst kurz vor ihrer Bachelorarbeit habe sie die Faszination für die vielen, auch kreativen Möglichkeiten des Datenprogrammierens gepackt. So sehr, dass sie sich für ihre Bachelorarbeit über die Transportnetzwerke in Pflanzen eines Themas annahm, für das sie selbst eine Software schreiben musste. „Ob richtig oder falsch – man bekommt beim Programmieren sofort Feedback. Das ist großartig!“ Und genau davon will sie Studierende überzeugen.

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Die Digitalisierung verändert die Art, wie wir arbeiten. Doch sind wir darauf vorbereitet? Welche Kompetenzen müssen wir dafür mitbringen und wie vermitteln wir diese? Wie müssen wir Bildung, Wissenschaft und Innovation weiterdenken, um wirtschaftlich, technologisch und gesellschaftlich nicht den Anschluss zu verlieren. In der Reihe „Weiter.Denker“ stellen wir Personen vor, die bereits vorbildliches leisten, die weiterdenken und versuchen, unsere Zukunft aktiv zu gestalten.
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