Vor 120 Jahren gerieten Physiker an ihre Grenzen: Sie erkannten, dass die ihnen bekannten Theorien und Modelle scheiterten, wenn sie zum Beispiel die Eigenschaften des Lichts oder den Aufbau von Atomen beschreiben wollten. Damals begann mit berühmten Wegbereitern wie Max Planck und Werner Heisenberg der Siegeszug der Quantenphysik. Ihre Regeln ergaben nicht nur auf der Ebene kleinster Teilchen mehr Sinn als die klassische Physik. Mit ihr war man auch in der Lage, mathematische Probleme neu anzugehen.
In den Schulen ist diese Disziplin aber noch nicht angekommen. Die 18-jährige Shui-Wan Cheng erfuhr zum ersten Mal davon, als ihr Vater ihr ein Video über Quantencomputing zeigte. Und zum zweiten Mal, als eine Lehrerin sie fragte, ob sie nicht Interesse hätte, bei einer Schülerakademie zu dem Thema mitzumachen. „Diese Chance, mal mit Experten in Kontakt zu kommen, wollte ich nutzen“, sagt die Abiturientin vom Gymnasium Corvinianum im niedersächsischen Northeim. So wurde sie zur Teilnehmerin der ersten QuantenAkademie, die die Stifterverbands-Tochter Bildung & Begabung im Sommer 2022 veranstaltete.
Future Skills
Ein gehöriges Quantum Wissen

„Die Quantenwelt stellt einige unserer täglichen Erfahrungen auf den Kopf. Wir müssen diese Welt jungen Leuten frühzeitig öffnen und dabei auch eine wirtschaftliche Perspektive geben.“
Denn für die Vermittlung dieser „Future Skills“, erklärt Ulrike Leikhof, Leiterin des Bereichs „Akademien“ bei Bildung & Begabung, müssten sich erst langsam die Ausbildungsstrukturen ändern: Das Thema müsse den Weg von der physikalischen Forschung in die Lehramtsausbildung finden. Das Ziel: Schülerinnen und Schüler frühzeitig für das Thema zu begeistern, damit diese sich dann für ein Hochschulstudium mit dem entsprechenden fachlichen Schwerpunkt entscheiden. Die QuantenAkademie versucht diesen Prozess ein Stück weit zu beschleunigen: Sie bringt junge Forscherinnen und Forscher mit Schülerinnen und Schülern zusammen, sodass der Wissenstransfer ohne Umweg stattfinden kann.
„Unsere Teilnehmerinnen und Teilnehmer sind sehr wissbegierig und saugen förmlich auf, was wir ihnen anbieten.“

QuantenAkademie: Die Messlatte liegt hoch
So wurden in acht Tagen 64 Teilnehmerinnen und Teilnehmer von zehn Kursleitungen in ihrem gewählten Teilgebiet auf den neuesten Stand gebracht. Startpunkt waren die physikalischen und mathematischen Grundlagen. „Denn der Schulstoff“, bemängelt Walter Mickel, Leiter der QuantenAkademie, „reicht dazu nicht aus.“ Dieses grundlegende Rüstzeug nahm rund die Hälfte der Kurszeit in Anspruch. Darauf aufbauend stieg das Niveau dann rasant an: Ziel sei es gewesen, erklärt Mickel, dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer am Ende wissenschaftliche Artikel verstehen könnten, die bezogen auf ihr Teilgebiet dem Niveau eines Masterstudiums entsprechen.
Dass die Messlatte so hoch liegt, gehört zum Konzept der Akademie, erklärt Ulrike Leikof: „Begabte Schülerinnen und Schüler bekommen immer die Rückmeldung: Das war sehr gut. Aber daran können sie nicht wachsen.“ Während der Akademie kämen sie zum ersten Mal in einem Forum zusammen, wo sie sich strecken müssten, um mitzuhalten. „Und das tut ihnen gut.“ Überforderung, sagt Walter Mickel, sehe er selten. „Unsere Teilnehmerinnen und Teilnehmer sind sehr wissbegierig und saugen förmlich auf, was wir ihnen anbieten.“
In den „KüAs“, den freiwilligen, kursübergreifenden Aktivitäten, blieb viel Raum für informelle Begegnung: beispielsweise bei einer Onlineschnitzeljagd, dem „Zukunftsabend“, an dem die Kursleiterinnen und -leiter von ihrem Studium und ihrer beruflichen Entwicklung berichteten, oder dem bunten Abend, an dem die Jugendlichen gemeinsam kochten und sich gegenseitig die Ergebnisse von Projekten außerhalb der Kurszeit vorstellten. Mit digitalem Malen, einem Fotowettbewerb oder einer gemeinsamen Komposition von elektronischer Musik war hier auch viel Kreativität im Spiel. Und auch von diesen Akademieergebnissen, sagt Physiker Mickel, war er sehr beeindruckt.
DER STIFTERVERBAND WILL MINT-POTENZIALE HEBEN
Der Stifterverband ist überzeugt: Um Wirtschaft und Gesellschaft resilient und zukunftsfähig auszurichten, spielt die MINT-Bildung (MINT= Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) eine entscheidende Rolle. Um die MINT-Potenziale der Gesellschaft zu heben, setzt sich der Stifterverband gemeinsam mit Partnern unter anderem dafür ein, ausreichend MINT-Fachkräfte auszubilden, zu halten und mit entsprechenden Zukunftskompetenzen zu qualifizieren. Dazu fördert er aktuell unter anderem
- Datenanalyse und Datenverständnis als Querschnittskompetenz durch das Programm Data Literacy Education
- Kompetenzen für Quantencomputing durch Curriculumsentwicklung und (außerschulische) Bildungsangebote
- Mathematiktalente über die Bundesweiten Mathamatik-Wettbewerbe von Bildung & Begabung
Eine Übersicht aller Stifterverbands-Aktivitäten im Bereich MINT gibt es hier.
