Warum ist das Thema Transformation so wichtig?
Wir stehen vor einer gewaltigen Veränderung. In einem Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen aus dem Jahr 2011 wird sie als „große Transformation“ bezeichnet. Gemeint ist damit ein weltweiter Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft, der sich in seinen Auswirkungen mit dem Wandel der Agrar- zur Industriegesellschaft vergleichen lässt. Der ist notwendig, wenn wir die Nachhaltigkeits- und Klimaziele der Vereinten Nationen erreichen wollen.
Das klingt umwälzend. Was bedeutet das denn konkret?
Eine riesige Herausforderung. Wir müssen zerstörerische Technologien und Praktiken abschaffen und auf neue setzen. Unsere Energieversorgung zum Beispiel beruht überwiegend auf Großkraftwerken, die zentral weite Regionen versorgen. Erneuerbare Energien erfordern eher dezentrale Netze und viele kleine Einspeiser. Unsere Produktion, vor allem im Bereich Chemie, muss weg vom Erdöl und hin zu nachwachsenden Rohstoffen entwickelt werden. Jede einzelne Person muss ihr Verhalten in den Konsumfeldern Wohnen, Ernährung, Reisen und Freizeit infrage stellen und auch unsere Wirtschaftsstrukturen gehören auf den Prüfstand: Wir brauchen mehr Kreislaufwirtschaft, weniger, aber dafür langlebigere Produkte, mehr Sharing und weniger Verschwendung.
Future Skills
„Hochschulen sind ein Motor für den Wandel“

Sind die Unternehmen denn generell offen für dieses Thema?
Bedingt. Betriebswirtschaftliche Überlegungen und Nachhaltigkeit gehen nicht gerade Hand in Hand. Denn die Betriebswirtschaft setzt auf Gewinnmaximierung auf kurze Sicht, ungefähr über einen Zeitraum von drei Jahren. Die Kosten dieses Vorgehens trafen die Unternehmen bisher nicht, sie wurden der Gesellschaft aufgebürdet.
Aber das mindert die Gewinne.
Die meisten Unternehmen versuchen mit ihren bewährten Strategien noch so lange Gewinn zu erwirtschaften, wie es möglich ist. Gleichzeitig arbeiten aber die Entwicklungsabteilungen an alternativen Geschäftsmodellen: Immer mehr Fleischerzeuger erobern den Markt für vegane Produkte. Und Automobilkonzerne befassen sich mit der Stadt der Zukunft: Sie entwickeln Carsharing-Modelle, Hard- und Software für die Nutzung von Mobilitätsdaten oder arbeiten an Ladestrukturen für Elektromobilität. Entsprechend gibt es auch die Initiative „Science Based Targets“, in der sich weltweit Unternehmen verpflichtet haben, bis 2050 klimaneutral zu arbeiten. Hier wird für die einzelnen Unternehmen verschiedener Sektoren eine maximale Obergrenze für ihre Emissionen benannt. Und es sieht natürlich schlecht aus, wenn man im eigenen Sektor der Letzte ist, der sich darum kümmert.
„Wir haben keine klare Utopie, die wir mit Wirtschaftskonzepten verbinden: Wie kriegen wir es auf attraktive Weise hin, die Gesellschaft menschenfreundlich zu gestalten? Wie können wir Zeitwohlstand und Lebensqualität als wirtschaftliche Ziele setzen? Hier hinein sollten Hochschulen Zeit, Geld und Ressourcen investieren. “

Welche Rolle spielen dabei die Verbraucherinnen und Verbraucher?
Unternehmen geraten natürlich auch durch ihre Kundinnen und Kunden unter Druck. Protest gegen umweltzerstörende Rohstoffgewinnung oder Billiglöhne schaden einer Geschäftsstrategie. Auf der anderen Seite werden Unternehmen, die schon umdenken, bisher von den Verbraucherinnen und Verbrauchern nicht ausreichend belohnt: Recyclingkunststoffe gelten zum Beispiel zurzeit im deutschen Mittelstand als Nachhaltigkeitshebel. Aber verdienen kann man damit noch nichts. Umweltlabel nehmen wir als Konsumierende gerne mit – aber eigentlich interessiert uns das Produkt. Denn von der Klassifizierung „Öko“ haben wir ja auf den ersten Blick nichts. Es ist deshalb unrealistisch zu erwarten, dass Menschen ihre Konsumentscheidungen in erster Linie nach ökologischen Gesichtspunkten treffen.
Das klingt für viele Menschen nach Einschränkung und Verzicht.
Genau das ist das Problem: Wir müssen Wege finden, wie wir die Transformation positiv vermitteln. Hier stecken doch ganz viele Chancen für Forschung und Innovation. Wir reden immer nur vom Krisenszenario: Keine Inlandsflüge mehr. Man könnte ja auch über ein besseres Bahnsystem oder angenehmere Onlinekonferenzen nachdenken. Wir haben keine klare Utopie, die wir mit Wirtschaftskonzepten verbinden: Wie kriegen wir es auf attraktive Weise hin, die Gesellschaft menschenfreundlich zu gestalten? Wie können wir Zeitwohlstand und Lebensqualität als wirtschaftliche Ziele setzen? Hier hinein sollten Hochschulen Zeit, Geld und Ressourcen investieren.
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KOMPETENZEN FÜR NACHHALTIGKEIT
Der Stifterverband begleitet die Transformation in Wirtschaft und Wissenschaft und trägt dazu bei, dass Hochschulen und Unternehmen nachhaltiger agieren und die dazu notwendigen Kompetenzen frühzeitig an junge Menschen vermittelt werden. Wie er dabei agiert und welche Schwerpunkte er setzt, lesen Sie hier.
