So viele Leute, die ich kenne, verbringen 80 Prozent ihrer Zeit mit Fundraising. Wir sind die ganze Zeit immer nur: Wo können wir irgendwelche Projekte, Kunden, Gelder herkriegen? Statt: Eigentlich müssten wir uns damit beschäftigen: Wie können wir unsere Wirkung optimieren? Wie können wir viel bessere Programme aufsetzen?
Auf der anderen Seite, denke ich, dass wir die enormen Chancen, die auch mit Open Data, mit Big Data und mit intelligenten Analysen für den sozialen Sektor zusammenhängen, auch noch gar nicht verstanden haben.
Wir sehen überall so eine neue Szene von sozialen Changemakern entstehen, die ganz natürlich auch digitale Technologien einbinden in das, was sie machen. Vor zwei Jahren habe ich meine Forschung gemacht einen Monat in Kairo in Ägypten. Das kann eine Mitfahr-App sein, von einem jungen Entwicklerteam entwickelt, von einer Frau auch angeführt, die versuchen, einfach den wahnsinnigen Verkehr in Ägypten über eine sehr intelligente und sehr lokal adaptierte Mitfahr-App zu regeln und einfach da zu gucken, dass mehr Menschen zusammen fahren. Wir sehen ganz, ganz viele Innovationen dieser Art. Und was wir auch sehen, ist, dass sich dadurch, also auf der einen Seite sehen wir Changemaker, die wirklich sagen: Wir können digitale Technologien nutzen, um wirklich ein soziales Problem zu lösen. Und auf der anderen Seite sehen wir ganz viele Menschen im sozialen Sektor, die verstehen: Wir können unsere ursächliche Arbeit viel besser machen, wenn wir uns digitaler Tools bedienen für einfach unsere Projektgestaltung, wie wir miteinander kollaborieren, dass wir nicht mehr die eine kleine NGO sind oder die eine große NGO mit Tausenden von Mitgliedern, sondern wir können uns hin zu einer Netzwerkorganisation entwickeln, wo wir vielleicht viel agiler sein können, nicht so ein hohen Overhead haben, sondern eine kleine flexible Flotte sind, wo wir dann aber mit anderen Akteuren, die ähnliche Werte, ähnliche Ziele verfolgen, zusammenarbeiten. Und das kann man natürlich supergut alles digital machen.
Lasst uns doch mal schauen in Ostafrika: Was passiert denn da gerade mit M-Pesa als digitalem, mobilem Bezahlsystem? Welche Innovationen sind denn damit verbunden? Was sehen wir denn in Deutschland gerade im Bereich der Flüchtlingshilfe? Welche Rollen können digitale Plattformen da spielen? Das ist einfach so etwas, ich glaube, dieser Blick nach vorne, so ein neugieriger Blick nach vorne auf digitale Medien, auf gesellschaftliche Transformation, auf Wandel, und ich glaube auch, dass wir natürlich viel mehr auch die gesellschaftlichen kulturellen Folgen von Technologien mitdenken müssen und dass auch sowohl wir als Macher von Plattformen uns überlegen: Okay, was sind denn jetzt die intendierten, aber halt auch die unintendierten Konsequenzen von dem, was wir sehr begeistert ja vorantreiben?
Was ich liebe, was auch mit Daten zu tun hat: Es gibt ja eine große weltweite Bewegung, das sind die Digital Humanitarians. Das sind Leute, die im Falle von Nothilfe, also wenn irgendeine Katastrophe passiert, ein Taifun, Erdbeben, dann sind die innerhalb von 24 Stunden aktiv und werten Satellitenbilder von den beschädigten Regionen aus. Ich als Ehrenamtlicher, digitaler Ehrenamtlicher kriege eine Mail, und da wird mir gesagt: Hier, du kannst die und die Satellitenbilder anschauen auf den Philippinen und uns helfen, wo Häuser besonders demoliert sind, wo Straßen blockiert sind, wieviele Kokospalmen umgefallen sind. Und da kommen also Tausende von Menschen, wirklich Schwarmintelligenz, innerhalb einer ganz kurzen Zeit zusammen. Und es gibt ganz einfache Marker, ich kann dann einfach den Grad an Beschädigung online markieren. Und da kommen dann zum Beispiel, innerhalb von 48 Stunden kommt eine Intelligenz zusammen, Satellitenbilder plus Human Power am Rechner, total dezentralisiert, niemand kriegt dafür einen Pfennig, so dass die Arbeit vor Ort viel besser durchgeführt werden kann. Dass einfach Hilfskonvois viel besser hinkönnen oder dass Drohnen viel gezielter in die schwer passierbaren Gebiete hingesteuert werden können und Nahrung, irgendwelche medizinische Sachen liefern können. Also, das wären so zwei Beispiele, wo ich denke, wo dieses Potenzial aus einer weltweiten Koordination von Menschen, die intrinsisch, glaube ich, die meisten von uns sind wirklich bereit, viel zu geben, weil es einfach so befriedigend ist, sich sozial zu engagieren, und Technologie zusammenkommen, die ganz erstaunliche Berge versetzen können.
Man könnte ganz neue Formen von Stewardship für Daten entwickeln, so dass Daten nicht bei Regierungen liegen oder bei Unternehmen, sondern dass man ein viel flexibleres Gerüst von Datenbesitz anbieten kann.
Wenn ich auf eine Website komme, kann ich entweder akzeptieren, dass meine Daten von dem Betreiber genutzt werden und ich die Website kostenlos nutzen kann. Oder aber ich könnte sagen: Nein, ich möchte nicht, dass Sie meine Daten nutzen! Und dann vielleicht muss ich ein kleines Entgelt zahlen dafür, dass ich diesen Service, der sonst mir kostenlos zur Verfügung gestellt wird, nutzen kann. Oder aber, was ich sehr interessant finde, es gäbe ja auch die Möglichkeit, dass man einer dritten, neutralen Instanz Daten zur Verfügung stellt, die eigenen Nutzerdaten, die dann wiederum gemeinwohlorientierte Projekte damit befeuert und unterstützt. Also, ich kann zum Beispiel sagen: Ich bin bereit, meine Bewegungsdaten von meinem Handy abzugeben an eine Organisation, die dafür Kartografien erstellt, ob Orte bewegungsfrei sind oder nicht, ob die für Rollstuhlfahrer zum Beispiel zugänglich sind oder nicht. Weil ich persönlich würde gerne den Nutzen von Daten verfügbar machen, also, ich wäre bereit, sehr vielen Menschen meine Daten zur Verfügung zu stellen, wenn ich aber nicht irgendwie Leute damit die gezielte Werbung für mich, mir anbieten können. Das interessiert mich nicht. Aber wenn meine Gesundheitsdaten zum Beispiel dafür genutzt werden, dass in der medizinischen Forschung Durchbrüche erreicht werden können, dann sehe ich überhaupt nicht ein, weshalb das nicht der Fall sein sollte. Also, dann würde ich sehr gerne meine Daten zur Verfügung stellen. Und ich glaube, das wäre interessant, darüber nachzudenken, wie wir so eine neutrale Instanz schaffen könnten, die Daten von ganz, ganz vielen Bürgern sammelt, nach sehr strengen Gesichtspunkten eben halt kuratiert und dann an gemeinnützige oder einfach auch nur sozial, social-impact-orientierte Unternehmen abgibt, damit die dann wiederum dadrauf wirklich den Wert schöpfen können, um neue Erkenntnisse zu befördern.
Wir wissen eigentlich schon lange, dass rechts und links und konservativ und progressiv eigentlich keine Gegensatzpaare sind, sondern dass die eigentlich verbunden gehören. Dass wir auf der einen Seite, jeder von uns braucht einen Halt, jeder von uns braucht ein Gefühl von Zugehörigkeit, aber es liegt auch in der menschlichen Natur, dass man sich entwickeln möchte. Dass man eine Dynamik hat, dass man was Neues gestaltet, dass man kreativ, innovativ ist. Und ich glaube, die Zukunft oder das ist zukunftsträchtig, wenn wir eine Politik schaffen und gesellschaftliche Kreise und Foren, wo diese vermeintlichen Gegensatzpaare nicht mehr Gegensatzpaare sind, sondern zusammenkommen können. Und dass wir auf dieser Basis dann schauen: Wie wollen wir leben? Welche Werte sind uns wichtig? Wo geht die Zukunft hin? Und ich glaube, das kann gelingen. Aber es kann eigentlich nur gelingen, wenn auch die Menschen, die progressiv sind, die liberale Werte verfolgen, wenn die bereit sind, hinzugucken, was in ihrer Gesellschaft passiert. Wir erleben ja ... Auf der einen Seite, glaube ich, erleben wir das gerade. Ich habe auch in meinem Freundeskreis und in meinem professionellen Umfeld viele Leute, die sehr nachdenklich sind, die wesentlich politisch aktiver plötzlich werden, mehr Positionen beziehen, sich mehr einfach um Öffentlichkeit kümmern. Und auf der anderen Seite kennen wir aber natürlich auch die Eskapisten, die dann irgendwie sagen: Nee, ich kaufe mir jetzt eine Insel irgendwo bei Neuseeland, und da habe ich einen Bunker, und nach mir die Sintflut. Das sind natürlich auch irgendwie, das ist eine gefährliche Entwicklung, dass gerade auch so die Leute, die sehr tech-gläubig sind, wenn man so im Silicon Valley nachspürt, dann merkt man ja, dass da viele Leute die Gesellschaft, den Mainstream der Gesellschaft schon hinter sich gelassen haben. Und das kann es nicht sein. Also, das ist, glaube ich, für mich die Herausforderung in Deutschland. Und ich glaube, Deutschland hat eine supergute Position mit unserer Geschichte der sozialen Marktwirtschaft, dass wir auch Digitalisierung inklusiv gestalten. Allerdings muss dann Digitalisierung wirklich auch, wir müssen uns auch öffnen der Digitalisierung und den Chancen, die darin stecken, weil wir werden sie sowieso nicht aufhalten können. Es kann also nur darum gehen, sie unter Beteiligung möglichst vieler Menschen so zu gestalten, dass sie uns allen oder möglichst vielen von uns dient.