Miriam Wohlfarth: Fintech, Banken und Disruption

"Früher ist man zu seiner Bank gegangen, um eine Überweisung zu tun. Ich glaube, dazu braucht man die Bank bald nicht mehr."

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Miriam Wohlfahrth: Fintech, Banken und Disruption (Video)
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Die meisten Verbraucher ahnen nicht, dass dem Bankenwesen in Deutschland eine Revolution droht: Start-ups können bald schon Kontodienstleistungen anbieten, die bislang Banken und Sparkassen vorbehalten waren. Miriam Wohlfarth hat mit RatePAY ein solches Start-up gegründet. Was hemmt Innovationen bei Finanzdienstleistungen in Deutschland? Und kann Afrika ein Vorbild sein?
 

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Autor: Timur Diehn
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Friederike Welter ist Diskutantin beim Forschungsgipfel am 28. März 2017 in Berlin.

 

Transkript des Videos

Fintech als solches, die Branche hat sich schon sehr, sehr stark entwickelt. Es haben sich einfach sehr viele neue Player in den letzten Jahren entstanden.

Dass die Banken einfach merken, dass da kleine Player kommen und ihnen quasi Umsatz wegnehmen und Gewinne wegnehmen, und an allen möglichen Stellen werden sie angegriffen, von Unternehmen, wie wir das sind, und Unternehmen, die eben ähnliche Dinge machen oder eben Teile der Lösungen abbilden, die klassisch von Banken gemacht worden sind. Ich glaube, was sich ändert, und da ist eben auch das Smartphone, wir sind es heute gewohnt, viele Dinge mit dem Smartphone zu machen, und es wird noch viel extremer werden. Und Banking ist ja auch schon was, was wir auf dem Smartphone anfangen wollen zu machen, natürlich noch nicht alle, aber es fängt an. Es fängt ja immer mit irgendwem an. Es gibt immer Leute, die irgendwas beginnen, und dann setzt sich das irgendwann in der breiten Masse durch. Und ich glaube, was in der Zukunft passieren wird, ist, dass sich das Thema Banking, also die Nutzung von Bankdienstleistungen, von dem klassischen Bankthema trennen wird. Also das, was früher eben alles eins war, man ist zu seiner Bank gegangen, um eine Überweisung zu tun, ich glaube, dazu braucht man die Bank bald nicht mehr. Und vor allem was ja im Moment gerade passiert, das ist ja, ich sag mal, das Erdbeben, das durch die Bankenbranche geht, das ist PSD2, das wissen die meisten Menschen gar nicht, was das ist. Im Prinzip werden die Banken jetzt gezwungen, ihre Schnittstellen zu öffnen und Drittanbietern die Möglichkeit zu geben, Dienstleistungen am Konto zu erbringen, wenn diese Dienstleister entsprechend reguliert sind. Hört sich jetzt komisch an, aber theoretisch ist es jetzt bald möglich, dass überall nochmal Firmen entstehen, die zum Beispiel darüber informieren, dass komische Abbuchungen auf dem Konto sind, die irgendwelche Dienste rund um das Konto erbringen. Und das ist etwas, was schon sehr interessant ist, weil ich glaube, das wird die Rolle der Banken sehr, sehr, sehr stark verändern. Und es ist die Frage: Was wird aus den Banken? 

RatePAY ist ein BaFin-lizenziertes Unternehmen. Wir sind Finanzinstitut nach ZAG seit November letzten Jahres. Und der Weg dahin, der war ganz schön schwierig. Also, zum einen, ich glaube, die Schwierigkeit ist, im Bereich Finanztechnologie stößt man sehr häufig, man hat tolle Ideen, aber man merkt sehr schnell, dass oft vieles gar nicht erlaubt ist, nicht möglich ist. Oder man stößt an Grenzen und weiß gar nicht, ob das erlaubt ist. Ich glaube, das ist vielleicht sogar die größte Schwierigkeit, dass es oft auch Gesetze in Deutschland gibt, im Datenschutz oder auch diese ganzen Regularien, die da kommen, es ist sehr schwer, die zu interpretieren und auch für sich selbst sie zu verstehen. Man braucht Juristen, die sagen einem etwas. Kleiner Exkurs, Anfangszeit RatePAY: Wir hatten ein juristisches Gutachten, dass uns besagte, wir brauchen keine Lizenz. Wir haben das so verstanden. Wir fingen an, und dann kam natürlich die BaFin und sagte irgendwann: Nee, ihr braucht eine Lizenz! Und das sind einfach so Dinge, es ist sehr schwierig, das zu verstehen. Ich glaube, auch für Gründer, für neue Ideen, überhaupt loszulegen und wirklich etwas zu tun. Und wenn man dann zum Beispiel auch anguckt, die großen Erfolgsgeschichten in Deutschland, es gibt einige sehr, schon große Start-ups, die spielen sich aber häufig, vor allem wenn es jetzt nicht Handel ist, sondern, ich sag mal, Finanzdienste wie zum Beispiel Kreditech, die sehr stark am Wachsen sind, die ja auch sehr viel Finanzierung bekommen haben, deren Hauptgeschäft ist das Ausland. Das ist nicht in Deutschland. Und ich will jetzt mal nicht, aber meine Mutmaßung ist, das ist vor allem deshalb, weil in Deutschland der Datenschutz und die Gesetze oft nicht zu dem passen, was man da macht. Und das ist natürlich schon ein Problem, wenn man so sieht, was in China passiert zum Beispiel mit Alibaba und was überhaupt in diesem ganzen Ökosystem dort entsteht. Da gibt es einfach diese ganze Regulierung gar nicht. Und dadurch ist natürlich auch sehr viel mehr Innovation möglich. Jetzt kann man wieder die moralische Frage stellen: Ist das gut oder schlecht? Ich weiß es nicht, ich kann es gar nicht beantworten. Auf der einen Seite wünsche ich mir natürlich auch Regulierung für meine Person, Datenschutz für meine Person. Auf der anderen Seite wünsche ich mir aber auch für Deutschland, nach vorne zu kommen und auch mitzuspielen und nicht irgendwo hinten anzustehen, weil ich mich überreguliert habe. Und weil ich den Datenschutz sehr, sehr streng betrachte, und andere Länder tun das gar nicht. Und da frage ich mich manchmal, was da das richtige ist, ob es nicht besser wäre, sich mal über den Mittelweg Gedanken zu machen und da vielleicht offener zu werden. 

In Afrika gibt es ein Zahlungssystem, das heißt M-Pesa. Das gehört inzwischen zu Vodafone. Und in China gibt es ein Zahlungssystem, das heißt AliPay. Das gehört zu Alibaba. Beide haben etwas geschafft, und zwar in Ländern, in denen es gar nicht so dieses Ökosystem der Banken gab. Es gab also in beiden Ländern oder, ich sag mal, in Kenia hat das angefangen, in Afrika, keinen regulierten Zahlungsverkehr, und die Leute haben keine Bankkonten gehabt. Für die war es ja gar nicht so einfach, sich Geld zu schicken. Die Leute hatten aber Mobiltelefone in Afrika, mehr Mobiltelefone als Banken und Bankkonten. Und so wurde quasi das ganze mobile Bezahlen eigentlich, in Afrika sind die jetzt zehn Jahre alt geworden, M-Pesa, und es verbreitet sich dort sehr, sehr stark, und es wird dort sehr stark angenommen. Es ist ja sicher, und die Leute lieben das. Das heißt, die Leute zahlen von ihrem Mobiltelefon zu Mobiltelefon oder können sich auch Geld abholen im Kiosk zum Beispiel. Das ist genial, aber in Deutschland natürlich eigentlich gar nicht so möglich, weil in unserem Ökosystem ja schon so viel reguliert ist, was Sache der Banken ist, wer was machen darf usw. Deshalb würden die Dinge, die kann man nicht einfach nehmen und nach Deutschland transportieren. In China ist ja Ähnliches passiert, wenn man sich anguckt, ich meine, Alibaba war ja der erste Marktplatz in China. Hier in Deutschland war ja schon alles reguliert. Es war ja genau reguliert, wie die Waren, wie der Handel einfach funktioniert. In China war ja alles kreuz und quer, und dann kam Alibaba und hat gesagt: So, ich mache jetzt eine Plattform, und da wird der Handel, und so ist der Internethandel auf einer Plattform entstanden, der sofort online war. Es gab nicht die Stufe dazwischen. Bei uns musste ja alles erstmal von dem Alten ins Neue transferiert werden. In China, mutmaße ich jetzt mal zu sagen, gab es gar nichts, und man hat gleich mit dem Neuen angefangen. Und auf das Neue konnte man natürlich auch ein Zahlungsökosystem setzen, das jetzt heute alles macht. Und es ist inzwischen schon, ich glaube, dreimal so groß wie PayPal, also was da entsteht, was da für eine Marktmacht entsteht. Milliarden von Transaktionen, 80 Prozent, glaube ich, aller mobilen Zahlungen werden von Alibaba in China abgewickelt, 60 Prozent aller Internetzahlungen. Und das ist im Prinzip ein ganz großer Kreislauf, eine ganz große Plattform, die jetzt alles reguliert, sowohl den Handel, man bucht da seine Kinotickets, man bucht seine Mietwagen, man bucht seine Flüge, man kauft seine Waren ein, man schickt sich Geld. Wenn ich mit den Freunden ins Restaurant gehe, teile ich mir die Restaurantrechnung. Das läuft alles über diesen einen Kreislauf. Und das ist eben so ein bisschen, da fragt man sich schon: Wie geht das eigentlich in der Zukunft weiter? Und die brauchen dort keine Bank mehr. Also, das ist einfach ein Ökosystem außerhalb von einer Bank, das in China entstanden ist, und natürlich durch die Größe, durch diese Marktmacht, finde ich das schon sehr bemerkenswert. Und wir sind halt hier in Deutschland immer so in einem kleinen Raum. Und ich glaube manchmal, dass wir uns zu sehr verschließen und sagen: Wir wollen, dass es so ist, wie es ist. Ich weiß aber nicht, ob das in 10, 15 Jahren noch der Fall ist. Die ganze Welt ändert sich im Moment, und ich glaube einfach, wir müssen schon mal mehr darauf achten: Wie können wir vielleicht auch mal Dinge aus diesen Ländern irgendwie uns angucken, um uns da zu öffnen?

Gestern abend hatte ich ein sehr nettes Gespräch mit einer Frauenrunde, wo wir darüber diskutiert haben: Warum werden eigentlich so viele Start-ups von Menschen gegründet, wo es nur darum geht, den Exit zu machen? Und das ist auch was, was ich ehrlich gesagt gar nicht mag. Also, es ging mir oder es ging uns auch gar nicht so um dieses Exit-Thema, sondern es war immer so: Wir wollten eigentlich ein Produkt schaffen, an dem wir Spaß haben und einen Arbeitsplatz haben, der uns richtig Freude macht und das vielleicht auch anderen weitergeben. Das war immer so der Grundgedanke, gar nicht zu sagen: Ich will da jetzt sofort raus und verkaufen, weil was soll ich denn dann machen? Ich will doch irgendwie meine Zeit sinnvoll verbringen mit dem, was mir Spaß macht. Gut, wir haben nun mal, es gibt, manche fragen sich auch: Kann einem denn sowas Spaß machen, Payment? Doch, das kann einem Spaß machen, wenn man dann Freude daran entwickelt an diesem speziellen Thema. Und man möchte einfach da gerne einen Beruf haben, den man toll findet. Und ich glaube, es ist auch schön, wenn man dann sieht: Man hat Mitarbeiter, die kommen hier echt gerne hin, also, das finde ich echt was Tolles. Wir hatten letztens einen Mitarbeiter, da stand der da, das war irgendwie so zwischen Weihnachten und Neujahr, da meinte ich: Du hast doch Urlaub! Och, weißt du, ich hatte eigentlich gar keine Lust mehr auf Urlaub! Ich habe heute gesagt: Ich komme ins Büro. Ich sag: Okay, das ist das schönste Kompliment, was du uns machen kannst. Das ist so, aber ich glaube schon, dieses Start-up-Ding wie bei Oliver Samwer mit dem Blut, da gab es mal irgendwie so Mails, ich habe das jetzt leider nicht mehr parat, da hat er: Ich bin der aggressivste Mann des Internets. Und dass viele so sein wollen, also, das finde ich so, ich glaube auch, es gibt viele, die wollen sein wie Oliver Samwer. Also, das will ich nicht.