An die Worte ihrer Dozenten erinnert sich die Lehrerin Imke Kahrmann heute noch: „Die haben uns schon im ersten Semester gesagt: ‚Ihr werdet euch noch wundern, die Schülerinnen und Schüler sind heute ganz anders!ʻ“ Heute ist Kahrmann seit fünf Jahren im Schuldienst, sie unterrichtet Musik und Deutsch an einer Gesamtschule im nordrhein-westfälischen Velbert, und vor allem: Von ihrem Beruf ist sie begeistert – „auch wenn dieser Satz damals wie eine Drohung in meinen Ohren geklungen hat, so richtig abschreckend!“
Wenn Imke Kahrmann auf ihren Ausbildungsjahrgang zurückschaut, zeigt sich daran im Kleinen das gewaltige Problem, vor dem die deutschen Schulen stehen: Ihr Musikstudium, sagt sie, habe sie mit 20 Mitstudierenden begonnen, die Lehrerin beziehungsweise Lehrer werden wollten – am Ende aber waren es nur noch fünf, die tatsächlich an einer Schule gelandet sind. Alle anderen haben das Studium abgebrochen oder sich schließlich für einen anderen Beruf entschieden. Genau das geschieht überall in Deutschland an den Universitäten und pädagogischen Hochschulen, wo die Lehrkräfte von morgen ausgebildet werden: In Scharen entscheiden sie sich gegen den Beruf, den sie eigentlich angestrebt haben.
„Man kann sich das vorstellen wie einen regelrechten Trichter“, sagt Bettina Jorzik, die beim Stifterverband die Programme für die Lehrkräftebildung leitet: „Es fangen viele mit dem Studium an, aber am Schluss kommen nur wenige im Schuldienst an.“ Mehr als 40 Prozent beträgt die Schwundquote im Durchschnitt, in einigen Bundesländern wie Berlin erreicht sie sogar 64 Prozent. Besonders verheerend ist das, weil eigentlich jeder einzelne Lehrer, jede einzelne Lehrerin gebraucht würde: In den kommenden zehn Jahren fehlen, je nach Schätzung, zwischen 68.000 und 81.000 Lehrkräfte. „Der Mangel hat sich über die vergangenen Jahre immer weiter verschärft“, hat Bettina Jorzik beobachtet. „Inzwischen betrifft er sämtliche Schulformen und nahezu alle Unterrichtsfächer.“