Wissenstransfer

Hochschule und Region: Gemeinsam Gesellschaft gestalten

Uwe Schneidewind, Oberbürgermeister der Stadt Wuppertal
Foto:Julia Merkel
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Die Third Mission ist für Hochschulen in den letzten Jahren immer wichtiger geworden. Hochschulen sollen gesellschaftliche Veränderungen mit ihrer Expertise aktiv begleiten. Was braucht es dafür?
Um Transformationsprozesse in einer Stadt oder einer Region nicht nur zu beforschen, sondern nachhaltig daran beteiligt zu sein, braucht es Konzepte, an denen auch Akteurinnen und Akteure außerhalb des Wissenschaftsbetriebs gleichberechtigt mitwirken – bottom-up statt top-down. Sei es beim Thema nachhaltige Energieversorgung, Mobilität, Gesundheitsversorgung, Wohnen im Alter oder Quartiersmanagement: Wer, wenn nicht die Menschen aus der Praxis und die Bürgerinnen und Bürger, die gesellschaftliche Veränderungen erleben und sich eine lebenswerte Zukunft wünschen, können Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern spiegeln, welche Innovationen gebraucht werden? Nur so kann sich letztlich nachhaltige Wirkung entfalten. 

Was ist dabei wichtig?
Der Wissenschaftsbetrieb wird von vielen Menschen als „closed shop“ wahrgenommen, zu dem sie keinen Zugang haben. Es braucht deshalb feste Orte der Begegnung und des Austausches auf Augenhöhe zwischen Hochschulen und Stadt, um Wissenschaft und Gesellschaft enger miteinander zu verknüpfen. Ein Beispiel ist die Umnutzung von Flächen wie Parkhäusern oder Universitätsarealen, um gemeinschaftlich genutzte Räume zu schaffen, in denen sich Wissenschaft, Stadtbevölkerung und Wirtschaft zu Veranstaltungen wie Workshops, Diskussionsrunden und Ausstellungen oder für kollaborative Vorhaben treffen. Damit leisten Transferaktivitäten auch einen Beitrag für die Stärkung der Demokratie.

Inwiefern?
Wissenschaft lebt vom Zweifel und von der kontinuierlichen Suche nach besseren Lösungen – ein Prinzip, das auch für eine funktionierende Demokratie essenziell ist. Um diese Botschaft zu vermitteln, braucht es den richtigen Standort und eben die Einbindung relevanter Akteurinnen und Akteure.

Zur Person

Uwe Schneidewind ist Oberbürgermeister der Stadt Wuppertal und Schirmherr des Programms Transformationslabor Hochschule. Das Wissenschaftssystem und die Schnittstelle von Wissenschaft und Gesellschaft kennt er aus unterschiedlichen Perspektiven: als ehemaliger Präsident der Universität Oldenburg, als Berater der Bundesregierung im Wissenschaftlichen Beirat Globale Umweltveränderungen oder als Leiter des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt, Energie, einem der führenden Thinktanks für Nachhaltigkeitsforschung in Deutschland. 

Nennen Sie ein paar Beispiele?
Im Norden von Wuppertal ist durch die zivilgesellschaftliche Initiative Utopiastadt e. V. mit Unterstützung der Stadt Wuppertal und der Universität Wuppertal das soziokulturelle Zentrum Utopiastadt Campus entstanden. Unter anderem wurde die Fläche rund um den alten ehemaligen Bahnhof Wuppertal-Mirke von der Initiative übernommen und in ein Reallabor für nachhaltiges Bauen, Wohnen und Zusammenleben umgestaltet. Bürgerinnen und Bürger können Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern quasi dabei zusehen, wie sie in Forschungsprojekten neue Ideen entwickeln und diese auf dem Areal erproben.

Gibt es einen roten Faden, der sich durch erfolgreiche Transfervorhaben zieht?
Die Entwicklung eines neuen Stadtquartiers kann ein solcher roter Faden sein. Oder gemeinsame Vorhaben wie die Verbesserung und Weiterentwicklung von Infrastrukturen. Das kann man an den geförderten Konzepten im Transformationslabor Hochschule sehr gut sehen. 

Uwe Schneidewind im Gespräch
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Uwe Schneidewind
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Lebendige Quartiere am Reißbrett zu entwickeln, die Wissenschaft, Kultur und Wohnen verbinden, aber nicht abends wie ausgestorben wirken, das funktioniert sicherlich nicht so einfach.
Darum ist ein gemeinsames Konzept und das Zusammenbringen relevanter Akteurinnen und Akteure so wichtig. Die vom Stifterverband geförderte TU Braunschweig beispielsweise entwickelt in den kommenden Jahren mit der Stadt Braunschweig den CoLiving Campus: ein Stadtquartier, das Wissenschaft und Stadtgesellschaft im urbanen Raum zusammenbringt und schon in der Entwicklungsphase zur aktiven Mitgestaltung einlädt. Es wird nicht über die Menschen in Braunschweig hinweg geplant, sondern mit ihnen gemeinsam. Unabhängig von diesem konkreten Beispiel: „Gemeinsam“ muss, wie schon gesagt, nicht immer ein gemeinsames neues Areal bedeuten, sondern kann, wie etwa im Fall des geförderten Konzepts der Hochschule Bochum und der Stadt Herne, auch die Etablierung neuer Bürgerbeteiligungsformate sein.

„Wer, wenn nicht die Menschen aus der Praxis und die Bürgerinnen und Bürger, die gesellschaftliche Veränderungen erleben und sich eine lebenswerte Zukunft wünschen, können Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern spiegeln, welche Innovationen gebraucht werden?“

Uwe Schneidewind
Oberbürgermeister der Stadt Wuppertal und Schirmherr des Programms Transformationslabor Hochschule

Wie sieht so etwas aus?
In Herne geht es um den Themenbereich Gesundheit – als Querschnittsthema, das von der individuellen Gesundheitsversorgung über strukturelle Aspekte wie Umweltbedingungen, Wohnqualität oder soziale Teilhabe bis hin zu Wirkungen auf Mobilität und Wohnen reicht. Um neue Ideen zu entwickeln oder Handlungsbedarf für bestehende Probleme zu analysieren, werden, Bürgerräten vergleichbar, mehrere Zukunftsräte aus Bürgerinnen und Bürgern gebildet. Sie vereinen Menschen unterschiedlichen Alters, mit unterschiedlichen Hintergründen und dadurch auch vielfältige Perspektiven. Die Zukunftsräte verknüpfen wissenschaftliche Expertise mit praktischen Erfahrungen und Bedürfnissen der Stadt. Um Ähnliches geht es auch im Konzept der Universität Würzburg mit der Stadt Würzburg. Um die nachhaltige Stadtentwicklung wissenschaftsbasiert und praxisorientiert voranzutreiben, werden hier thematische Tandemteams gebildet, in denen eine Person aus der Wissenschaft und eine aus der Stadtverwaltung intensiver miteinander zusammenarbeiten.

Neue Impulse für Hochschulen

Wie gehen Hochschulen mit aktuellen Herausforderungen um und wie können sie sich zukunftsfähig aufstellen? Mit diesem Thema beschäftigen sich die DUZ-Impulse, die der Stifterverband in Kooperation mit dem Magazin DUZ herausbringt. Da erste Schwerpunktthema zu Transformationsprozessen an deutschen Hochschulen ist im Februar erschienen. 
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Eine Hochschulleitung kann Transferaktivitäten nicht einsam beschließen, es funktioniert nur, wenn Leitung und wissenschaftlich Arbeitende an einem Strang ziehen. Wie etabliert man einen gemeinsamen Transfer-Spirit?
Hochschulen können das unter anderem durch eine gezielte Berufungspolitik steuern: Die Third Mission als wichtiges gemeinsames Ziel muss in die Ausschreibung einer Professur aufgenommen werden, verbunden etwa mit Anreizen wie einem reduzierten Lehrdeputat für Transferengagement. Es gibt bereits einige Universitäten wie etwa die Leuphana-Universität in Lüneburg oder die Universität Oldenburg, die Nachhaltigkeit und Transfer in Lehre und Forschung als Teil ihrer DNA betrachten. Das wiederum zieht Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an, die sich engagieren wollen und denen neben wissenschaftlichen Veröffentlichungen vor allem die Frage wichtig ist: Welchen Nutzen hat meine Forschung eigentlich jenseits wissenschaftlicher Paper? Daneben spielt auch die Lehre eine wichtige Rolle: Studiengänge, die den Transfergedanken als Social Learning und mit transdisziplinären Lehrformaten in ihr Curriculum aufnehmen und so den wissenschaftlichen Nachwuchs von Anfang an damit vertraut machen.  

Engagement allein reicht meistens nicht – es braucht auch Mittel, um Transferaktivitäten nachhaltig zu finanzieren.

Deshalb sind Programme wie das des Stifterverbands so wichtig für den Anschub: Damit verbunden ist nicht nur finanzielle Förderung, sondern es bietet auch Vernetzungsmöglichkeiten und Austausch mit anderen Hochschulen. Und eine Förderung durch den Stifterverband ist meistens ein Türöffner für Anschlussförderungen durch andere Institutionen. Zudem: Etliche Hochschulen haben mittlerweile feste Fördertöpfe für Transfervorhaben eingerichtet – damit gute Projekte verstetigt werden können.

Netzwerktreffen Transformationslabor Hochschule; Flipchart mit Programm
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Transformationslabor Hochschule

Der Stifterverband fördert Transferaktivitäten seit Jahren in vielfacher Form: Er analysiert in Studien die Lage, erkennt die Trends und moderiert den Weg, um miteinander zu Lösungen zu kommen, die im Alleingang nicht erreichbar wären. Mit dem Programm Transformationslabor Hochschule begleitet und fördert er zudem Transferaktivitäten an Hochschulen. Das Besondere ist die Verschränkung der Hochschulperspektive mit der kommunalen Perspektive bei der Gestaltung und Umsetzung von Transformationsprozessen. Die Förderung besteht aus einem einjährigen Programm, das Hochschulen und Kommunen auf der Umsetzungs- und auf der Leitungsebene durch Workshops und Coachings sowie mit strategischen Impulsen und Vernetzung unterstützt. Zusätzlich werden die teilnehmenden Hochschulen mit je 25.000 Euro gefördert. Unterstützt wird das Programm von Bildungschancen und der Gemeinnützigen Bruno Steinhoff Stiftung für Wissenschaft und Forschung. 

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