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Wissenstransfer

Kommunikation: Schlüssel zum erfolgreichen Transfer

Eine Person übergibt ein Mikrophone einer anderen Person
Foto: Kay Herschelmann

„Wenn wir Deutschland als Innovationsstandort voranbringen wollen, müssen Forschungsergebnisse noch besser ihren Weg in die Anwendung und wirtschaftliche Verwertung finden“, sagt Wiebke Hoffmann, Teamleiterin im Fokusthema „Impact of Science stärken“ beim Stifterverband. Kooperationen aus Wirtschaft und akademischer Forschung spielen dabei eine wichtige Rolle. Sie bieten Unternehmen Zugriff auf Expertise und frühe Einblicke in Ergebnisse bestimmter Studien. Forschende in akademischen Einrichtungen erhalten im Zuge von Kooperationen Zugang zur industriellen Infrastruktur und können ihre Prozesse frühzeitig auf Skalierbarkeit testen.

Häufig finden sich Partner für solche fruchtbaren Kooperationen aber gar nicht erst, weil sie nicht voneinander wissen. Oder ihre Erfolge werden nach außen kaum sichtbar, weil nicht öffentlich darüber berichtet wird. Und innerhalb bestehender Kooperationen ist eine Überlegung aller Beteiligten stets: Wer kommuniziert wann was mit wem, damit der Transfer gelingt? „Wissenschaftskommunikation ist also in mehrfacher Hinsicht ein Gelingensfaktor für erfolgreiche Kooperationen zwischen Industrie und akademischer Forschung“, sagt Wiebke Hoffmann. „Sie muss von Anfang an mitgedacht werden.“ Wie also ermöglicht gelungene Kommunikation die Anbahnung von Kooperationen? Was braucht es für die Verständigung zwischen Forschenden aus verschiedenen Sphären? Und wie können gemeinsame Erfolge sichtbar gemacht werden?

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Stefanie Molthagen-Schnöring (Foto: HTW Berlin)

„Wissenschaftskommunikation ist auch als eigener Transferpfad zu verstehen.“

Stefanie Molthagen-Schnöring
Vizepräsidentin für Forschung und Transfer der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin

Partnersuche für Forschung

„Wissenschaftskommunikation ist auch als eigener Transferpfad zu verstehen“, sagt Stefanie Molthagen-Schnöring, Vizepräsidentin für Forschung und Transfer der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin (HTW Berlin). Denn nicht nur per Fachartikel, Pressemitteilung oder Onlinebericht finden Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung ihren Weg zu möglichen Anwenderinnen und Anwendern. Auch Unternehmen durchforsten einschlägige Veröffentlichungen nach vielversprechenden methodischen Ansätzen oder für sie relevanter Expertise. Als einen „mehr oder weniger strukturierten Prozess der Suche nach potenziellen Kooperationspartnerschaften“ beschreibt das Robin Bär. Er ist Senior Program Lead Science Engagement im Unternehmen Bayer AG, das Mitglied im Fonds der Wirtschaft für die Wissenschaftskommunikation ist. Der Großteil aller Kooperationen komme aber auf eher informellem Weg zustande, meint er. Wichtige Treffpunkte dafür sind wissenschaftliche Konferenzen. Auch der offene Austausch in neuen partizipativen Formaten wird immer wichtiger. 

Robin Bär wünscht sich eine europaweite Plattform zur Partnersuche für langfristigere Forschungsverbünde: „Eine Art Börse oder ,Dating-Plattform‘, auf der Forschende ihre Pläne, Ziele und spezielle Expertise angeben“, beschreibt er. „Das gäbe Unternehmen die Möglichkeit, sich schon im Planungsstadium als Partner anzubieten und die Ausrichtung der Projekte von Anfang an mitzugestalten.“ Auch in gemeinsamen Projekten, Workshops oder per digitaler Plattform können Unternehmen ihre praxisnahe Expertise einbringen, während akademische Einrichtungen methodische Tiefe und theoretisches Know-how beisteuern. „So wird Wissen generieren und kommunizieren zusammengedacht und Wissenschaftskommunikation bekommt einen partizipativen Charakter“, sagt Wiebke Hoffmann. Die Industrie könne auf diesem Weg gute Impulse setzen, ergänzt Robin Bär, um Grundlagenforschung gesellschaftlich relevanter und ihre Ergebnisse besser anwendbar zu machen.

Smartphone mit geöffneter App und der Anzeige"It's an match"
Foto: Phiip Oronie via [unsplash+](https://unsplash.com/de/fotos/ein-handy-sitzt-auf-einer-blauen-flache-S4MBrP__q-E)
„Dating-Plattform“ für Forschende, um Ziele, Expertise und Forschungsprojekte zu matchen – das wünscht sich Robin Bär von der Bayer AG

Vertrauen ausbauen und gemeinsame Forschung sichtbar machen

Allerdings kann es in der Anbahnung und Planung von Kooperationen durchaus zu Missverständnissen kommen. „Die Unternehmenssphäre und die akademische Sphäre folgen verschiedenen Funktionslogiken. Sie unterscheiden sich in ihren Zielen und Prioritäten, Bedarfen und Prozessen und im Selbstbild der Forschende“, sagt Anne-Sophie Behm-Bahtat, Programmleiterin „Insights“ bei Wissenschaft im Dialog (WiD). Was zählt mehr: Profit oder Publikationen, Transparenz oder Geheimhaltung, Unternehmenserfolg oder Erkenntnisgewinn? Die Differenzen bleiben oft unausgesprochen. „Schon zwischen Forschenden verschiedener Disziplinen kommt es vor, dass sie denselben Begriff sehr unterschiedlich interpretieren – ohne sich dessen überhaupt bewusst zu sein“, sagt Behm-Bahtat. Und was ein Ingenieur oder eine Ingenieurin in einem Unternehmen unter einem „lebenswerten Umfeld“ versteht, kann ganz anders aussehen, als was sich Grundlagenforschende der Stadtentwicklung darunter vorstellen. „Dann gibt es keine gemeinsame Story, an der sich das Handeln der Kooperierenden ausrichtet.“ Um erfolgreich zusammenzuarbeiten, braucht es zwischen den Forschenden eine frühe und konstante Kommunikation über eigenes Wissen, Hintergründe und Erwartungen. 

„Forschende in der akademischen Welt sind sich zudem durchaus bewusst, dass das Vertrauen der Öffentlichkeit in Unternehmensforschung gering ist“, sagt Behm-Bahtat weiter. „Viele fürchten, dass die Skepsis auf sie abfärbt oder sie als ,gekauft‘ gelten, wenn sie mit Unternehmen kooperieren.“ Ein grundlegendes Problem sieht sie darin, dass Forschende aus Unternehmen und öffentlichen Forschungseinrichtungen sich gegenseitig fremd sind. „In ihrem Arbeitsalltag begegnen sie sich kaum.“ Es brauche mehr Räume für Forschende aus beiden Welten, um sich auszutauschen, sich gegenseitig kennenzulernen und das Vertrauen ineinander auszubauen, meint sie. „Wenn das gegenseitige Vertrauen wächst, wirkt das auch nach außen.“ So könne das Vertrauen der Gesellschaft in die Forschung gestärkt werden. „Und die Wissenschaftskommunikation selbst kann sich durch eine stärkere Öffnung gegenüber Forschenden in Unternehmen und Kooperationen weiterentwickeln.“ 

Viele Forschende wünschen sich eine offenere Kommunikation mit der Öffentlichkeit, auch um Skepsis gegenüber akademisch-industriellen Partnerschaften vorzubeugen. Der Stifterverband und der Fonds der Wirtschaft für Wissenschaftskommunikation haben dieses Anliegen unter anderem in den Diskussionen der FactoryWisskomm vorangetrieben, der Plattform des Bundesforschungsministeriums zur Weiterentwicklung wirksamer und verantwortungsbewusster Wissenschaftskommunikation. Robin Bär meint: „Wir sollten erklären, wie die Prozesse in Kooperationen funktionieren, wie wir gemeinsam auf neue Ansätze kommen, uns gegenseitig helfen … eben die ganze Geschichte erzählen“! Kommunikationsabteilungen könnten als Grundlage dafür die Transparenzregister nutzen, in denen viele Hochschulen ihre Kooperationen mit Unternehmen offenlegen. „Sie bergen wertvolle Information“, meint Bär. Die Geschichten hinter den Daten zu erzählen würde helfen, die gemeinsame Forschung mehr in das Bewusstsein der Öffentlichkeit zu rücken. Auch die Forschenden selbst könnten aus laufenden Kooperationsprojekten nach außen kommunizieren. „Soziale Medien eignen sich dafür, kleinere Erlebnisse oder Ergebnisse mit überschaubarem Aufwand für interessierte Öffentlichkeiten sichtbar zu machen.“

„Die Wissenschaftskommunikation selbst kann sich durch eine stärkere Öffnung gegenüber Forschenden in Unternehmen und Kooperationen weiterentwickeln.“

Anne-Sophie Behm-Bahtat
Programmleiterin „Insights“ bei Wissenschaft im Dialog

Kommunikation ist nicht nur senden

„Wenn heute von Forschung die Rede ist, denkt kaum jemand an Unternehmen“, sagt Bär weiter. „Dabei wird so manche gesellschaftlich relevante sicherheits- oder gesundheitsbezogene Forschung in Unternehmen durchgeführt – schon allein, weil es zu wenig öffentliche Mittel dafür gibt.“ Das gelte etwa in Bereichen der KI-Anwendungen, der Landwirtschaft und Ernährung oder der pharmazeutischen Entwicklung. Bär mahnt: „Wenn uns für diese industrielle Forschung der Rückhalt fehlt, habe ich Sorge, dass unser Fortschritt stagniert.“ Dem möchten Unternehmen entgegenwirken, indem sie ihren Anteil an geleisteter Forschung sichtbarer machen und so das Vertrauen der Gesellschaft in sie stärken. Und zur Kommunikation gehört nicht nur das Senden, betont Robin Bär: „Damit aus einer Idee ein gutes Produkt entsteht, braucht es den vertrauensvollen Dialog mit den Nutzerinnen und Nutzern.“ Ein Ziel beim Fokusthema Impact of Science stärken des Stifterverbandes ist deshalb, den Dialog zwischen Forschenden aus der akademischen Welt und aus der Unternehmenswelt zu fördern – mit den Nutzenden als einem festen Bestandteil gemeinsamer Wissensgewinnung.

Verständigungsschwierigkeiten zwischen Forschenden der verschiedenen Sphären können – gerade in ergebnisreichen Kooperationen – auch dann auftreten, wenn es um die Verwertung der Ergebnisse geht: Sollen sie möglichst schnell in Fachmagazinen veröffentlicht werden? Oder soll ein Patent angemeldet werden? „In den Abwägungen kommen wieder die unterschiedlichen Logiken zum Tragen, die die industrielle und die akademische Forschung unterscheiden“, sagt Wiebke Hoffmann. Publikationen in Fachmagazinen sind die Währung, in der Forschende im akademischen System auf Renommee und Karriere einzahlen. Gleichzeitig ist die vorherige Veröffentlichung ein Ausschlusskriterium für die Anmeldung zum Patent — einem wichtigen Vermögenswert für Unternehmen und Ausdruck ihrer Innovationskraft. „Deshalb ist es wichtig, sich in Kooperationen frühzeitig über diese Frage abzustimmen“, sagt Robin Bär. 

In solchen Verhandlungen kann das gegenseitige Verständnis für die Arbeitsbedingungen und Prioritäten beider Seiten wachsen. „In der Wirtschaft geht es um schnelle Lösungen, die möglichst effizient und kostengünstig sein sollen“, sagt Moltenhagen-Schnöring. „In der akademischen Denkweise zählt dagegen oft der Forschungsprozess an sich.“ Sich der unterschiedlichen Ziele bewusst zu werden, hilft den Beteiligten, gemeinsamen Nutzen zu definieren, Innovationspotenzial auszuschöpfen und damit soziale Verantwortung zu übernehmen.

Fluidität zwischen den Systemen

Damit die Verständigung zwischen Forschenden aus Unternehmen und Forschenden aus dem akademischen Bereich besser gelingt, braucht es mehr Forschende, die in beiden Sphären sicher agieren. Der Stifterverband fördert deshalb die Fluidität zwischen den Systemen, etwa im Sinne gemischter Karrierepfade und Talentfluss zwischen Unternehmen und Hochschulen. Er macht sich unter anderem für die Einrichtung dualer Promotionen und Postdoc-Trainings stark, das heißt für die wissenschaftliche Ausbildung und Qualifizierung in Unternehmen und Hochschule. Der Verband fördert und begleitet Transfer auf vielen Ebenen und ermutigt Forschende dazu, öffentlich über ihre Forschung zu informieren. Denn klar ist: Wissenschaftskommunikation ist nicht nur ein Nice-to-have für Kooperationen, sondern hat Querschnittsfunktionen für verschiedene Transferfelder. Anne-Sophie Behm-Bahtat von Wissenschaft im Dialog bringt es so auf den Punkt: „In vertrauensvoller Kommunikation liegt ein Schlüssel zum erfolgreichen Transfer.“

Kein Transfer ohne Kommunikation (Video)
Kein Transfer ohne Kommunikation (Video)
Stimmen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer im Videorückblick zur Veranstaltung

Kein Transfer ohne Kommunikation

Welche Rahmenbedingungen müssen erfüllt sein, damit der produktive Dialog zwischen akademischer und industrieller Forschung gelingt? Diese Frage stand im Mittelpunkt der Podiumsdiskussion „Kein Transfer ohne Kommunikation“, die der Stifterverband gemeinsam mit der Initiative Wissenschaft im Dialog zur Podiumsdiskussion „Kein Transfer ohne Kommunikation“ im Herbst 2024 organisiert hatte. Die Veranstaltung brachte Forschende aus Wirtschaft und Wissenschaft zusammen und wurde vom Fonds der Wirtschaft für die Wissenschaftskommunikation gefördert, einer gemeinsamen Initiative des Stifterverbandes und neun Großunternehmen in Kooperation mit Wissenschaft im Dialog. Gemeinsam setzen sie sich dafür ein, Wissenschaftskommunikation im Kontext der Industrieforschung zu stärken und sichtbarer zu machen. Zu den Mitgliedern des Fonds gehören BASF, Bayer, Boehringer Ingelheim, Covestro, Elsevier, EnBW, Robert Bosch, Roche Pharma sowie TRUMPF. 

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