Lebenslanges Lernen ist für Berufstätige die vermutlich wichtigste Voraussetzung, um sich in der Arbeitswelt zu behaupten. Was gestern noch „State of the Art“ war, ist morgen schon überholt. Aus diesem Grund nehmen jährlich 6,83 Millionen Bürgerinnen und Bürger an Weiterbildungsveranstaltungen teil (Quelle: Statista.de, 2020). Eine in den vergangenen Jahren zunehmend wichtige Rolle spielen dabei die Studien- und Lehrgangsangebote von Hochschulen. Tatsächlich bestätigt der abschließende Hochschul-Bildungs-Report, in dem der Stifterverband gemeinsam mit der Unternehmensberatung McKinsey zehn Jahre lang die Hochschulbildung in Deutschland beobachtet hat: Die Hochschulen haben in der sogenannten quartären Bildung bei ihren Angeboten und bei der Anzahl der Absolventinnen und Absolventen seit 2010 zugelegt.
Future Skills
Weiterbildung: Hochschulwissen gesellschaftlich wirksam machen

Bei der Weiterbildung suchen Unternehmen immer häufiger den Schulterschluss mit Hochschulen. Das Potenzial ist groß, wird von vielen Hochschulen aber noch nicht richtig genutzt.
Hochschulen kooperieren bei der Weiterbildung mit der Wirtschaft
Die Hochschulen suchen in der Weiterbildung den Schulterschluss mit der Wirtschaft: Kooperationen mit einzelnen Unternehmen, mit regionalen Wirtschaftsförderinstitutionen oder mit Berufsverbänden. Nicht nur, um Angebote maßzuschneidern, sondern auch, um Berufspraktikerinnen und -praktiker aus der Wirtschaft als Lehrende zu gewinnen und den wichtigen Austausch zwischen Wissenschaft und Praxis zu fördern. Zudem entstehen aus der Zusammenarbeit neue Fragestellungen und Impulse für Forschung und Lehre.
Welche Art von Kooperationen sinnvoll seien, müsse jedoch von Fall zu Fall immer neu abgewogen werden, sagt etwa die Weiterbildungsexpertin Ilona Arcaro. Sie leitet die Wissenschaftliche Weiterbildung der Technischen Hochschule (TH) Köln, einer der fünf Pilothochschulen im Weiterbildungs-Audit. „Es ist einerseits wichtig, auf Bedarfe einzelner Unternehmen zu reagieren. Wir möchten jedoch auch offene Weiterbildungen anbieten, die für eine gesamte Branche oder auch mehrere Branchen interessant sind.“ Deshalb möchte die Hochschule die Zusammenarbeit mit Verbänden und der regionalen Wirtschaftsförderung weiter ausbauen.

Ein gutes Beispiel ist der Zertifikatslehrgang „Zirkuläre Wertschöpfung“, der demnächst starten wird. Die TH kann auf diesem Gebiet mit der wissenschaftlichen Expertise an ihrem :metabolon Institut punkten, wo Konzepte für nachhaltige Kreislaufwirtschaft entwickelt werden. Und aktuell ist das Thema branchenübergreifend wichtiger denn je: Rohstoffknappheit, (inter-)nationale Regularien und ein gewandeltes Konsumentenbewusstsein erfordern neue Konzepte für Produktion, Nutzung, Entsorgung und Verwertung.
Auch der Bauingenieur Andreas Plum, Geschäftsführender Vorstand der Cognos GmbH mit Sitz in Aachen und Köln, schickt seine Mitarbeitenden gerne zu Weiterbildungen an die TH. Das Unternehmen ist Dienstleister im Bereich Baugutachten, Plums Spezialgebiet als Bausachverständiger ist der Brandschutz. Die Hochschule bietet einen Zertifikatslehrgang für Fachplanung und Fachbauleitung im Brandschutz an, der als Hybridveranstaltung sowohl digital als auch in Präsenz stattfindet. Es ist einer von insgesamt acht weiterbildenden Masterstudiengängen und 20 Zertifikatslehrgängen an der TH.
Was zeichnet die Weiterbildungsangebote an der Hochschule aus?
Da Plum sein Wissen und seine langjährigen Berufserfahrungen gerne an andere weitergibt, ist er selbst als Dozent in dem Lehrgang tätig. An der TH Köln schätzt er vor allem zweierlei: „Zum einen ist für mich der wissenschaftliche Hintergrund und die damit verbundene inhaltliche Tiefe der Weiterbildungen ein absolutes Qualitätsmerkmal, verglichen beispielsweise mit einigen der Fort- und Weiterbildungen, die von Berufs-, Industrie- oder Handwerkskammern angeboten werden. Jeder Studiengang oder Lehrgang wird von einer Hochschullehrerin oder einem Hochschullehrer verantwortet und in der Lehre durch die Expertise von Berufspraktikern ergänzt. Das ist eine sehr gute Kombination“, weiß Plum aus eigener Erfahrung. Zudem konnte der 42-Jährige als Dozent an der TH an Trainingskursen wie „Lehren lernen“ teilnehmen: „Ich hatte noch nicht viel Erfahrung auf dem Gebiet. Gemeinsam mit Hochschullehrerinnen und -lehrern in dem Kurs zu sitzen und im Austausch mit ihnen meine Skills in der Lehre zu verbessern, war eine tolle Erfahrung.“
„Für mich ist der wissenschaftliche Hintergrund und die damit verbundene inhaltliche Tiefe ein absolutes Qualitätsmerkmal der Weiterbildung an Hochschulen.“
Kaum Anreize für Lehrende, sich in der Weiterbildung zu engagieren
Das klingt gut. Anderes dagegen läuft noch nicht optimal – die TH Köln steht hier stellvertretend für viele andere Hochschulen. „Leider gelingt es uns noch nicht ausreichend, unsere Professorinnen und Professoren für mehr Engagement in der Weiterbildung zu begeistern“, räumt Arcaro ein. Vor allem zu Beginn der wissenschaftlichen Karriere geht es um Forschungsprojekte und Publikationen, mit Weiterbildung dagegen lässt sich für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler kein Ruhm ernten.
Es gibt aber noch einen anderen Grund für das gedämpfte Engagement: Der Einsatz in der Weiterbildung kann aus Kapazitätsgründen häufig nicht mit dem Lehrdeputat, das Hochschullehrerinnen und -lehrer zu einer festgesetzten Anzahl von Stunden in der Lehre verpflichtet, verrechnet werden. Die Erfüllung des grundständigen Lehrangebotes durch die Hochschulen soll auf diese Weise nicht gefährdet werden. „Weiterbildungslehrveranstaltungen zu konzipieren und durchzuführen, ist deshalb eine Arbeitsleistung on top, die derzeit nur in Form einer Nebentätigkeit honoriert wird“, sagt Arcaro. Sie findet das bedauerlich – es sei sinnvoll, mehr gesetzliche Spielräume zu ermöglichen, um mehr Anreize schaffen zu können. Private Anbieter – etwa Akademien und private Hochschulen – sind hier auf dem Weiterbildungsmarkt im Vorteil.
