Wissenschaftskommunikation sowie die Digitalisierung der Hochschulbildung sind seit vielen Jahren zentrale Schwerpunkte der Arbeit des Stifterverbandes. Zu den Flagschiffen gehören beispielsweise der Communicator-Preis für Forscherinnen und Forscher, die besonders engagiert den Dialog mit der Gesellschaft führen, sowie die Gründung und Weiterentwicklung des Hochschulforums Digitalisierung (HFD), das die deutschen Hochschulen in der digitalen Transformation von Studium und Lehre unterstützt. Seit 2019 baut der Stifterverband zudem die digitale Lernplattform KI-Campus mit auf.
Covid-19 hat aber gleichzeitig gezeigt: Benötigt wird nicht nur ein Mehr an Kommunikation oder an digitalen Formaten. Nein, es geht um tiefgreifende inhaltliche Veränderungen. Ein Beispiel ist die gesellschaftliche Erwartungshaltung, wie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler öffentlich auftreten sollen. Noch vor einigen Jahren stand im Mittelpunkt der Kommunikation, die Forschung professionell und verständlich zu erklären. Heute hingegen wird erwartet, dass Forscherinnen und Forscher sich in die großen Debatten einbringen – dass sie also Ergebnisse und Entwicklungen nicht nur erläutern, sondern zugleich auch einordnen und dabei Fragen und Sorgen aufgreifen. Forscherinnen und Forscher sind auf einmal zu Krisenkommunikatoren geworden; sie sehen sich von verleumderischen Informationen und sogar gezielten persönlichen Angriffen in die Zange genommen. Zugleich benötigt die Politik eine zunehmend intensive Beratung, um wissenschaftsbasierte Entscheidungen zu treffen.
An allen diesen Aspekten wird deutlich, dass das Zusammenspiel von Wissenschaft, Gesellschaft und Politik in einem grundsätzlichen Wandel steckt. Als es 2021 darum ging, Wissenschaftskommunikation angesichts der neuen Anforderungen durch die Pandemie neu zu denken, brachte der Stifterverband als Collective Impact Organisation sein großes Netzwerk zusammen und startete gemeinsam mit Unternehmensvertretern und der Organisation Wissenschaft im Dialog den Fonds der Wirtschaft für Wissenschafts- und Innovationskommunikation. Ab 2022 soll dieser nun das Thema Wissenschaftskommunikation in den Unternehmen stärken. Die Ziele sind dabei unter anderem, die Unternehmen für die Bedarfe und Herausforderungen guter Wissenschaftskommunikation zu sensibilisieren und sie dabei zu unterstützen, Bedingungen für gute Wissenschaftskommunikation zu entwickeln. Dazu sollen gute Beispiele aus der Praxis sichtbar gemacht und neue, innovative Wege der Wissenschaftskommunikation in Unternehmen aufgezeigt werden. Gleichzeitig gilt es, die Perspektive der Unternehmen verstärkt in die öffentliche Debatte zur Wissenschaftskommunikation einzubringen. Die Unternehmen und der Stifterverband haben den Fonds mit insgesamt 450.000 Euro ausgestattet. Die Aktivitäten starten in 2022 mit einer Befragung von kommunizierenden Forscherinnen und Forschern in Unternehmen.
Aber auch in anderen Rollen ist der Stifterverband auf dem Feld der Wissenschaftskommunikation tätig. Vor mehr als 20 Jahren gründete er gemeinsam mit anderen Wissenschaftsorganisationen die Initiative Wissenschaft im Dialog (WiD). Die Initiative unterstützt Wissenschaft und Forschung bei einer wirkungsvollen Kommunikation und entwickelt neue Vermittlungsformate. Zugleich soll WiD das Bewusstsein für die gesellschaftliche Bedeutung der Wissenschaft fördern. Der Stifterverband unterstützt seit jeher diese Arbeit: Als Netzwerker und Meinungsbildner wie etwa beim Forum Wissenschaftskommunikation, zu dem Wissenschaft im Dialog regelmäßig Profis auf diesem Gebiet zusammenbringt. Als Möglichmacher zum Beispiel beim YouTube-Wettbewerb FastForward Science, der neue Formate der Wissenschaftskommunikation in den Blick nimmt und sich vor allem an junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler richtet. Zudem fördert der Stifterverband gemeinsam mit der Deutschen Forschungsgemeinschaft seit mehr als zwei Jahrzehnten Koryphäen auf dem Gebiet der Wissenschaftskommunikation mit dem traditionsreichen Communicator-Preis.
Während der Pandemie wurde der Stifterverband auch zum Berater und Impulsgeber auf dem Feld der wissenschaftsbasierten Politikberatung; 2021 startete er das gleichnamige Projekt im Auftrag des Forschungsministeriums. Zwar standen Politikerinnen und Politiker auch schon vor Covid-19 mit Experten aus der Forschung im Kontakt, aber in Krisenzeiten zeigte sich das Bedürfnis nach einer anderen, einer engeren Form der Zusammenarbeit. Dahinter steht die Erkenntnis, dass die Politik eine valide und schnell verfügbare Wissens basis braucht, um Entscheidungen zu treff en. Weil aber gleichzeitig wissenschaftliche und politische Prozesse ihrer je eigenen Logik folgen, bedarf es einer Art Übersetzung und neuer Formen der Interaktion. Der Stifterverband hat hier gemeinsam mit Fachleuten aus beiden Sphären Vorschläge erarbeitet, die künftig als Grundlage für die Zusammenarbeit dienen können.
Mit der Initiative Future Skills greift der Stifterverband diese veränderten Realitäten auf und wirkt als Impulsgeber für die notwendigen Veränderungen an den Hochschulen. Zusammen mit Partnern wie der Heinz Nixdorf Stiftung, dem Land NRW oder der Allianz hat der Stifterverband dazu Programme innerhalb der Initiative entwickelt, um das Thema Future Skills in der Lehre zu stärken. Der Fokus liegt dabei unter anderem auf unternehmerischen Kompetenzen, sogenannten Entrepreneurial Skills sowie Data Literacy, also der Fähigkeit, Daten richtig zu lesen, zu deuten und anzuwenden. Mit dem Projekt KI-Campus, das der Stifterverband gemeinsam mit dem Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz, dem Hasso-Plattner-Institut und zahlreichen weiteren Partnern umsetzt, wurde diese Netzwerk- und Beratungsarbeit auch in die konkrete Praxis umgesetzt. Der KI-Campus stärkt Kompetenzen im Bereich Künstliche Intelligenz (KI) und Data Literacy mit offen lizenzierten und kostenlosen Onlinekursen, Videos und Podcasts für unterschiedliche Zielgruppen. Auf der Lernplattform für Künstliche Intelligenz kommen gezielt interaktive Formate zum Einsatz, um die Inhalte ohne technologische Komplexität zu vermitteln. Mehr als 40 Hochschulen, Unternehmen und zivilgesellschaftliche Einrichtungen haben bereits digitale Formate für den KI-Campus entwickelt, der bereits mehr als 30.000 Lernende erreicht. Die Videos und Podcasts des KI-Campus haben mehr als 800.000 Aufrufe erzielt. Vielfältige digitale Formate schaffen damit neue Wege des Transfers von Wissenschaft und Fachkompetenz in die Breite der Gesellschaft.
Welche generelle Aufbruchstimmung im Bereich der Hochschulbildung herrscht, wurde spätestens im Herbst 2021 deutlich: Da organisierte das HFD gemeinsam mit der Stiftung Innovation in der Hochschullehre und dem KI-Campus das University:Future Festival, auf dem sich drei Tage lang fast 3.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer in Workshops und großen Diskussionen mit der Zukunft der Hochschulen beschäftigten – unter ihnen viele Studierende der DigitalChangeMaker. Die studentische Arbeitsgruppe setzt sich dafür ein, dass Studierende nicht nur passive Empfänger von Lerninhalten sind, sondern auch als aktive Mitgestalterinnen und Mitgestalter in Transformationsprozesse eingebunden werden. Hinter dem großen Festival stand die Überlegung, dass es nach der Pandemie kein Zurück zum alten Normal geben wird. Deshalb sollte hier vermessen werden, wie digitale Inhalte und Methoden künftig in die Hochschulbildung einfließen können. Der Schwung und die Aufbruchstimmung waren dabei so greifbar, dass viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer auf sozialen Medien von einer Bewegung sprachen, die auf dem University:Future Festival ihren Ausgang nahm – eine Bewegung, die das Thema der Digitalisierung an den Hochschulen auch in den nächsten Jahren mitgestalten wird.
Die Digitalisierung ist neben der Wissenschaftskommunikation der zweite große Bereich aus dem Tätigkeitsfeld des Stifterverbandes, in dem die Pandemie tiefgreifende Änderungen hervorgerufen hat. Dass digitale Transformation in Schule, Studium und Lehre nötig ist – das war schon seit Jahren ein beliebtes Schlagwort, das aber nur selten mit Leben gefüllt wurde. Der Stifterverband setzt dieses Thema deshalb seit rund einem Jahrzehnt konsequent auf die nationale Agenda, gleichzeitig investiert er viel Energie in die Förderung von Innovationen auf diesem Feld, in die Vernetzung von wichtigen Akteuren und in den Erfahrungsaustausch. Mit der Pandemie änderten sich die Rahmenbedingungen für die Digitalisierung auf einen Schlag: Innerhalb weniger Wochen wurde plötzlich umgesetzt, was bis dato unmöglich schien, und viele Ideen, die der Stifterverband in Pilotprojekten gesammelt und erprobt hatte, ließen sich auf einmal flächendeckend verwirklichen.
Eine Schlüsselrolle kam dabei dem Hochschulforum Digitalisierung (HFD) zu, einem Gemeinschaftsprojekt von Stifterverband, Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) und der Hochschulrektorenkonferenz. Seit 2014 informiert, berät und vernetzt das HFD Akteure aus den unter schiedlichsten Bereichen, um innovative Impulse für die Digitalisierung der Hochschulen zu geben. Gleich zu Beginn der Pandemie stellten die Experten aus dem HFD das Qualifizierungsspecial Quickstarter Online-Lehre zusammen, in dem sie vor allem in Video-Vorträgen vermitteln, worauf es bei digitalen Formaten ankommt und wie auch Neulinge bei dem Thema rasch Tritt fassen. Innerhalb der ersten paar Wochen gab es schon mehr als 2.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer, inzwischen liegt die Zahl der Abrufe bei weit über einer halben Million. Die Onlinelehre ist durch die Pandemie in der Breite angekommen, und daran zeigt sich beispielhaft der Wert, den die Kontinuität der Arbeit des Stifterverbandes hat: Die langjährig gesammelten Erfahrungen und das mühevoll geknüpfte Netzwerk haben den Boden für ein schnelles Ausrollen der digitalen Angebote bereitet.
Bei der Digitalisierung geht es aber nicht nur um ein Verlagern von Vorlesungen auf virtuelle Plattformen; gefragt ist vielmehr die Erweiterung der Lehre um neue Inhalte. Dahinter steht die Erkenntnis, dass die digitale Transformation eine Schlüsselherausforderung für den Wirtschaftsstandort Deutschland ist: Um in der Arbeitswelt zu bestehen und an der gesellschaftlichen Entwicklung teilzuhaben, sind völlig neue Kompetenzprofile erforderlich – Qualifikationen, die in den Bildungseinrichtungen vermittelt werden müssen.
DER UNMITTELBARE DIALOG WIRKT AUSGESPROCHEN VERTRAUENSBILDEND
Markus Weißkopf, Geschäftsführer von Wissenschaft im Dialog
und langjähriger Partner des Stifterverbandes, im Gespräch
über die nötigen Voraussetzungen für gute Kommunikation –
und darüber, welche Lehren er aus der Pandemie gezogen hat.
Während der Pandemie hat sich in Sachen Wissenschaftskommunikation viel entwickelt. Was davon wird bleiben?
Die gestiegene Aufmerksamkeit für Wissenschaftskommunikation wird zumindest nicht gänzlich abebben, dazu gibt es zu viele andere gesellschaftliche Herausforderungen, bei denen Wissenschaft eine Rolle spielt. Gute Rahmenbedingungen zu schaff en und Unterstützung anzubieten für kommunizierende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler – das wird noch weiter an Bedeutung gewinnen. Und damit meine ich nicht, dass jede und jeder ein Medientraining braucht. Wir müssen den Rahmen für persönliche Begegnungen und Gespräche schaffen – Vertrauen entsteht durch den unmittelbaren Dialog. Es gibt bereits zahlreiche Formate, in denen Faktenwissen vermittelt wird. Aber wenn es darum geht, wissenschaftliche Erkenntnisse in gesellschaftliche Debatten einzuordnen, fehlen noch gute Angebote. Und wir müssen natürlich diejenigen besonders unterstützen, die in den besonders hitzigen Debatten persönlich angegriffen werden. Das sind Schwachstellen, die in der Pandemie offengelegt wurden und auf denen deshalb in Zukunft ein besonderer Fokus liegen wird.
Wie hat sich Ihre Arbeit durch die Pandemie verändert?
Wir haben alle unsere Formate sehr schnell digitalisiert, sogar Hackathons an Schulen und andere Angebote, die vorher nur in Präsenz denkbar waren. Die Zahl der Anfragen aus Wissenschaftsorganisationen und von anderen Kommunikatoren nach diesen Themen war übrigens gewaltig: Wie lässt sich kommunizieren, wenn bewährte Instrumente von Schülerworkshops bis zu Tagen der off enen Tür einfach wegfallen und wie setze ich Diskursveranstaltungen im digitalen Raum um, ohne auf Interaktion zu verzichten? Da konnten wir also viele Erfahrungswerte teilen und Hilfestellung bieten.
In der Pandemie sind Wissenschaftler für manche Teile der Bevölkerung zu Feindbildern geworden. Wie kann die Kommunikation darauf reagieren?
Die Zahlen sind da eindeutig: Am Anfang der Pandemie ist das Vertrauen in die Forschung erst einmal nach oben geschnellt. Von diesen Rekordwerten aus ist es später wieder leicht gesunken,
stabilisiert sich aber auf einem etwas höheren Wert als vor der Pandemie. Wir sehen also ein sehr hohes Vertrauen in und auch ein hohes Interesse an Wissenschaft und Forschung. Das war auch schon vor der Corona-Pandemie so: Da sagten bereits zwei Drittel der Bürgerinnen und Bürger, sie interessierten sich für die Wissenschaft – ein viel höherer Wert etwa als beim Interesse für Wirtschaft, Politik oder Kultur. Das ist ein wichtiger Punkt: Die beste Wissenschaftskommunikation hilft nichts, wenn sie auf eine Bevölkerung trifft, die sich weder für Wissenschaft interessiert noch weiß, wie sie funktioniert und was sie von ihr erwarten kann. Wir brauchen also ein langfristiges Engagement für Bildung und außerschulische Aktivitäten, damit Wissenschaftskommunikation zu aktuellen Themen überhaupt auf fruchtbaren Boden fällt.